Fußballer Cristiano Ronaldo, CR7, begrüßte vor dem Spitzenspiel Juventus – Inter seine „unsichtbaren Fans“ per Handschlag. Dann lächelte er in die Kameras, ohne Zuschauer geht’s für ihn nicht. In Spanien postet jemand unter dem Twitternamen @CoronaVid19 Kommentare aus der Sicht des Virus, zum Beispiel: „Keine Lust zu arbeiten? Hier ist mein Paypal-Account“, das Profil hat mehr als eine halbe Million Follower. Sogar Italiener können ihrem Drama was Komisches abgewinnen. Mit Parodien auf Gomorra-Szenen (Deal mit Desinfektionsmitteln!), oder, wie Kollege Pepe Egger schreibt, erhellend irritierenden Wortspielen.
Gespielter Humor, vorgetäuschte Heiterkeit, um seiner verzweifelten Lage zu begegnen – ist der okay? Galgenhumor ist seit jeher ein bewährtes Mittel der Krisenbewältigung. In den Niederlanden verbreitete sich in den sozialen Medien kürzlich ein Aufruf zu einer „Großdemonstration gegen Corona“ unweit des Parlaments: „Wir haben dieses Coronavirus komplett satt. Kommt alle zusammen, um es den Arschlöchern in Den Haag zu zeigen!“, karikiert der Aufruf die Rhetorik besorgter Bürger. Wurde leider abgesagt.
Ein überlanger Dolch
Sabine Kebir
In Algerien fragen sich die Karikaturisten, ob das von Präsident Tebboune verhängte Versammlungsverbot auch die Freitagsgebete und den Hirak – die landesweiten Demonstrationen für mehr Demokratie – betrifft. Der Zeichner Le Hic von El Watan überschrieb seine Karikatur vom 28. Februar mit „Coronavirus – Erhöhte Wachsamkeit“. Ein mit Mundschutz ausgestatteter Hirakist setzt zur Umarmung eines Polizisten an – die üblich gewordene Form der Gewaltprävention. Aber der Polizist versteckt sich hinter seinem Schild, streckt ihm einen überlangen Dolch entgegen und ruft: „Schluss mit der Verbrüderung“.
Dilem von Liberté zeichnete für den 12. März einen heftig Viren hustenden Demonstranten und zwei Polizisten, die beraten, ob sie ihn nicht „wegen Mordversuchs verhaften“ sollten. Doch auch am 12. März haben Freitagsgebete und Demonstrationen in vielen algerischen Städten stattgefunden. Die Polizei war mit Schutzmasken ausgerüstet und auch ein Teil der Demonstranten trug sie. Das Staatsfernsehen propagiert eine simple Methode, wie man sie aus einigen Papiertaschentüchern faltet, seitlich zusammenknipst, mit einem Gemisch aus flüssiger Seife und Alkohol bespritzt und mit Bändchen versieht.
Geteilte Beklemmung
Aida Baghernejad
Was wären die USA und der öffentliche Diskurs ohne Late-Night-Shows? Gar nicht auszudenken – aber vielleicht wird das in den nächsten Tagen Realität. Denn in New York, wo viele dieser Sendungen produziert werden, setzten einige Shows die Aufnahmen für die Dauer der Corona-Krise ab, andere, wie The Late Show with Stephen Colbert, nahmen ihre Folgen ohne Publikum auf.
Das Ergebnis: sichtlich irritierte Moderator*innen, ein einziges und alles beherrschendes Thema und eine alberne Stimmung wie kurz vor den Weihnachtsferien, wenn sowieso fast niemand mehr arbeitet. Auch auf den Straßen New Yorks ist es ähnlich: „Shared Anxiety“, geteilte Beklemmung, nennt es das New York Magazine. Das Virus dominiert die Gespräche und mit ihm das Schimpfen auf den Präsidenten: „Unser Land ist dem Untergang geweiht!“ Instagram-Accounts sammeln die ausgefallensten selbst gebauten Gesichtsmasken, auf Tiktok geht ein Video, nun ja, viral, in dem ein Jugendlicher die U-Bahn-Schranken mit Desinfektionsspray einsprüht, bevor er drüberklettert, und Fotos von langen Schlangen vor Waffenläden machen die Runde. Normalität im Ausnahmezustand.
