Sind selbst die Schlümpfe Machos?

Frankreich Der große Abgesang: Nicht nur der Macho ist tot, der gesamte französische Mann steht auf dem Prüfstand. Dabei war er - in seinen guten Tagen - ein unerreichbarer Traum

Wo bist Du nur geblieben, chèr Alain?

So einer wie Du, den wollten wir doch alle! Als Du jung warst und kein altersmilder Softie.

Nun ist einer, der mal wie Du war, der ennemi public schlechthin, das Böse.

Der französische Macho, er ist nicht nur in die Jahre gekommen und schmutzig, sondern auch vulgär, brutal und gnadenlos possessif geworden.

Im Jahr 2006 stand Frankreich bei einer Umfrage über die größten Macho-Gesellschaften auf Rang 83 - noch vor Irak oder Afghanistan. Aber das war noch gar nichts.

Nach DSK musste jetzt Staatssekretär Georges Tron sein Amt aufgeben, als eines seiner Opfer freimütig erzählt hat, dass er gern "meine Füße in seinen Mund steckte". Immer mehr Politikerinnen haben in den vergangenen Tagen erklärt, Opfer machistischer Übergriffe geworden zu sein. Bisher waren die Wände der Nationalversammlung die stummen Zeugen.

Spielarten des Machismo

Der französische Mann wächst mit verschiedenen Spielarten des Machismo auf - das beobachten gerade auch deutsche Männer, die in Frankreich leben. Er ist einer Tradition verpflichtet. Und die Rolle, die er spielen soll, wurde ihm in die Wiege gelegt. Nur ist das eitle Gehabe seit DSK eben kein Spiel mehr.

Nun berichten im Radio besorgte Lehrerinnen von ihren Schülern, die auf dem Schulhof Macho spielen - alles Anzeichen, dass auch sie später ihre ligne jaune, ihre Grenze überschreiten?

Frauengruppen rufen Anti-Machismo-Blogs ins Leben - und auch Männer blasen zum Sturm: "Es gibt bei uns ein starkes Machotum, gerade in der Politik, die Rolle des Mannes steht auf dem Prüfstand". Das erklärte keine Feministin, sondern Laurent Joffrin. Der mächtige Chefredakteur des Nouvel Observateur.

Seit der DSK-Affäre jagen immer neue Umfragen, Interviews, Dossiers über "La France des machos" durch die Republik - das Frankreich der Machos, vor allem das des politischen Milieus. Denn wenn der "ordinäre Machismo" in der französischen Gesellschaft wütet, dann vor allem in der Welt der Politik, sagt die Juristin Caroline Ressot, die sich mit der Gleichheit zwischen Männern und Frauen beschäftigt.

Ach, wie sie Les Dames einst betörten ...

Die verführerischsten Männer seien die gewesen, die "alles von einem Macho hatten": sie redeten laustark in der Öffentlichkeit, verhielten sich dominant, setzten sich durch, oder waren reich, sagte der Anthropologe Laurent Barry, der an der EHESS ein Seminar über Sexualität leitet, gegenüber dem Magazin Elle.

Diese (auch von den formell gleichberechtigten Frauen lange tolerierte) Dominanz kehrt sich nun in ihr Gegenteil, sie wird zur maskulinen Bedrohung hochgepuscht.

Nicht mehr en vogue

Dabei fühlen sich mehr als die Hälfte der französischen Männer seit längerem verweichlicht und wollen die maskulinen Werte wiederfinden. Durch die ökonomische Krise hat sich das Bild des Mannes gewandelt: Häufig nehmen Männer die Jobs, die sie kriegen können, auch im sozialen Sektor, in Hilfsberufen oder anderen Metiers, die vorher von Frauen okkupiert waren.

Eine Evolution, oder gar eine Revolution? Es verändert jedenfalls auch die Beziehung zwischen den Geschlechtern.

Überhaupt ist für viele junge Französinnen der Macho schlicht nicht mehr en vogue:

"Ich habe die Machotypen satt, die ihre Zeit damit verbringen, sich vor anderen darzustellen, aber immer Angst haben, wenn Du sie um etwas bittest, sie glauben die Mädchen seien Schmuckstücke, zu ihren Diensten. Gibt es keine normalen Jungs mehr?", schreibt pritty woman in einem Forum.

Und weil im Moment jede männliche Figur in der Grande Nation ein Böser sein kann, sind es garantiert auch les schtroumpf. Die Schlümpfe.

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Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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