Seine Platte stand im Regal der Eltern, in einem Ostberliner Wohnzimmer. Die Hülle, mit dem bärtigen Typ in Jeanshemd und lässig umgehängter Gitarre vorne drauf, war irgendwann von der Katze zerkratzt, die Lieder konnte man bald alle auswendig, lernte seine Art, die Gitarre zu zupfen, natürlich nie so leicht und wendig, wie er das konnte.
Hannes Wader kam zu den politischen Festivals und brachte Boheme. „Es ist an der Zeit“ oder „Leben einzeln und frei“ – Texte, mit denen unsere Eltern sich identifiziert haben, weil sie von Sehnsucht erzählten, nach einem freieren Leben, einer besseren Welt, von Individuum und Gesellschaft, beides ging da nebeneinander. Wader, eine Kindheitserinnerung. Dieser Hannes Wader stand dann im Februar auf der Bühne des Berliner Ensembles und sang ein Lied für seinen Freund Franz-Josef Degenhardt, auch Konstantin Wecker war da – mit dem Wader vor einer Weile auf Konzerttour ging. Zwei Barden, die es noch mal wissen wollten, Dinosaurier, mit alten Liedern.
Nach der Hommage im Februar stand Wader mit einem Glas Rotwein am Tresen in der BE-Kantine, eine Weile allein, aber nicht unzufrieden damit. Während Wecker draußen auf dem Hof plauderte, vom Haus in der Toskana, umringt von ein paar Frauen streute er italienische Bonmots ein. Der Zampano und der Einzelgänger. Wie grandios, dass sie nun den stillen Wader feiern: Alin Coen, Max Prosa, Philipp Poisel oder Anna Depenbusch. Sie und die anderen jungen Songwriter huldigen ihm: Heute hier, morgen dort – Salut an Hannes Wader. Anlass für die CD ist der 70. Geburtstag Waders an diesem Samstag. Schon das erste Lied fängt einen: „Morgen gehst du für lange Zeit fort/für ein Jahr und du gibst mir dein Wort. Dass du mich nicht für immer verlässt. Leg dich lieber nicht fest.“
Diese Zeilen, wie beiläufig von Alin Coen gesungenen. Federnd, melancholisch und zeitlos. „Aber wenn du schon nicht bei mir bleibst, will ich dass du mir schreibst.“ Alin Coen covert Wader nicht, sie macht „Abschied“ zu ihrem Lied. Sie könnte es selbst geschrieben haben, es sind auch ihre Themen. Trennen, Warten, Alleinsein, Loslassen.
Nicht nach vorne gerichtet, sondern schleppend
Wader spielt es im Original roher, schneller. Aber so ist ja diese Bewegung der neuen deutschen Liedermacher nicht, eher leise, zögernd, immer ein bisschen gelangweilt. So wie der Sänger von Revolverheld Johannes Strate dann „Unterwegs nach Süden“ interpretiert, nicht nach vorne gerichtet, sondern schleppend. Wie eine Wanderung, die nie enden wird. Wenn er von „den tausend Händen, die mich das ganze Jahr befingert und geschlagen haben“, singt, stockt man ein bisschen, es sind so große Worte. Was hat er denn für Probleme, fragt man sich. Warum ist er so müde? So schwer. Wader hatte den Song einst im Lichte der RAF-Hysterie verfasst, er wurde damals verhaftet – weil Gudrun Ensslin eine Weile bei ihm hauste.
Es sind nicht die vordergründig linken politischen Lieder, die seine Texte zeitlos machen, sondern das Vagabundenhafte: „All die nüchternen Rechner, die coolen Gewinner, die Durchblicker kommen und gehn ... und ich werde wohl wieder auf Seiten der Spinner, der Narren und Traumtänzer stehn.“ Die CD ist eine Liebeserklärung an den Barden, der seine Gesellschaftskämpfe ausgefochten hat, aber noch unruhig ist. Wader hat sich nie instrumentalisieren lassen, ob für die linke Sache oder diffuse Befindlichkeiten. „Manchmal träume ich schwer, und dann denk ich es wär, Zeit zu bleiben und nun was ganz andres zu tun.“ Auch Campino von den Toten Hosen hat es mal gecovert.
Es bleibt Waders Lied – und eine Möglichkeit.
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