Gitarre spielen, ins Theater gehen. Oder morgens mal richtig ausschlafen. Frühstück im Bett. Das wäre einiges schwieriger, wenn es sie nicht gäbe. Mal ganz abgesehen von Momenten, in denen man innerhalb von Minuten das Kind aus der Kita-Gruppe holen muss, weil es erhöhte Temperatur hat. Omas retten oft die Zweisamkeit eines Paares mit Kind. Und das Kind kann, gerade wenn es klein ist, Nähe zu einer dritten, wichtigen Person aufbauen. Die Oma bringt ihm etwas bei, ist weniger genervt, und beide werden ein Team.
Nun ist wissenschaftlich erwiesen: Viele Männer binden sich nur dank des Einsatzes der Großmütter, haben Forscher der University of Utah herausgefunden. Und wenn die Oma bei der Erziehung ihrer Enkel mitgeholfen hat, bekamen Paare früher weitere Kinder. Außerdem steigt die Lebenserwartung der Frauen, zeigt das Ergebnis der Studie. Selbst wenn man bei Utah zuerst an Mormonen denken muss – jene erzkonservative christliche Glaubensgemeinschaft, die Sex vor der Ehe ausschließt und die heilige Großfamilie predigt –, ist das Ergebnis trotzdem ernst zu nehmen.
Die Anthropologin Kristen Hawkes beschäftigt sich schon länger mit dem Wert der Großmutter und deren Einfluss auf das Überleben ihrer Enkel. Sie hat knapp 20 Jahre lang die Hadza, ein Volk im Norden Tansanias, erforscht. Ein Volk der Jäger und Sammler, bei dem die Großmütter mithelfen, die abgestillten Kleinkinder zu versorgen, während die Mütter sich schon um den nächsten Säugling kümmern. Nun sollen Omas auch für die Dauer von Beziehungen entscheidend sein. Gesellschaften mit Großmüttern seien langlebiger – durch die steigende Lebenserwartung der Frauen stieg auch die der Männer, die um die weniger zeugungsfähigen Frauen konkurrieren. Und mit stabileren Bindungen stieg für die Männer die Aussicht auf Nachkommen.
Aber zerfallen solche Familienmodelle nicht in der postmodernen Leistungsgesellschaft? Der flexible Mensch, er lebt und arbeitet inzwischen weit weg von seinen Wurzeln, also meist auch von der Oma. Seine emotionalen Beziehungen sind oft so instabil wie seine Jobs. Wer bekommt dann noch Kinder? Auch da spielen die Großeltern eine Rolle. Es sei entscheidend für die Familienplanung, ob Oma und Opa signalisieren, dass sie sich mit um die Enkel kümmern wollen, fanden hierzulande Forscher der Universität Gießen heraus.
Wenn man das dann praktisch lebt, ist es hin und wieder gewöhnungsbedürftig, dass Großeltern heute noch so jung sind. Und aktiv. Man macht Termine mit ihnen, weil sie eigene Verabredungen haben und nicht darauf warten, dass endlich mal der Enkel vorbeikommt und sie ein bisschen unterhält. Sie haben ihre eigene Idee davon, wie sie ihre Rolle ausfüllen wollen. Sie nennen sich nicht Oma, gehen am Wochenende auf ein Konzert oder einen Kurztrip.
Im europäischen Vergleich sind die Deutschen stark engagierte Großeltern – bei uns wird jedes dritte Kind von den Großeltern mindestens einmal in der Woche betreut. Aktiver sind nur noch die Südeuropäer. Weniger kümmern sich die Skandinavier, womöglich ist das dem dort gut ausgebauten öffentlichen Betreuungsangebot geschuldet.
Kann auch eine Erzieherin die Rolle der Oma übernehmen? Vor allem sollte das Kind eine konstante Bindung zu einer dritten Person entwickeln. Das kann auch eine Leihoma sein. Ältere, die ehrenamtlich Familienhilfe anbieten, gibt es mittlerweile in vielen Städten.
Kommentare 1
Danke, für diese eine Oma-Variante. Ich kenne noch mindestens zwei weitere, weniger romantische Varianten, aus dem realen Leben. Da wäre die Oma, die ihre eigene Leere, mit dem Enkel kompensiert. Der Enkel wird instrumentalisiert zur Beteubung des eigenen Frustes. Und wäre noch die weitere Variante, Oma bzw. Oma & Opa und das liebe Geld. Das schicke Haus will finanziert sein oder der Anbau, am Haus der Großeltern, der Ausbau etc.pp - Und schon sind sie da, die Abhängigkeiten, die Machtspiele inklusive. Kinder loslassen ist ohnehin oft eine Horroraufgabe für Mutti. Wie super ist es doch dann, wenn via Enkel, ein upgrate des alten Musters sich ergeben kann. Daher, bitte, genau hinschauen, was da für ein Film in Wirklichkeit läuft. Eine dritte Bezugsperson für ein Kind, ist sicher etwas Gutes, ohne Zweifel. Nur, zu welchen Bedigungen, zu welchem Preis ist genau zu prüfen. Oma, Opa, Nanny, Tante, Onkel, Freunde, Nachbar, egal, es muss nur passen! Und dabei sollte die Paarliebe mal wieder vor der Elternliebe gelebt werden. Systemisch hoch relevant. Wird leider meistens falsch gemacht, mit üblen Folgen. Da hilft auch keine Oma der Welt.