Bald ohne Kopftuch
Aida Baghernejad
Das Coronavirus hat den Iran besonders stark getroffen, der von inneren Machtkämpfen zerrissene politische Apparat scheint der Krise hilflos gegenüberzustehen. Ein großes Problem ist dabei das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der eigenen Regierung. So mutmaßen Iraner*innen auf sozialen Medien, dass die vielen Beamt*innen und Politiker*innen, die öffentlich machen, dass sie an Covid-19 erkrankt sind, nur so tun als ob. „Sie wollen nur die Bevölkerung beruhigen und zeigen, dass es ihnen genauso geht wie uns!“, behauptet eine Nutzerin. In Wirklichkeit sollen sich die Machthaber schon lange versteckt haben. Besonders beliebt ist der Kurznachrichtendienst Telegram, auf den fast minütlich Witze einprasseln. „Das ist gar keine Krankheit“, besagt einer, „der Schah ist zurückgekehrt – die Menschen tanzen, Alkohol ist erlaubt, das Freitagsgebet ausgesetzt und Moscheen und Wallfahrtsorte dicht. Wenn ihr noch ein bisschen Geduld habt, seid ihr bald auch das Kopftuch los!“
Andere beziehen die Krise auf die enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China: „Ich hätte nicht gedacht, dass auch mein Tod ,Made in China‘ sein wird.“ Auf eine Frage können sich aber alle einigen – warum brauchen die Leute im Westen eigentlich so viel Klopapier?
Supermarktpanik
Pepe Egger
Die betagte, gesundheitlich leicht angeschlagene Verwandtschaft in Norditalien schickt täglich Nachrichten übers Handy. Nichtgläubige zitieren den Papst, Linke üben sich in Zynismus über den großen Gleichmacher Corona, manche relativieren und denken an die Leute in Idlib, wie es denen wohl geht. Alle teilen Galgenhumor. Eine weitergeleitete Whatsapp-Nachricht geht so: „Die Leute drehen hier echt langsam durch … Heute, folgende Szene im Eurospin: Ein Typ rennt aus dem Supermarkt, er reißt die Hände in die Luft und schreit total verzweifelt: ,La pandemia! La pandemia!‘ Über den ganzen Parkplatz rennt er und hört nicht auf zu brüllen, bis ihn endlich die Sicherheitsleute aufhalten, ihn festhalten; er kriegt keine Luft mehr, die totale Panik einfach. Am Ende muss eine Polizeistreife kommen, die sich um ihn kümmert. Als er sich wieder einkriegt und sie ihm die Atemschutzmaske abnehmen und fragen, was eigentlich los ist, antwortet er, ja, Leute: ,La Panda è mia!‘, der Fiat Panda, der gerade abgeschleppt wurde, war seiner.“ Ansonsten freut man sich auf ein besonderes Konzert: Am Freitag um 18 Uhr sind alle, die ein Instrument beherrschen, aufgerufen, es vor dem offenen Fenster zu spielen.
Seifenboss
Wolfgang Bortlik
Nach dem Ende der Fasnachtsferien in Basel beginnt die Schule am 9. März auf allen Stufen ganz normal. Die Behörden gehen davon aus, dass der Schulbetrieb weiterhin möglich sei. Da aber niemand an irgendwelchen bösen Folgen dieses Entschlusses schuld sein will, schlägt die Stunde der Präventionskampagne. Händewaschen ist der beste Schutz vor dem Virus. Und da es um Jugendliche und Kinder geht, rattert es bei Ämtern und Agentur besonders pädagogisch wertvoll. Seifenboss – oder baslerisch: Seifiboss – darf sich nennen, wer sich stündlich in fünf Schritten 30 Sekunden lang die Hände wäscht. Die Kampagne wird mit dem berühmten Hang-Loose-Zeichen, Daumen und kleiner Finger abgespreizt, visualisiert. Eine Begrüßung ohne Körperkontakt. Die waschenden Hände sind gelb, was auf Emojis und die Simpsons verweisen soll.
Doch welcher Jugendliche will schon ein Seifenboss sein? Das alles hat schon das Zeug zur Realsatire. Dass der Regierungssprecher während der Pressekonferenz mehrere Male Seifibosch statt -boss sagt, ist quasi die Zugabe. Und dass viele Kinder vom Waschen mittlerweile entzündete Pfötchen haben, auch. Zum Glück müssen sie ab diesem Montag nicht mehr in die Schule. Die ist jetzt zu!
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