Erst kommen die Waffen, dann kommt die Moral

Waffenexport Sigmar Gabriel fordert in der Rüstungsexportpolitik vollmundig einen Kurswechsel. Das sehen Teile der Koalition anders. Horst Seehofer etwa

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Stichwort Rüstungsexporte: Große Worte, keine Taten
Stichwort Rüstungsexporte: Große Worte, keine Taten

Foto: Sean Gallup/ AFP/ Getty Images

Wenn die SPD in diesen Tagen ausnahmsweise etwas richtig macht, sollte man es allein aufgrund des Seltenheitswertes auch mal erwähnen. So hat Sigmar Gabriel über seinen Sprecher verlauten lassen, „dass Rüstungsexportpolitik kein Instrument der Wirtschaftspolitik sein darf“ und es überhaupt eine „Schande“ sei, das Deutschland zu einem der größten Waffenexportländer weltweit gehöre.

Das ist richtig, nur leider hat Gabriel erst relativ spät diesen Sachverhalt erkannt. Denn noch bis vor kurzem hat er, wie auch alle anderen Regierungen vor ihm, in klassischer Berufung auf sicherheits- und außenpolitische Gründe selbst noch fleißig Waffenlieferungen in Länder wie Saudi-Arabien, Brunei oder Algerien zugestimmt, die nicht unbedingt als Flaggschiffe der Demokratie zu bezeichnen sind. Unter ihm sind allein in den ersten vier Monaten diesen Jahres mehr Rüstungsgüter exportiert worden als im kompletten Jahr 2013 unter der ehemaligen Regierung.

Nun könnte man meinen, dass er anscheinend zur Besinnung gekommen ist wenn er sagt, dass es das Ziel seines Ministeriums sei, "ein Exportregime zu installieren, das sich wieder stärker an die einschlägigen Grundsätze der Bundesregierung für den Rüstungsexport hält.“ Große Worte für jemanden, der bislang seinen Worten keine Taten hat folgen lassen.

Bekannte Unbedarftheit

Und dennoch: Gabriel hat Glück, dass der Aufschrei der Opposition aufgrund dieses Widerspruchs zwischen seinen vollmundigen Behauptungen und seiner tatsächlichen Politik ein nicht allzu großes mediales Echo hervorgerufen hat. Der Grund dafür ist ein Koalitionspartner, der in seiner bekannten Unbedarftheit jegliche moralische Bedenken über Bord wirft und die Aufmerksamkeit in der Debatte nun auf sich gezogen hat: Horst Seehofer, der bayrische Experte für realitätsfremde, aber zumindest ehrliche Aussagen schlechthin.

Seehofer hat am Wochenende seinen Koalitionskollegen Gabriel attackiert und ihm vorgeworfen, dass es für Deutschland unabsehbare Folgen haben würde, wenn man Rüstungsexporte einschränken würde. Mit diesen Folgen meint Seehofer natürlich nicht, dass weniger Menschen durch deutsche Kleinwaffen und Panzer getötet werden könnten, sondern etwas viel wichtigeres: Die deutsche Wirtschaft. Wo kämen wir denn hin, wenn man es in Kauf nimmt, dass Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie verschwinden, bloß weil in anderen Teilen der Welt Menschen durch deutsche Präzisionskunst getötet werden? Wenn Deutschland todbringende Waffen importieren müsste, anstatt die Welt selbst mit Qualitätswaffen made in Germany beglücken zu können?

Für Seehofer stehen bayrische Arbeitsplätze über Menschenleben und der Verpflichtung, mit Waffenexporten zur Gewaltprävention sowie zur Sicherung des Friedens beizutragen. Anders kann man seine unverblümten Aussagen nicht interpretieren. Ihm scheint egal, an wen auch immer diese Waffen geliefert werden. Hauptsache die Kasse klingelt – Moral hin oder her. Über so viel Ablenkung kann Gabriel eigentlich nur dankbar sein. Denn neben jemanden wie Seehofer schafft es dann sogar der unpopuläre Gabriel, noch einigermaßen gut dazustehen. Und das will wirklich was heißen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden