Nicht wie bei Mama

Showkochen Die Italienische Botschaft hatte zum Empfang mit "Starköchin" Sarah Wiener eingeladen, aber während sie von Olivenöl schwärmte, waren die Gäste nur eins: hungrig

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Bio-Botschafterin: Sie schwört auf gesundes Essen, auch wenn es um italienische Küche geht: Vorzeigeköchin Sarah Wiener
Bio-Botschafterin: Sie schwört auf gesundes Essen, auch wenn es um italienische Küche geht: Vorzeigeköchin Sarah Wiener

Foto: Imago

Es ist kurz vor halb 8 an diesem Mittwochabend, dunkel und ein bisschen kalt. Vor dem imposanten Gebäude der Italienischen Botschaft, gegenüber vom Berliner Tiergarten, stehen Männer grüppchenweise in schwarzen Mänteln und ein paar vereinzelte Frauen. Einlass ist aber erst Punkt halb.

Die Botschaft und die Italienische Handelskammer für Deutschland sowie die Confagricoltura hatten im Rahmen der Fruit-Logistica-Messe 2013 eingeladen zu einem exklusiven Abend mit den traditionsreichen Produkten der italienischen Esskultur.

Es sollte darum gehen, italienische Zutaten mit der deutschen Küche zu mischen.

Sarah Wiener soll als Starköchin la cucina neu interpretieren. Die Frau, die erst als Kaltmamsell und dann mit einer Kochshow über französische Gerichte der Provinz bekannt wurde. Sie war auch schon auf Entdeckungsreise durch Italien. Allora.

Einlass ins weiträumige Foyer, ein ergrauter Lebemann mit analoger Kamera um den Hals drückt einem die Zeitung Vita e Lavoro in die Hand. Leben und Arbeiten. Die mache er selbst, sagt er, in Süddeutschland. Das Blättchen ähnelt einer Schülerzeitung, man findet darin eine Werbung der Kreissparkasse Ostalb und einen Text über die wachsende Anzahl der Ausländer in der Lombardei.

Betrachte dich selbst und die Krawatte

Man schreitet dann eine breite Treppe empor, wie in einem Palazzo, nirgends Krise in dieser Festung, nur grandezza.

Vor dem Festsaal ist ein kleiner Tisch mit Deko aufgebaut, Pasta, Olivenölflaschen und Tomaten, Kellner tragen Tabletts mit süßem Sekt und trockenem Chardonnay, der nach der Champagnermethode hergestellt ist. Das jedenfalls schmeckt ein junger Weinverkäufer heraus, der hier ist, um sich ein Bild von den Getränken zu machen. In seinem Laden in Prenzlauer Berg werde seit Kurzem auch verkostet.

Der Saal wirkt übergroß im Vergleich zu der kleinen improvisierten Showküche, in der italienische Männer mit großen weißen Mützen die Zutaten vorbereiten - während Sarah Wiener ein bisschen mit dem italienischen Botschafter plaudert. Der Saal füllt sich, und die meisten tragen Schwarz.

Die erste Rede, beim Botschafter kommen häufig die Worte presidente und gentile vor. Er grüßt sie alle, die anwesenden Agrarunternehmer der Regionen seiner Heimat. Ein Mann neben mir prüft lieber den Sitz seiner Krawatte an der Spiegelwand, statt zuzuhören.

Schinken und Salami aus Cremona

Es sei Ausdruck der Natur des Menschen, sich selbst zu suchen und zu betrachten, sagte schließlich einst der Renaissance-Denker Cusanus.

Die folgenden Reden werden von einer Geräuschkulisse unterwandert, so dass der Sprechende sagt: "Ich bitte das Publikum, etwas leiser zu sein." Wir sind hier ja in Deutschland.

Ein mittelalter Mann mit Glatze trägt ein Jackett mit silbernen Nieten, er sei kein echter Italiener, "aber meine Jacke", sagt er.

Die beiden riesigen Kronleuchter sehen so bunt aus als seien sie mit Bonbonpapier verziert, eine Lampe ragt wie ein billiger Staubwedel in den Saal. Manche italienische Signori fotografieren sich gegenseitig. "Die sind ja alle so klein", wundert sich meine Begleiterin.

Der Koch schneidet an einer Maschine pausenlos Schinken und Salami in Scheiben. Das Schwein stamme aus Cremona, aber der Schinken werde in Parma getrocknet, erzählt er. Da sei mehr Sonne und das Image verkaufe sich besser. Sarah Wiener trägt jetzt eine lila Sarah Wiener- Schürze und gibt Anweisungen.

"Links oder rechts, das ist egal!"

Zwei elegante Herren, ein junger und ein alter, reden über Berlusconi, Berlusca, wie ihn Einheimische nennen. Den wählt doch hier niemand? "Es gibt zwei Italien, eines der einfachen Leute die morgens aufstehen und zur Arbeit gehen, und eines derer, die 40 Jahre lang auf ihrem Arsch sitzen und dann Pensionäre werden", erklärt ein Repräsentant der italienischen Handelskammer gestenreich. Er meint die Politiker. "Links oder rechts, das ist mir egal!" Krise, keine Zukunft, auch sein Blick verdüstert sich zunehmend.

Dafür kommt jetzt Sarah Wiener zu Wort: La mia italiano e molto brutti, sagt sie halbherzig. Are you hungry? Sie redet dann von ihrer Liebe zu Bio-Essen und Olivenöl (natürliches Glutamat!) - und ermahnt ihre Assistenten: Nicht so viel Lachen und Fotos - mehr Arbeit! Vita e lavoro? Bei uns ist das umgekehrt.

Als sie Stengelkohl, Spinat, Fenchel, Cherrytomaten, Sardellen, Knoblauch und Olivenöl in der Pfanne zergehen lässt - will das kaum einer sehen. Die Leute wollen essen und stauen sich dort, wo die Kellner mit den Flying Buffets aus der Küche kommen, am Ende halten sie die Tabletts schon so hoch, dass niemand mehr rankommen kann.

Dafür gibt es Chianti und Nero d'Avola, den teureren.

Die schönen italienischen Männer wirken auf einmal nur noch gierig und ein bisschen untersetzt. Man kommt an diesem Abend nicht umhin sie zu betrachten, die menschliche Natur.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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