Ich schrieb in einem Kommentar: " 'Alte' zentralistische Parteimodelle stehen heute zurecht nicht mehr auf der Tagesordnung, diese haben sich selbst diskreditiert.
Bedenkenswert sind m.E. Rätemodelle, wie vorne schon angedeutet - lokal, regional, bundesweit, ja auch europaweit, in denen Führung von Fall zu Fall neu beschlossen und an fachliche Kompetenzen, an zu beschliessende Themen und Aufgaben, an wirtschaftliche, ökologische, soziale .... Fragestellungen und entsprechende Kenntnisse gebunden ist. Führung (sollte dann - Einfüg. mum) auch zeitlich begrenzt als befristete Übernahme von Verantwortung gegenüber der ......Basis (praktiziert werden).....Und die Basis wäre dann die wachsende Zahl der Unterstützer der Revolution. In einem solchen Rätemodell ist die Führung eine stets wechselnde, dem Gegner der Revolution würde es (damit) schwer fallen, eine (für längere Zeit) feststehende Führungsgruppe zu isolieren und auszuschalten - eine solche gibt es (dann) ja nicht mehr."
So weit, so gut! Hier sind allerdings einige Fragen zu klären, denn ein Rätemodell ist ja nicht so einfach gegen die parlamentarischen Gremien oder in einer ersten Phase zunächst auch nur parallel zu Letzteren durchzusetzen.
Eine weitere Frage, die auch in der ersten Phase des Übergangs zu beantworten wäre ist, wie kann es gelingen, den Revolutionären Räten gegenüber den kommunalen Räten und bürgerlichen Parlamenten, wie sie heute existieren, eine Legitimation zu verschaffen?
Ein Blick zurück in die Geschichte
Hilfreich kann ein Blick zurück in die Geschichte sein. Bereits die russische Revolution stützte sich auf Räte - die Sowjets. Von Februar 1917 an gab es eine Zeit der sogenannten Doppelherrschaft, in welcher neben der neu gebildeten Regierung Räte auf unterschiedlichen Ebenen existierten, die es zunächst strikt ablehnten, in der Regierung mitzuwirken. Erst Kerenski gelang es kurz danach, die Vollversammlung der Sowjets davon zu überzeugen, dass er in die Regierung eintreten konnte und dort zunächst Justizminister wurde. Wichtig ist aber, dass es den konterrevolutionären Kräften nicht gelungen ist die Sowjets zu entmachten, da diese sich auf bewaffnete Kräfte aus der Arbeitschaft, aus dem Heer und der Marine stützen konnten.
Anders die Arbeiter- und Soldatenräte in Deutschland nach der Novemberrevolution 1918. Diese Räte standen weiterhin den staatlichen Institutionen, den konterrevolutionären Militärs und einem reaktionären Polizeiapparat gegenüber, ganz zu schweigen davon, dass auch das Fabriksystem mit seinen wirtschaftlichen und politischen Einwirkungsmöglichkeiten fast nicht angetastet wurde. Die Revolutionäre wollten sich diesen Fragen nach der Wahl einer neuen Reichsregierung zuwenden; sie gingen noch davon aus, dass diese Regierung eine revolutionäre sein würde. Da hatten sie allerdings die Rechnung ohne den sozialdemokratischen Wirt aufgemacht.
Die Akteure der Novemberrevolution waren nicht in der Lage, ihren Erfolg durch dazu notwendige Machtmittel abzusichern und die alten Machtinstitutionen entscheidend zu schwächen. Nicht unwichtig dabei war, dass sich die SPD-Führung unter Ebert mit Reichskanzler Max von Baden darauf einigte, dass eine soziale Revolution unter allen Umständen verhindert und die staatliche Ordnung aufrecht erhalten werden müsse.
Dieser kurze Rückblick verdeutlicht schon zur Genüge, dass der Frage nach dem Übergang von einer parlamentarischen zu einer Rätedemokratie allerhöchste Aufmerksamkeit gewidmet werden muss, stellt sich doch schon in dieser frühen Phase der Revolution die Machtfrage!
