Meine Mutter will meine beste Freundin sein, aber...

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Wir saßen bei unserem Lieblingsitaliener, meine Mutter bestellte aber nur Wasser und einen Salat. Alkoholfreie Woche, sagte sie.

Ich schüttelte den Kopf, nahm Spaghetti frutti di mare und Chianti.

Wie immer.

"S. kommt übers Wochenende nach Berlin", sagte ich, es sollte möglichst beiläufig klingen.

"Der Schöne?", antwortete sie, es klang ein wenig zu aufgeregt für eine so reduzierte Information.

"Was meinst Du mit schön?", stellte ich mich naiv.

"Na, der sieht doch aus wie ein richtiger Franzose! Weißes Hemd, ein bisschen graumeliertes Haar...jedenfalls auf dem Foto, das Du mir neulich gezeigt hast...".

1: 0 für sie.

"Mit so einem würde ich nie ins Bett gehen, der nutzt einen doch nur aus, der könnte doch jede haben.."

"Nur weil er - in Deinen Augen - schön ist, muss er gleich ein Arschloch sein?", fragte ich.

Wir hatten schön öfter über Männer geredet, seit ich 12 bin eigentlich, damals erzählte sie mir von Robert Redford, und warum mein Vater nicht ein bisschen mehr so sein könnte, wie er. Ich wollte das eigentlich gar nicht wissen. Sie sollte vor allem meinen Vater aus dem Spiel lassen.

"Warum, wir sind doch Freundinnen", sagte meine Mutter.

Ich fühlte mich k.o. und lächelte etwas gequält.

"Nein, Du bist nicht meine beste Freundin, sondern meine Mutter."

Beides, erklärte ich ihr, geht nicht.

Sie guckte jetzt so als hätte ihr den Dolch ins Herz gestochen, und einen sehr intimen Moment, ein Frauengespräch zwischen Mutter und Tochter zerstört.

So ähnlich fühlte ich mich jetzt auch. In diesem Moment, kurz bevor S. nach Berlin kam, überraschend, und ich noch nicht wusste, ob ich in die Höhle dieses Löwen gehen würde oder nicht.

"Natürlich nicht", nahm mir meine Mutter die Antwort ab, die ich von ihr gar nicht haben wollte. "Schöne Männer sind tabu, ich könnte mich NIE in einen schönen Mann verlieben".

Ich erinnerte sie dann daran, wie sie einmal von dem Mund meines Exfreundes schwärmte, von "diesen Lippen".

Wie ich nur diese Lippen verlassen konnte, hat sie mich seitdem immer wieder gefragt.

"Ist es nicht ein Kompliment, wenn S., der eigentlich viele haben könnte, ausgerechnet mich wählt?"

"Der meint es doch nicht ernst", sprudelte es sofort aus ihr heraus.

"Das ist Dein mangelndes Selbstbewusstsein, das Du an den Männern abarbeitest", rief ich, mittlerweile ziemlich verärgert.

"Sei Du doch selbstbewusst und steh dazu, dass Du einfach nur mit ihm l' amour 69 machen willst".

MAMA! Stop! Iss einfach Deinen Salat weiter!

"Wieso, mit Silvia rede ich auch immer so ehrlich, und sie findet das toll".

ICH bin nicht Deine Freundin Silvia! Ich bin auch keine ältere frustrierte Single-Frau, die mal Brigitte Bardot ähnelte. Ich bin Deine Tochter!

Mamma mia, hätte ich bloß nie diese knappe Bemerkung gemacht.

Dann wäre ich wahrscheinlich doch noch mit ihm im Bett gelandet.

Aber so musste ich schon beim Küssen dieser wunderbaren Lippen an meine Mutter denken. Nichts ging mehr.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

Maxi Leinkauf

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