Der Freitag: Herr Thalheim, wo sind jetzt gerade Ihre Kinder?
Robert Thalheim: Ich müsste eigentlich gerade zu Hause sein: Meine Tochter ist krank, meine Frau ist genervt, und ich war die letzten sechs Wochen weg. Und bin es schon wieder. Und dann soll ich über tolle Väter reden ...
Ihr neuer Film Eltern handelt von so einem Vater: Konrad war lange mit den Kindern daheim, seine Frau arbeitet als Anästhesistin. Als er als Regisseur ein Angebot vom Theater bekommt, nimmt er es an.
Mich hat die Frage interessiert: Wie geht es einem, der zehn Jahre zu Hause war und wieder in den Beruf rein möchte?
Sie waren selbst ein halbes Jahr in Elternzeit, als Sie das erste Mal Vater wurden ...
Ja, da gab es auch diese widerstreitenden Gefühle. Auf der einen Seite diese schön
Sie waren selbst ein halbes Jahr in Elternzeit, als Sie das erste Mal Vater wurden ...Ja, da gab es auch diese widerstreitenden Gefühle. Auf der einen Seite diese schöne Nähe zu den Kindern und auf der anderen Seite die Angst, vielleicht den Anschluss zu verpassen. Ich habe von vielen Seiten gehört, dass man das ganz toll findet, habe aber oft geglaubt, den Gedanken zu spüren: „Bei dem scheint es ja beruflich nicht so gut zu laufen, wenn der dafür Zeit hat.“Kam da die Idee zu Ihrem Film?Den einen Schlüsselmoment gab es nicht. Seit wir wussten, dass wir ein Kind erwarten, war jede Phase spannend: Wir haben zum Beispiel einen Geburtsvorbereitungskurs gemacht ...Natürlich zusammen!Klar. Da kamen verschiedene Leute, und die nahmen alles so wichtig: Wie wird mein Leben künftig aussehen? Später war diese ganze Aufregung für mich nichts im Vergleich zu dem Moment, als das Kind da war. Dann kam die erste selbst verwaltete Kita, die nächtelangen Diskussionen. Die richtige Idee, übers Eltersein zu erzählen, hatte dann unsere Drehbuchautorin: nämlich aus der Perspektive eines Hausmannes, der wieder anfangen will zu arbeiten.Männer sollen bei der Geburt dabei sein und sich kümmern. Aber beruflicher Erfolg wird doch weiterhin mehr geschätzt als häuslicher ...Hausmänner oder Männer, die in der Elternzeit aufgehen, werden belächelt, nicht ganz für voll genommen. Sensiblere Männer sind zwar angesagter als noch vor zehn Jahren, aber sie sollen bitte aussehen wie Brad Pitt. Sie können kinderfreundlich sein, aber Karriere müssen sie nebenbei auch noch machen. Und man hat ja auch selbst so einen Ehrgeiz. Man will noch für anderes anerkannt werden als dafür, dass man der Liebling der Kinder ist.Als es anstrengend wird, zieht Konrad im Film aus. Trennen Männer stärker zwischen Beruf und Familie?Er ist ja anfangs kooperativ. Aber er scheitert an der Renitenz der anderen Familienmitglieder, die das nicht akzeptieren wollen. Seine Frau nimmt seinen Beruf nicht richtig ernst. „Schauspieler schlafen doch bis mittags“, sagt sie. Er muss endlich Nein sagen lernen und tut das radikal.Bisher vermittelten Studien: Männer würden Anerkennung eher aus dem Beruf, Frauen aus der Familie ziehen. Das stimmt so nicht mehr, oder?Der Männertyp verändert sich. Bei uns zu Hause war es klassisch: Meine Mutter ist zu Hause geblieben, und die Tätigkeiten in der Familie waren klar definiert. Mein Vater hat nie gekocht oder Wäsche gewaschen. Als meine Mutter uns einmal am Abendbrottisch eröffnet hat, sie wolle wieder halbtags arbeiten gehen, war das ein Schock. Ich habe angefangen zu weinen.Und heute?Was früher klassisch weiblich konnotiert war, setzt sich nun auch unter Männern durch: ein kooperatives, soziales Verhalten. Man kann dann besser zusammenarbeiten. Jedenfalls habe ich das Gefühl in meinem Bekanntenkreis – wir sind alle so harmonische Typen. In den siebziger, achtziger Jahren gab es vielleicht diese egomanischen Regisseurtypen, die herumschrien. Aber ich kann besser arbeiten, wenn ich merke: Es geht allen gut.Hierarchien gibt es trotzdem.Ja, nur wenn jetzt alle nett sind, kann man sie nicht so schnell durchschauen. Unter Männern guckt man trotzdem: Wer ist hier die Nummer eins, zwei oder drei? Ich beobachte das gerade bei meinem Sohn. Der geht jetzt in die erste Klasse und hat mir neulich erzählt, wer die Anführer sind. Jungs versuchen schon ganz früh, ihren Platz zu finden.Im Film scheinen die Kinder die Bestimmer zu sein, machen den Eltern dauernd ein schlechtes Gewissen. Man braucht doch Grenzen.Natürlich ist das extrem: Auf der einen Seite sind sie zauberhafte Individuen. Andererseits ist die Tochter fast die beste Freundin, wie ein Beziehungsersatz für den Vater, weil die Mutter abwesend ist. Mit ihr redet er über seine Stücke und Ideen. Man behandelt das Kind wie einen Erwachsenen und vergisst, dass man Regeln vorgeben muss. Ich merke das bei mir selbst: Man will der beste Freund der Kinder sein, sie nicht autoritär erziehen, sie sollen sich kreativ entfalten können. Auf der anderen Seite überfordert man sie damit auch.Kinder gelten oft als Berufsrisiko. Haben Sie das auch so empfunden?Ja, gerade in freien Berufen, wenn man längere Zeit draußen war, muss man erst wieder hineinfinden. Ich kenne aber auch viele Leute, die in klassischen Jobs sind und bei denen der Chef sagt: „Elternzeit, um einen Monat nach Thailand zu fahren? Gut. Aber Sie können nicht ein halbes Jahr aussteigen. Dann müssen Sie selber sehen, wie es weitergeht.“ Diese Entscheidung muss natürlich jeder selbst treffen. Aber wenn der Job von einem verlangt, dass man keine Familie gründet, ist er auch der falsche.Worin ähneln sich die Männer in Ihren Geschichten?Marcel Werner in Netto ist ein gebrochener Mann – durch den Verlust seines Jobs, seiner Identität. Er möchte gern etwas darstellen, seinem Sohn beweisen, was für ein Kerl er doch ist. Er sucht seinen Platz in der männlichen Rangordnung. Und der Sohn möchte ihn als erfolgreichen Vater sehen. Er ist aber nicht der Hero. Trotzdem haben sie eine große Stärke miteinander entwickelt. Solche familiären Konstellationen beschäftigen mich: Gesellschaftliche Probleme, die sich in persönlichen Konflikten spiegeln, sind viel spannender als Event-Filme über die Bombardierung von Dresden.Das Gespräch führte Maxi Leinkauf