Da wir davon ausgehen, dass die Revolution von ihrem ganzen Wollen her eine unblutige und demokratische sein muss, ist zu beantworten, wie es gelingen kann, zunächst parallele Strukturen der demokratischen Teilhabe und Machtausübung zu installieren - ohne dass der Machtapparat des Staates gegen diese Transformation gewaltsam vorgeht.
Zur Beantwortung der Frage nach der Rolle und den Möglichkeiten der Revolutionären Räte in der ersten Phase des Übergangs sollten wir eine Hilfestellung in Anspruch nehmen; und diese finden wir bei Antonio Gramsci (Quelle: Christian Riechers, (Hrg.): Antonio Gramsci, Philosopie der Praxis, Eine Auswahl, Frankfurt am Main 1967, S.68-72. Ursprünglich veröffentlicht in Ordine Nuovo, 12. Juni 1920. Kopiert mit Dank von der nicht mehr vorhandenen Webseite Marxistische Bibliothek; gefunden in: https://www.marxists.org):
"Man muß die Beziehungen zwischen Gewerkschaft und Fabrikrat unter diesem Gesichtspunkt betrachten, das heißt, wie Natur und Wert der industriellen Legalität beurteilt werden.
Der Fabrikrat ist die Negation der industriellen Negation, er hat die Tendenz, sie in jedem Augenblick zu vernichten, er arbeitet unaufhörlich darauf hin, daß die Arbeiterklasse die industrielle Macht erobert, die industrielle Macht von ihr ausgeht. Die Gewerkschaft ist ein Element der Legalität und muß sich vornehmen, daß diese von ihren Mitgliedern respektiert wird. Die Gewerkschaft ist gegenüber den Industriellen verantwortlich, aber nur soweit sie ihren Mitgliedern gegenüber verantwortlich ist: sie garantiert dem Arbeiter und seiner Familie die Kontinuität von Arbeit und Lohn, und das heißt von Brot und Unterkunft. Der Fabrikrat tendiert aufgrund seiner revolutionären Spontaneität dahin, jeden Augenblick den Klassenkrieg zu entfesseln; die Gewerkschaft tendiert wegen ihrer bürokratischen Form dahin, die Entfesselung des Klassenkriegs nicht zuzulassen.
Die Beziehungen zwischen beiden Institutionen müssen zu einer Situation führen, in der nicht durch einen launischen Impuls des Fabrikrates die Arbeiterklasse zurückgeworfen wird und eine Niederlage erleidet. Das heißt, es muß eine Situation geschaffen werden, in der der Fabrikrat die Disziplin der Gewerkschaften anerkennt und sich zu eigen macht und in der der revolutionäre Charakter des Fabrikrates die Gewerkschaft beeinflußt und ein Reagens ist, das die Bürokratie und das gewerkschaftliche Funktionärstum auflockert.
Der Rat wird jederzeit aus der industriellen Legalität ausbrechen wollen: er repräsentiert die ausgebeutete, tyrannisierte, zu knechtischer Arbeit gezwungene Masse und tendiert deshalb dahin, jede Rebellion zu universalisieren, einem jedem seiner Machtakte Gewicht und entscheidende Tragkraft zu verleihen. Die Gewerkschaft ist eine mit der Legalität solidarische und für sie verantwortliche Behörde, sie wird dahin tendieren, die Legalität zu universalisieren und zu verewigen. Die Beziehungen zwischen Gewerkschaft und Rat müssen zu den Bedingungen führen, die die Überwindung der Legalität und die Offensive der Arbeiterklasse in dem Augenblick ermöglichen, der für die Arbeiterklasse am günstigsten ist, in dem Augenblick, in dem die Arbeiterklasse jenes Minimum an Vorbereitungen erreicht hat, das für einen dauerhaften Sieg unumgänglich ist.
