Wir hatten Freunde zu Besuch am Wochenende, drei Paare, Mittdreißiger, ohne Kinder. Wir hockten im Wohnzimmer, in der Mitte auf dem Boden spielte unser Sohn, zusammen mit den Erwachsenen. Ich fühlte mich seltsam, ich gehörte jetzt zu den Müttern. Das war lange gar nicht abzusehen. Mein Freund fragte hinterher ein wenig nachdenklich: Wollen die anderen auch mal Kinder?
Auf dem Titel der Bild stand einen Tag später: „Warum wollen deutsche Frauen keine Babys? Zu emanzipiert? Zu feige? Oder sind die Männer schuld?“ Das überraschte mich. Denn ich hatte in der letzten Zeit häufig Geschichten gelesen, in denen Menschen, die „kinderlos und trotzdem glücklich“ waren, ausführlich von sich erzählten, in Stern, Brigitte oder im Fernsehen. Da wurde vorgerechnet, wie viel man einsparen kann ohne Kind. Oder wie frei man ist. Jetzt aber kam eine Studie heraus, nach der Deutschland bei den Geburtenraten weltweit auf den letzten Platz gerutscht ist. Hinter Japan!
Da muss nun wieder was „erforscht“ werden. Die Menschen in Deutschland wollen sich nicht festlegen, diagnostiziert der Göttinger Psychotherapeut und Angstforscher Borwin Bandelow, so lebe man im Jahr 2015. Die unsicheren Jobs, Partner, man will festen Boden, bevor ein Kind kommt. Nur wieso fällt es manchmal so schwer, das zu benennen? Warum sagt man nicht selbstbewusst: Ein Kind nicht um jeden Preis, nur mit einem Partner, im Moment ist aber eben einfach keiner da. Ich habe früher eine Weile gebraucht, bis ich das konnte, denn es tut ja auch ein bisschen weh.
Ein Kind ist zauberhaft! Für manche Frauen kann es aber selbst dann zur Last werden, wenn das Umfeld materiell und seelisch überhaupt nicht prekär ist.
Mitte April gab es Aufregung um die israelische Studie: Darf man bereuen, Mutter zu sein? Unter dem Hashtag #regrettingmotherhood redeten sie über die Last, die das Muttersein mit sich bringt, Frauen unterschiedlichen Alters und aus allen sozialen Schichten erzählten von dem Gefühl, durch die Kinder ihr Leben, ihre Identität verloren zu haben. Auf Twitter wurde intensiv debattiert – ein Tabu war gebrochen. Das war ehrlich. Weil es ambivalent war. Man würde sein Kind nicht hergeben, spürt aber ein Unbehagen in der Rolle als Mutter in der Gesellschaft. Man muss das sagen dürfen.
Ich saß mit einer Freundin bei einem Vietnamesen, wir hatten uns lange nicht gesehen, und sie erzählte mir von ihren widerstreitenden Gefühlen. Sie selbst wolle im Grunde gar keine Kinder, aber es mache sie mitunter traurig, wenn sie mich so sehe, mit meiner Familie, sie hatte dafür ganz eigene Gründe. Aber das seltsame Unwohlsein komme gar nicht aus ihr selbst, sondern weil ihr von außen suggeriert werde, Kinder seien die höchste Erfüllung. Oder andersherum: Wenn man schon keines möchte, sollte man damit vollkommen glücklich sein.
Was für ein Anspruch! Warum gibt es nur das, Schwarz oder Weiß, wieso sind die Debatten eigentlich so aufgeladen, so polarisierend, wenn sie sich um so etwas Selbstverständliches wie Kinder drehen? Wir setzen uns unter Druck, sollen im Beruf und als Mutter optimalen Einsatz bringen. Wenn das Kind als letztes abgeholt wird, mokiert sich die Tagesmutter. Wenn man das Büro pünktlich verlässt, bleibt die Arbeit liegen. Dafür entscheidet man sich, wenn man ein Kind bekommt, Männer und Frauen. Ein Kind muss nicht in die Leistungsgesellschaft passen. Aber die könnte sich endlich emanzipieren.
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