Öfter mal abgeben

Familie Wenn Oma in der Nähe ist, hält die Beziehung länger, sagt eine neue Studie aus den USA
Ausgabe 38/2015
Steigert die Lebenserwartung: die Oma
Steigert die Lebenserwartung: die Oma

Bild: Imago/Westend61

Gitarre spielen, ins Theater gehen. Oder morgens mal richtig ausschlafen. Frühstück im Bett. Das wäre einiges schwieriger, wenn es sie nicht gäbe. Mal ganz abgesehen von Momenten, in denen man innerhalb von Minuten das Kind aus der Kita-Gruppe holen muss, weil es erhöhte Temperatur hat. Omas retten oft die Zweisamkeit eines Paares mit Kind. Und das Kind kann, gerade wenn es klein ist, Nähe zu einer dritten, wichtigen Person aufbauen. Die Oma bringt ihm etwas bei, ist weniger genervt, und beide werden ein Team.

Nun ist wissenschaftlich erwiesen: Viele Männer binden sich nur dank des Einsatzes der Großmütter, haben Forscher der University of Utah herausgefunden. Und wenn die Oma bei der Erziehung ihrer Enkel mitgeholfen hat, bekamen Paare früher weitere Kinder. Außerdem steigt die Lebenserwartung der Frauen, zeigt das Ergebnis der Studie. Selbst wenn man bei Utah zuerst an Mormonen denken muss – jene erzkonservative christliche Glaubensgemeinschaft, die Sex vor der Ehe ausschließt und die heilige Großfamilie predigt –, ist das Ergebnis trotzdem ernst zu nehmen.

Die Anthropologin Kristen Hawkes beschäftigt sich schon länger mit dem Wert der Großmutter und deren Einfluss auf das Überleben ihrer Enkel. Sie hat knapp 20 Jahre lang die Hadza, ein Volk im Norden Tansanias, erforscht. Ein Volk der Jäger und Sammler, bei dem die Großmütter mithelfen, die abgestillten Kleinkinder zu versorgen, während die Mütter sich schon um den nächsten Säugling kümmern. Nun sollen Omas auch für die Dauer von Beziehungen entscheidend sein. Gesellschaften mit Großmüttern seien langlebiger – durch die steigende Lebenserwartung der Frauen stieg auch die der Männer, die um die weniger zeugungsfähigen Frauen konkurrieren. Und mit stabileren Bindungen stieg für die Männer die Aussicht auf Nachkommen.

Aber zerfallen solche Familienmodelle nicht in der postmodernen Leistungsgesellschaft? Der flexible Mensch, er lebt und arbeitet inzwischen weit weg von seinen Wurzeln, also meist auch von der Oma. Seine emotionalen Beziehungen sind oft so instabil wie seine Jobs. Wer bekommt dann noch Kinder? Auch da spielen die Großeltern eine Rolle. Es sei entscheidend für die Familienplanung, ob Oma und Opa signalisieren, dass sie sich mit um die Enkel kümmern wollen, fanden hierzulande Forscher der Universität Gießen heraus.

Wenn man das dann praktisch lebt, ist es hin und wieder gewöhnungsbedürftig, dass Großeltern heute noch so jung sind. Und aktiv. Man macht Termine mit ihnen, weil sie eigene Verabredungen haben und nicht darauf warten, dass endlich mal der Enkel vorbeikommt und sie ein bisschen unterhält. Sie haben ihre eigene Idee davon, wie sie ihre Rolle ausfüllen wollen. Sie nennen sich nicht Oma, gehen am Wochenende auf ein Konzert oder einen Kurztrip.

Im europäischen Vergleich sind die Deutschen stark engagierte Großeltern – bei uns wird jedes dritte Kind von den Großeltern mindestens einmal in der Woche betreut. Aktiver sind nur noch die Südeuropäer. Weniger kümmern sich die Skandinavier, womöglich ist das dem dort gut ausgebauten öffentlichen Betreuungsangebot geschuldet.

Kann auch eine Erzieherin die Rolle der Oma übernehmen? Vor allem sollte das Kind eine konstante Bindung zu einer dritten Person entwickeln. Das kann auch eine Leihoma sein. Ältere, die ehrenamtlich Familienhilfe anbieten, gibt es mittlerweile in vielen Städten.

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