Die Beziehungen zwischen Gewerkschaft und Rat dürfen ausschließlich in folgendem bestehen: die Mehrheit oder ein beträchtlicher Teil der Wähler des Rates sind gewerkschaftlich organisiert. Jeder Versuch, die beiden Institutionen in einem hierarchischen Abhängigkeitsverhältnis aneinander zu binden, kann nur zur Vernichtung beider führen."
Übersetzen wir Gewerkschaften mit bürgerlichem Parlament und Fabrikrat mit Revolutionärem Rat, so haben wir vielleicht einen Hinweis darauf gefunden, wie in der frühen Phase der Revolution parallele Strukturen nebeneinander funktionieren könnten. Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus dem Text Gramscis ist diese: es muss neben der Bildung der Revolutionären Räte darauf ankommen, dass die Revolutionäre auch in den Parlamenten vertreten sind und sich so diese und die Revolutionären Räte gegenseitig befruchten, aber auch dafür sorgen, dass die Revolution nicht in blindwütigen Aktionismus oder lähmenden Stillstand verfällt.
Vielleicht ist damit eine der ersten Fragen beantwortet - nämlich die, wie kann es gelingen, einen Einstieg in die erste Phase der Revolution zu schaffen und welche Rolle kommt dabei den vorhandenen Institutionen (Parlamenten) zu. Die alleinige Konzentration auf einen parlamentarischen Weg wird keine revolutionäre Situation schaffen; erst die Verbindung von außer- und innerparlamentarischer Aktion wird dies möglich machen (ist eigentlich nichts Neues). Dabei ist es wichtig, dass die revolutionären Akteure schon frühzeitig ihr Augenmerk darauf richten, neue Organisationsformen zu finden, in denen das revolutionäre Wollen seinen ersten und wichtigsten Ausdruck findet: die Räte.
Kommentare 19
Zum Thema Räteorganisation gibt es m.E. keine überzeugenden Argumente für deren besondere Vorteilhaftigkeit. Im Gegenteil gibt es jede Menge Bedenken, die leider selten ernsthaft diskutiert werden. Es handelt sich beim Rätemodell um eine Idealisierung der politischen Methodik dahingehend, dass diese den gewünschten politischen Standpunkt quasi schon durch die Form der Willensbildung absichern soll. Das ist ein Riesenunsinn. Das beruht auf der falschen Einschätzung, dass die Ergebnisse von Parlamentswahlen nicht die Auffassungen der Bürger wiedergeben würden.
Warum sollen denn überhaupt die Betriebe die Basis sein für die politische Gremien-Hierarchie? Man sollte sich der Tatsache stellen, dass Betriebe dynamische Institutionen sind, sie werden gebildet, umstrukturiert, aufgelöst, im Rahmen von produktions-verändernden Prozessen, die aufgrund des nötigen Überblicks nur von einer Ebene oberhalb der Betriebe verbindlich gesteuert werden können. Betriebe sollen ja Resultate der Planung sein, und nicht deren unveränderliche Basis.
Bei mir regt sich auch Skepsis hinsichtlich der extremen Vielstufigkeit, die mit einem betrieblich basierten Rätesystem einhergeht. Man braucht dann viele Ebenen, bis man auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene angelangt ist, von wo aus der vollständige Überblick über die in der Gesellschaft anfallenden Anforderungen einerseits und Ressourcen andererseits möglich ist, als Bedingung für eine realistische Planung.
Selbst wenn je 100 Arbeiter nur ein einziger Abgeordneter bestimmt wird, wären das z.B. bei 60 Millionen Gesellschaftsmitgliedern rund 600 000 Räte, die dann wieder irgendwie nach oben aggregiert werden müssten, bis dann mal eine halbwegs überschaubare Größenordnung erreicht ist. Was rechtfertigt diesen immensen Aufwand? Wie soll bei so einer Konstruktion fachliches Detail-KnowHow von ganz unten bis ganz oben überhaupt durchkommen?
