Am Tag, als Serge Gainsbourg auf dem Pariser Friedhof Montparnasse zu Grabe getragen wurde, lag fast der gesamte Verkehr still. Der Filou der Nation war am 2. März 1991 einem erneuten Herzinfarkt erlegen: zu viele filterlose Gitanes, zuviel Wein und Whisky.
Je suis venu te dire , que je m' en vais, singt er auf einem seiner Konzerte, fünf Jahre vor seinem Tod. Er singt? Er raucht, schmeichelt, verhuscht es, irgendwie charmant, wie nur Franzosen es drauf haben: Ich bin gekommen, um Dir zu sagen, dass ich gehe..., wie beiläufig, aber immerhin ist er gekommen. Als machte das alles ein bisschen weniger schlimm. Dem kaputten, versoffenen Gainsbarre, wie er sich selber nannte, half zu dieser Zeit schon keine Entziehungskur mehr.
Comment te dire Adieu?, fragte sich die blutjunge Francoise Hardy 1966 in einem Chanson, den ihr - wer sonst - Serge Gainsbourg arrangiert hat. Die junge Chanson-Szene covert ihn immer wieder.
In diesen Tagen aber ruft ganz Frankreich "Adieu, Annie Girardot!" Eine der beliebtesten und populärsten Schauspielerinnen des französischen Kinos ist tot. Sie litt seit vielen Jahren an Alzheimer und ihre Landsleute litten mit, bewunderten sie für ihren Mut, und ihre Kraft, mit der Krankheit umzugehen.
Wenn sie beerdigt wird, wird der Präsident wahrscheinlich zu Fuß kommen, so wie vor ein paar Jahren, als sie alle um Jean-Claude Brialy trauerten, Sarkozy, die mondäne Filmwelt, der Citoyen. Hunderte Franzosen hatten sich an den Kais der Seine versammelt und der Präsident hat mit seiner Anwesenheit das Volk getröstet, das sich seine Schauspieler und Künstler zu eigen macht, sie auf eine so natürliche Weise respektiert und verehrt, als würden sie zur Familie gehören.
So trauern sie dann auch um den Verlust.
„Oh Annie, welche Traurigkeit zu wissen, dass Sie gegangen sind. Ich bete Sie an seit ich ganz klein war, nun bin ich 44 und habe sie in so vielen Filmen und im Theater gesehen. Sie haben mich bis in den siebten Himmel lachen lassen. Sie werden uns fehlen. Sie waren Sonnenstrahl, immer voller Freude, Sie haben mich aufgebaut, wenn ich niedergeschlagen war: Gehen Sie in Frieden, und lachen Sie weiter, dort oben...“, kommentierte eine Leserin auf der Onlineseite der Illustrierten Paris Match.
Annie. Als sei es eine Freundin.
Alle Frauen hätten sich mit ihr identifiziert, erklärte Schauspielkollege Jean Rochefort.
„Merci Madame, für all das Glück, das Sie uns geschenkt haben, während der Jahre, unser Unglück ist groß, und ich denke heute Abend an Ihre Liebsten, ihre Tochter und Enkel...“, schreibt eine andere Frau, etwas förmlicher.
Ein schlichtes taktvolles Adieu.
Rote Rosen und ein Zettel
Franzosen lassen ihre Stars privat sein: Depardieu, Piccoli, Deneuve, man kann ihnen auf den Straßen von Paris begegnen, aber man geht dann einfach vorbei. Als Künstler werden sie hofiert, als Menschen lässt man ihnen einfach ihr vie.
Andererseits: Die Franzosen haben das Abschied nehmen zu einer Kunstform stilisiert, mit verschiedenen Spielarten.
Und sei es auch noch so brutal. Beispielsweise Alain Delon.
Er hat seiner Verlobten Romy Schneider, mit der er in Paris wohnte, eines Tages einen Strauß Rote Rosen und einen Zettel hinterlassen: „Bin mit Nathalie nach Mexiko, Alles Gute. Alain.“ Bekanntlich hat sich Schneider darauf versucht, das Leben zu nehmen.
Zu ihrer wirklichen Beerdigung, viele Jahre später, ist Delon dann nicht erschienen.
Aber er verfasste einen sehr persönlichen Abschiedsbrief, den dann Zeitungen abdruckten: Adieu ma Puppele.
"Ich sehe Dich schlafen. Ich bin bei Dir an Deinem Totenbett. Du trägst eine lange Tunika, schwarz und rot, mit Stickereien auf dem Oberteil. Es sind Blumen, glaube ich, aber ich schaue sie nicht an. Ich sage Dir adieu, das längste aller Adieus, mein Püppchen! So hatte ich Dich immer genannt."
So schmerzhaft schön wird es wohl nicht mehr, der Abschied der Machos ist kälter geworden.
Sie gehen mit der Zeit.
Adieu, triste amour
Der korsische Barmann, der einem in einer Kneipe am Canal Saint-Martin seine Nummer in die Hand drückt, der abends ein Meer aus Rosenblüten auf den Fußboden, der vom Salon in sein Bad führt, streut. Man selber sei ja auch eine Blume, flüstert er. Als es dann später an der Tür kingelt, ist er plötzlich fort. Kein Wort, kein Abschied, nur eine fremde Wohnung.
Und am nächsten Tag am Telefon die simple (immerhin ziemlich Delon-mäßige) Erklärung: Bin mit meiner Exfreundin in der Champagne. Der Abschied als ein simples Chose de la vie?
Gehen, damit etwas so geheimnisvoll bleibt, wie es mal war?
Präsidenten tun sich schwer mit Abweisungen. Sarkozy soll seine Ex-Frau Cécilia, die er an einen PR-Manager verloren hat, kurz vor der Hochzeit mit Carla Bruni per SMS um Rückkehr gebeten haben: "Wenn du zurückkommst, sage ich alles ab".
Das klingt eher pragmatisch als romantisch.
Benjamin Biolay, der junge Super-Chansonnier, mit dem Madame Bruni angeblich angebändelt haben soll, versteht es besser, die große Tradition weiter zu führen. "Adieu, triste amour...Ich gebe zu, ich brauche etwas Zeit. Ich lasse Dich los, für einen langen Moment...Denk an mich, jeden Tag ein bisschen weniger".
Weniger galant drückt es der Schriftsteller Fréderic Beigbeder aus. Er verlasse sie lieber, bevor er sich richtig in eine Frau verliebe, kokettiert er. Danke und Tschüss?
Aber erst am Morgen danach.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.