Was ist Revolution, Monsieur Cantona?

Bankenattacke Der französische Fußballer Eric Cantona war ein Weltstar, und auf dem Platz meist sehr wütend. Nun attackiert er das System und ruft zum Banken-Sturm auf

Es sei dumm, von Einwanderern zu erwarten, sie sollten Französisch sprechen und die Marseillaise trällern, hat Eric Cantona, der ehemalige französische Fußball-Profi, selber Enkel spanisch-italienischer Immigranten, vor einem Jahr ausgerufen. „Franzose sein, heißt Revolutionär sein“, tönte er, als die Republik ihre nationale Identität suchte.

Was ist Revolution, Monsieur Cantona?

Er war als Stürmerheld von Manchester United der Mann der direkten Aktion. Er wütete auf dem Platz, bespuckte gegnerische Fans, 1995 griff er einen mit einem spektakulären Kung Fu-Tritt an und wurde dann neun Monate gesperrt. Cantona wechselte ständig die Vereine, aber für seine Anhänger war er immer der verrückte Fußballgott. 2005, nach dem Ende seiner Karriere, wurde er zum besten Premier League - Spieler aller Zeiten gewählt.

Auf dem Platz hatte der Gegner noch ein Gesicht. Sein neuer Feind dagegen ist unsichtbar. Er nennt sich: das ganze System. Was ist das System, Monsieur Cantona?

"Es dreht sich um die Banken. Es basiert auf der Macht der Banken. Also kann es nur durch die Banken zerstört werden“, erklärt der ehemalige Profi-Kicker in einem Interview der Tageszeitung Presse Océan, das gefilmt wurde und auf YouTube mit mehr als 130.000 Klicks ein Renner ist: Unterschätze niemals die Macht der Massen: Respekt eines Fans aus Liverpool, hieß einer der Kommentare. Revolution kann sehr einfach sein.

Politische Bewegung oder nur idiotisch?

In dem Spot macht es sich Cantona bequem und plaudert, ein graubärtiger, Bonvivant im knallroten Pullover, er könnte für einen Alt-68-er herhalten. Mais non! Unter dem Pflaster liegt der Strand? Wie altmodisch. Wer heute mit Plakaten auf die Straße gehe, „der betrügt sich selbst“, findet der 44-Jährige, der mal ein Rebell war. Die 3 Millionen, ach, 10 Millionen, sollen stattdessen lieber zur Bank gehen und ihr Geld abheben, „und dann brechen die Banken zusammen“. Und als Folge dann eben nicht nur das Finanz - sondern das gesamte System. Ohne Waffen und ohne Blut - "das ist heute die wahre Revolution", sagt Cantona noch lässig. Sie steht in Frankreich ja irgendwie oft vor der Tür, gefühlt ist immer Vorabend, so als könne es jeden Moment losgehen - und sei es in Form eines neuen theoretischen Manifestes.

Nun hat der Untergrund ein berühmtes Gesicht. Das Netzwerk Attac hat das Cantona-Video auf Facebook verlinkt, es gibt mittlerweile Facebook-Kampagnen in Italien, Rumänien, Bulgarien und sogar Korea. Die französische Initiative StopBanque hat den 7. Dezember zum Tag X ausgerufen, an dem die gemeinsame Abhebe-Protest-Aktion losgehen soll, mehr als 14.000 Bürger wollen bereits mitmachen. Und schon soll die andere Welt wieder möglich sein. Auf der Webseite Bankrun2010.com schreiben die Organisatoren: Unsere Aktion ist eine politische Bewegung, wir möchten niemanden einzelnen zerstören, sondern das korrupte, kriminelle, scheinheilige System. Auch die Gewerkschaften sollen eingeschaltet werden. Man hofft auf einen Bankencrash. Wenn der kleine Mann sein Konto leerräumt und es mehr werden, die ihm folgen, können Privatkundenbanken rasch ein Liquiditätsproblem bekommen. Und das fürchten sie.

Mais non! Sie hätte lachen müssen, über den „in jeder Hinsicht idiotischen Appell“, sagte eine Mitarbeiterin der französischen Bankenfederation dem Observer. Banken seien nunmal dazu da, Geld zu sichern - und der Tag X würde Dieben und Bankräubern eine große Chance bieten. Aber Madame. Was ist schon der Überfall auf eine Bank, gegen das Gründen einer Bank? Cantona hat seinen Brecht gelesen.

Im Ken Loach-Film Looking for Eric von 2009 spielte er vor allem sich selbst. Er trat als guter Geist auf, als virtueller Berater eines Fans. Am Ende trompetet er die Marseillaise. Er hat sie extra für die Rolle gelernt.

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Geschrieben von

Maxi Leinkauf

Redakteurin „Kultur“

Maxi Leinkauf studierte Politikwissenschaften in Berlin und Paris. Sie absolvierte ein Volontariat beim Tagesspiegel. Anschließend schrieb sie als freie Autorin u.a. für Süddeutsche Zeitung, Tagesspiegel und Das Magazin. 2010 kam sie als Redakteurin zum Freitag und war dort im Gesellschaftsressort Alltag tätig. Sie hat dort regelmäßig Persönlichkeiten aus Kultur und Zeitgeschichte interviewt und porträtiert. Seit 2020 ist sie Redakteurin in der Kultur. Sie beschäftigt sich mit ostdeutschen Biografien sowie mit italienischer Kultur und Gesellschaft.

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