Männergekeife

Geschlechtsneutral? Marlies Krämer und Kristina Rose-Möhring gehen den Mackern auf den Sack. Männergekeife gegen den Wunsch, überholte Sprachregeln zu verändern.

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Nichts regt die Herren der Schöpfung in diesem unserem Land mehr auf, als wenn ihnen angedroht wird, dass dem Autoverkehr in einer Stadt (in diesem Fall: Saarbrücken) eine Fahrspur von sechsen für den Bau eines Fahrradweges entzogen werden soll - oder wenn Frauen fordern, dass sie zukünftig in Formularen, Hymnen und was es sonst noch so an in patriarchalischer Sprache verfassten Texten gibt, auch als Frauen angesprochen werden wollen.

Die Kriegserklärung

So jüngst geschehen durch die Anrufung von Gerichten durch Frau Marlies Krämer aus dem saarländischen Sulzbach, weil sich die Sparkasse Saarbrücken weigerte, sie und alle Frauen in ihren Formularen als Kundin anzusprechen. Frau Kristina Rose-Möhring, Gleichstellungsbeauftragte im Bundesfamilienministerium, hat es sogar gewagt vorzuschlagen, dass die deutsche Nationalhymne dem Rechnung trägt, dass auch Frauen durch diese angesprochen werden und sich durch diese repräsentiert fühlen sollen, indem z.B. das Wort "brüderlich" durch "couragiert" und "Vaterland" durch "Heimatland" ersetzt werden sollte. Damit hätte man auch in Deutschland endlich Anschluss gefunden an andere Länder, welche schon früher für ihre Hymnen eine gendergerechte Sprache gefunden haben.

Das große Jammern

Nun setzt es wieder ein, das große Keifen und Treten durch Männer, die sich in ihren Rechten bedroht fühlen, die sie als allgemeine Menschenrechte definieren. Hier nun einige Beispiele in Form von Leserbrief-Ausschnitten aus der Saarbrücker Zeitung, veröffentlicht am Samstag, den 17. März 2018:

- "Unnötiges Gezeter um schöne Hymne" - Aha, ein Kunst- und Kulturschützer! Oder doch eher ein Banause?

- "Sprache ist auch männerfeindlich" - "Frau Krämer liegt falsch. Sprache ist nicht symmetrisch. Daraus, dass mit 'Kundin' nur eine Frau gemeint sein kann, lässt sich nicht schließen, dass 'Kunde' eine männliche Form sei. Meint man nur männliche Kunden, muss man dies extra mit Attributen ausdrücken. MÄNNER SIND SOMIT SPRACHLICH NICHT DIREKT SICHTBAR (Hervorhebung durch mum)....Anreden wie 'Liebe Kundinnen und Kunden' DISKRIMINIEREN IM GRUNDE MÄNNER: Mit 'Kundinnen' werden Frauen separat angesprochen und mit 'Kunden' erneut, diesmal zusammen mit Männern....Kommen Väter vor, wenn über die Muttersprache gesprochen wird? Wenn man diese Wörter ebenso biologisch-geschlechtlich interpretiert, sind damit nur Frauen gemeint....Das ist einseitig, selbstbezogen, MÄNNERFEINDLICH." - Das ist ernst gemeint und keine Satire; und ich dachte, dass Karneval schon länger vorbei sei.

- "Wenn wir eines Tages das Lied 'Hoch auf dem gelben Wagen' singen, aber nicht neben dem Schwager sitzen dürfen, sondern neben der Schwägerin, dann haben wir es geschafft." - Das wäre ja nicht so schlimm, dann könnte sich der Schwager ja hinten im Heu vergnügen - vielleicht mit dem Knecht?

- "Auch das 'brüderliche' Streben der Hymne hat seinen Ursprung im Ideal der Französischen Revolution ('Fraternité'). ...Nicht viele Hymnen lassen sich so gut auf die heutigen Lebensverhältnisse anwenden." - Wo dieser Herr Recht hat, da hat er Recht! Brüderlich im Vaterland sorgen wir dafür, dass alles so bleibt wie es ist!

- "'Männlich, weiblich, kindisch': So verstehe ich die Versuche derer, die die Welt verändern wollen...In die Hitparade der Weltverbesserer reihen sich auch die ein, die lieber Heimatland statt Vaterland singen wollen. Fehlt die Forderung, dass man nicht verheiratete Frauen wieder Fräulein nennen muss." - Ob der da nicht etwas verwechselt? Letzteres ist doch eher etwas für konservative Männerrechtler.

