Was für ein Schmäh!

Kaffeehaus In Wiener Kaffeehäusern soll Leitungswasser zukünftig kosten - der Erlös geht an Projekte in der Dritten Welt. Doch dafür wird eine europäische Tradition zerstört

Und bitte ein Glas Leitungswasser, sagten wir dem Kellner im Ristorante um die Ecke. Es lag in einer Touristengegend. Wir hatten nur einen Brotkorb bekommen. "Das kostet aber extra", antwortete der Kellner routiniert. Meinte er das ernst? Wollte er uns abzocken, oder war er einfach uncharmant? Wieviel denn, fragte ein Kollege. 1 Euro 50.

Gut, dann eben nicht.

Une carafe d'eau im Pariser Café oder Restaurant, die muss man eigentlich nicht ordern, und sie ist gratis. Gehört zur Kultur. Nie würde jemand auf die Idee kommen...

Der Wiener schon. Ausgerechnet in der Kaffeehaus-Metropole soll für das Glas Leitungswasser (und es ist gutes Wiener Wasser, das aus den Bergen stammt - und für das eigens ein Glas designt wurde) - geblecht werden: 2 Euro für den Liter Leitungswasser zu Wiener Mélange, Mokka, oder Kapuziner, 1 Euro der halbe Liter.

Immer noch besser als beim Touri-Italiener?

Die Aktion "Wasserspende" soll zerstören, was für Wiener bisher Stolz, Ehre, Haute Culture und Alltagsritual war. Das Kaffeehausaccessoire Wasser soll käuflich werden. Die Initiatoren sagen, sie handeln für den guten Zweck: Der Erlös soll Wasserprojekten in der Dritten Welt helfen. Macht schon Sinn, dort ist Wasser ein rares Gut.

Nur, gepflegte europäische Tradition ist das doch auch längst! Oder ist das jetzt egoistisch?

Wir versuchen unsere Werte ja auch schon mit Abgaben zu retten (früher Kohlepfennig, bald "Bildungspfennig"?)

"Heilig" gesprochen hatte die UN diese Kultur, nun verlieren selbst abgeklärte Wiener Kellner die Fassung.

Allein dafür lohnt es sich, das "Projekt Wasserspende".
Muss der Wiener nur noch mitmachen.

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Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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