der Freitag: Die Caritas ist Träger vieler Einrichtungen. Wie steht es bei Ihnen ums Personal?
Claudia Appelt: Seit einigen Jahren steigt der Bedarf. Die ambulante Pflege wird politisch gestärkt und auch stationär ist der gesetzlich vorgegebene Personalschlüssel gestiegen. Wir mussten dadurch in unseren Pflegeheimen zehn zusätzliche Stellen schaffen. Gefühlt werden die Leute schneller aus den Krankenhäusern entlassen und müssen zu Hause versorgt werden. Es wird immer schwieriger, das nur mit eigenem Personal zu gewährleisten.
Dafür nehmen Sie Leasing-Kräfte?
Ja, aber es ist auch da gar nicht so einfach, Personal zu bekommen. Das sind in der Regel Ad-hoc-Anfragen: Wenn jemand vom eigenen Personal ausfällt und für ihn niemand einspringen kann. Diese temporäre Lücke versuchen wir natürlich zu füllen, damit die Kunden oder Bewohner versorgt sind. Wir bezahlen dann die Leasing-Firma.
Warum gehen Pfleger vermehrt zu Leasing-Firmen?
Sie finden dort vor allem flexiblere Arbeitszeiten ...
Flexitime nennt sich eine Agentur.
Ja, und ich verstehe das auch: Eine Sozialstation mit acht Fachkräften im Zwei-Schicht-System, über das ganze Jahr verteilt, jeden Tag: Da darf niemand ausfallen. Und wenn unter den acht Mitarbeitern beispielsweise vier Mütter mit kleinen Kindern sind, die sich nach Kita-Schließzeiten richten müssen, wird das für eine einzelne Einrichtung schwierig. Bei einer Leasing-Firma verteilt sich das Personal auf ganz viele Einrichtungen. Wer sich leasen lässt, muss dafür bereit sein, ständig an anderen Orten zu arbeiten, sich nicht unbedingt in Teams integrieren, sondern recht autonom unterwegs sein wollen. Eine Leasing-Kraft ist damit raus aus dem ganzen Pflegeprozess, sie muss zum Beispiel keinen Pflegeplan schreiben, weil sie den Kunden ja gar nicht kennt.
Zur Person
Claudia Appelt, 45, ist Pressesprecherin bei der Caritas-Altenhilfe in Berlin. Der katholische Wohlfahrtsverband ist überwiegend Träger von stationären Einrichtungen
Foto: Presse
Was bedeutet das für die Bindung?
Dieses Bedürfnis wird nicht erfüllt. Die Leasing-Kraft kümmert sich nur um die Momentversorgung. Der persönliche Kontakt, das Vertrauen, welches über die Zeit zu den Pflegebedürftigen entsteht, können nur feste Mitarbeiter aufbauen. Die kennen deren Sorgen, ihre Wünsche.
Oft hört man: Der Job geht an die Substanz.
Natürlich haben unsere Mitarbeiter freie Tage, aber wenn jemand krank ist, es Notfälle gibt, wird es derzeit schwer, die eigenen Kräfte unangetastet zu lassen. Es ist auch kompliziert, Vollzeit zu besetzen, da die Heimbewohner nicht in jeder Phase des Tages Pflege brauchen und wünschen. Frühmorgens gibt es großen Pflegebedarf: Man gibt Medikamente, zieht Kompressionsstrümpfe an, misst Zucker, die Grundpflege wie Waschen, Anziehen nimmt viel Raum ein. Nachmittags ist weniger Bedarf. Viele Pfleger wünschen sich eine höhere Wochenarbeitszeit, schon aus finanziellen Gründen. Dagegen steht die körperliche und psychische Anstrengung in diesem Beruf.
Was muss sich gesellschaftlich ändern, damit mehr Menschen den Pflegeberuf ergreifen?
Man muss ein klareres Berufsbild schaffen. Wir haben bei uns einen Azubi-Blog eingerichtet, auf dem Altenpflegeschüler berichten, was sie beschäftigt. Der Beruf hat ja viele schöne Seiten. Altenpfleger sagen: Ich fühle mich gebraucht. Neulich im Supermarkt sagte eine Frau mit Blick auf die Kassiererin: „Alles ist besser, als sich immer nur um alte Leute zu kümmern.“ Mir ging die Hutschnur hoch. Wenn wir alle so denken würden, wäre in 20 Jahren wohl niemand da, der sich um diese Frau kümmert.
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