- Für einen weiteren führt die Einführung des Begriffes "Heimatland" statt "Vaterland" in unsere Hymne direkt zurück zum Revanchismus der sog. Heimatvertriebenen, die sich dadurch aufgerufen fühlen könnten, erneut wieder für die Rückgliederung ihrer alten Heimaten Ostpreußen, Schlesien, Pommern und Sudetenland an Deutschland zu kämpfen. Konsequent befürchtet dieser Sprachwalter: "Der modische Wahn, die Sprache geschlechtsneutral zu säubern, kann verheerende Folgen haben." - Ja, da kann mann nur zustimmen, das männerbewegte, also bornierte Hirn, kann daran Schaden leiden, weil heillos überfordert!

- "Genderitis ist Unsinn" - "Soll als nächstes der (männliche) Bundesadler als Wappentier durch ein 'Gender-Gefieder'....ersetzt werden? Bezüglich der Genderitis stirbt die Hoffnung zuletzt." - Jaja, ich fühle mich, je mehr ich von diesem Unsinn lese, schon ganz schön hoffnungslos und muss da nicht bis zuletzt warten.

- "Am besten wäre, man eliminiert männliche und weibliche Artikel und hat nur noch 'das'". - Ein Kompromissler; damit kommt er aber bei den Männerrechtlern nicht weit.

Das war eine kleine Blütenauslese aus einer einzigen Ausgabe der Saarbrücker Zeitung; ich erspare mir eine weitere Lektüre in den sog. Sozialen Netzwerken oder in anderen Presseerzeugnissen, denn ich gehe davon aus, dass hier noch mehr frauenfeindlicher Dreck abgeladen worden ist.

Eine Spezies ohne Hoffnung

Mann fühlt sich bedroht! Brauchen ihn doch immer weniger Frauen, um von ihm ausgehalten zu werden, weil sie ihr eigenes Geld verdienen und auch auf der Karriereleiter - zwar langsam, doch letztlich unaufhaltsam - überholt werden und Mann wegen des damit einhergehenden Paradigmenwechsels gezwungen ist, sich anzupassen oder auf Dauer das Spiel zu verlieren. Die Rückzugsgefechte, die Mann nun führt, sind vielfältig, dennoch zielen sie allesamt nur in eine Richtung: gegen die Durchsetzung von Gleichberechtigung in allen persönlichen und gesellschaftlichen Bereichen!

Das Imperium schlägt zurück

Das Lächerlichste sind Männer, die sich als Opfer des "Genderwahns" empfinden. Das Schlimmste sind diejenigen, die sich als Opfer sehen und die als einzigen Ausweg nur Gewalt als ultima ratio begreifen - sei diese nun "nur" verbaler Natur oder - sicher tiefenpsychologisch interessant - indem Mann einen SUV als Machtmaschine benutzt (es muss ja einen Grund dafür geben, dass immer mehr von diesen Dreckskarren herumfahren) oder, die schlimmste Form von Gewalt, Frauen verprügelt, vergewaltigt oder getötet werden.

Die Forderungen von Frauen nach Einführung einer gendergerechten Sprache haben zu erstaunlich schnellen und heftigen Gegenreaktionen von sich bedroht fühlenden Männern geführt. Fragt sich nur, warum? Mir scheint, nachdem viele sich nach #Aufschrei und #metoo uam. ganz tief weggeduckt haben, dass diese Männer nun eine Gelegenheit gesehen haben den Kopf wieder aus der Deckung zu nehmen. Was hätte mann da auch gegen sagen können, ohne riskieren zu müssen, dorthin verwiesen zu werden, wo viele real zwar hingehören, aber nicht gerne öffentlich gesehen werden wollen: in die Riege der Frauenfeinde, Grapscher, Sexisten, Vergewaltiger, Frauenschläger.

Es geht nicht nur um Sprache!

Die Debatte um die Verwirklichung einer gendergerechten Sprache ist wichtig, aber sie hat momentan dazu geführt, dass das Thema "sexualisierte Gewalt" gegen Frauen in den Hintergrund gedrängt wurde - den Männerrechtler freut's. Das darf nicht geschehen! Es liegt an allen Akteuren, in dieser Auseinandersetzung immer wieder auf die Verbindung zwischen jeder Form männerrechtlicher Zumutungen zu allen anderen Formen sexualisierter Gewalt hinzuweisen. Zwar ist nicht jeder Männerrechtler auch ein Frauenschläger, aber er bereitet verbal den Boden für schlimmere Formen der Auseinandersetzung mit vor. Dies gilt es zu erkennen und zu vermitteln.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

maxundmoritz

"Ich lebe, ich bin parteiisch." (Antonio Gramsci)Alter, linker Polit-Grantler und -Quertreiber.

maxundmoritz

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