Abgesang eines "Superstars"

Krimi-Flopp Marcus Müntefering schreibt über Don Winslow in der Krimi-Beilage, dass dessen neues Buch "Germany" abermals floppe. Winslows Abstieg begann in der Tat aber schon früher.

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Hatte Don Winslow mit "Tage der Toten" und "Das Kartell" noch höchst beachtliche Romane zum War on Drugs, wie er sich in Mexiko abspielt/e, vorgelegt, hatte diese im Vorfeld offensichtlich gut recherchiert und kenntnisreich die Strukturen der, sagen wir mal so: private public partnership von Drogenkartellen und Staatsvertretern (Politik und Polizei) dargestellt; hat weitere beachtliche Krimis, wie "Missing New York" und "Manhattan" geschrieben - aber nicht erst mit "Germany" einen Roman vorgelegt, den zu lesen man sich schenken kann.

Bereits sein Thriller "Vergeltung" zeichnete sich durch einen mehr als dürftigen Plot aus. Herausragend an diesem "Werk" waren eigentlich nur zwei Dinge: eine Story, in welcher ein - natürlich - hochdekorierter Ex-Elitesoldat sich in bester Rächermanier aufmacht, um für den Tod seiner Frau und seines Sohnes, die bei einem islamistischen Terroranschlag auf ein Flugzeug ums Leben kamen, blutige Vergeltung zu üben. Ärgerlich an dieser Story ist, dass er das Ganze garniert mit einer Haltung, die sich am Besten so ausdrücken lässt: Right or wrong - America! Patriotismus, triefend aus allen Knopflöchern.

Das zweite herausragende Moment in diesem Machwerk ist die mit einem an Manie grenzenden Eifer von Anfang bis Ende währende und anödende Aufzählung und genaueste Schilderung der eingesetzten Waffen und Kampffahrzeuge, die der Supersoldat gegen die hinterhältigen arabischen Terroristen verwendet. Zudem stolpert die Erzählung mehr als sie fließt.

Diese Melange aus pubertärem Angebertum und patriotischem Schwachsinn ist ein übles Machwerk, dass zuvörderst nur Ressentiments bedient und ein einziges Ärgernis darstellt; zudem auch noch miserabel geschrieben, weil diese Story daherkommt wie ein Groschenroman (wie M. Müntefering so treffend über "Germany" schreibt); wenig bis nichts in dieser Geschichte ist auserzählt, es fehlt an Tiefe und Ausdifferen-zierung der Figuren - nur schwarz und weiß, gut und böse, Heroen und Versager, Patrioten und Washingtoner Weicheier.

Bei genauerer Betrachtung und Würdigung sind alle diese Zutaten auch schon in den hier weiter oben genannten Romanen vorzufinden - sie treten in diesen nur nicht so stark in den Vordergrund, wohl auch deshalb, weil diese Stories besser auserzählt sind und die Geschichten weniger von Patriotismus strotzen. Leider aber fast genau so ärgerlich an Missing New York ist aber, dass der Protagonist von quasireligiösem Eifer getrieben scheint; seine Suche nach dem vermissten Kind führt er gegen jede Wahrscheinlichkeit, damit Erfolg haben zu können, unbeirrt und verbissen weiter, getrieben von seltsamen Ahnungen.

Mit "Germany" hat Winslow nun wohl endgültig sein Ziel erreicht und könnte sich also zukünftig mit der Abfassung kürzerer Formate bescheiden; die vertiefende Recherche vor dem Abfassen von Geschichten könnte entfallen, dank Google wären die wenigen nötigen Hintergründe zu erfahren, Herz-Schmerz und heroischer US-Patriotismus als Zutaten - und fertig wär ein Groschenroman. Dieses literarische Genre wird eh immer unterschätzt, ein Großschreiber wie Don Winslow könnte für ein wenig Reputation dieser Gattung beitragen.

Sollte ihm das aber nicht genügen, so könnte er sich bei der Rifle Association andienen und für diese ein Lexikon der Faustfeuer- und Maschinenwaffen erstellen, in welchem er sowohl die für die jeweilige Waffe benötigte Munition als auch die Feuergeschwindigkeit und Verwendungsfähigkeit in je unterschiedlichen Kampfsituationen darstellt. So könnten seine ellenlangen Aufzählungen der in "Vergeltung" zum Einsatz kommenden Waffen einer lukrativen Zweitverwertung zugute kommen. Das hätte für Winslow den Vorteil, dass er sich nicht mehr um eine gute Story bemühen müsste. Und die Waffenlobby und die Tea Party wären ihm sicher dankbar.

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Geschrieben von

maxundmoritz

"Ich lebe, ich bin parteiisch." (Antonio Gramsci)Alter, linker Polit-Grantler und -Quertreiber.

maxundmoritz

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