So ein riesiges Pyramiden-System ist auch problematisch hinsichtlich des Anspruchs, dass Arbeiterräte ein besserer Garant wären, wirklich den Willen „von unten“ zu repräsentieren im Vergleich z.B. zu einem Parteiensystem. Aber 1 Abgesandter je 100 Arbeiter bedeutet zum einen, wenn er als konkret Beauftragter verstanden sein soll, dass jeder der 100 Arbeiter sich mit allen Themen beschäftigen muss, die zur Befassung anstehen.
Das ist m.E. eine völlige Überforderung, die darin enden wird, dass sich die Leute je nach Standpunkt einem Verein anschließen werden, der zumindest die allgemeineren politischen Themen vordiskutiert und Argumentationshilfe anbietet bei schwierigeren Fragen – am Ende bestimmen dann, ähnlich wie Parteien, dann doch indirekt diese Vereine, was entschieden wird, und nicht einfach, wie man sich das so naiv vorstellt, einfach nur „die Arbeiter der Betriebe“. Denn diese Arbeiter werden sich auch Vereinigungen anschließen, die außerhalb des Betriebes übergreifend aktiv sind, aber eben die Entwicklung des politischen Bewusstseins der Beteiligten mit prägen und daher wieder in die Positionierung der Räte in den Betrieben hineinwirken.
Außerdem bedeutet das Pyramiden-System, da z.B. so ein Beauftragter je 100 Leute zu jedem Thema nur eine Meinung weitergeben kann, dass selbst eine relativ große Opposition bei einem Thema sofort „verschluckt“ wird. Ein Rätesystem ist also, was eventuellen Druck von unten gegen umstrittene Entscheidungen von oben angeht, ein ziemlich untaugliches Mittel, es ist vielmehr das perfekte K.-o.-System gegen Minderheitsmeinungen. De facto kann so ein System also genauso fatal für eine sozialistische Minderheitsposition sein wie eine Ein-Parteien-Diktatur nach stalinistischem Muster.
Also wenig überzeugend diese Rätesystem-Euphorie. Eine Sozialistische Planwirtschaft ginge auch in einer parlamentarischen Demokratie. Man braucht sowieso eine dicke Mehrheit, um erfolgreich sein zu können. Entscheidend ist dann aber die Ökonomie, die Einführung direkter Planung anstelle von konkurrierenden Betrieben.
Auffällig ist ja auch, dass bei den meisten Rätemodellen statt einer durchgängigen Vergesellschaftung der Ökonomie nur eine Art Selbstverwaltung von Gruppen-Eigentum vorgesehen ist, also keine reale Aufhebung des Privateigentums und insbesondere keine Aufhebung der Konkurrenz.
Sehr gute Kritik! Das Scheitern sämtlicher bisheriger Entwürfe resultiert letztlich aus den letzten Absätzen: Entweder, das Produktionseigentum wird lokal vergesellschaftet, und jeder Einzelne im Betrieb (oder einer Kommune) wird dessen Miteigentümer. Hier steht "Freiheit" im Vordergrund . Dann stehen danach die Kommunen oder Betriebe (relativ notwendig) in globaler Konkurrenz zueinander, bis einige Kommunen/Betriebe sich ausdehnen und andernorts wiederum mittellose Nicht-Eigentümer produzieren. Oder, man delegiert die Wirtschaft an eine (meinetwegen gewählte) Zentralverwaltung, die über riesige Machtbefugnisse verfügt und die Konkurrenz, zur Durchsetzung von "Gleichheit", weitestgehend unterbindet. Dann wird allerdings aus dem "ideellen Gesamtkapitalisten" (Marx zum Staat) ein ziemlich "realer" Gesamtkapitalist, der über das gesamte vergesellschaftete Gemeinschaftseigentum verfügt, und die Arbeiterschaft ebenfalls vollständig von ihren Produktionsmitteln trennt, und eine relativ hierarchische ("vermachtete") Befehlsstruktur als Herrschaftsform zur Plandurchsetzung einsetzt. Damit treten jetzt "Basis" und Staatsführung in einen Widerspruch: "Oben" hat man, wie in jeder "externen" "bürokratischen" Menschenverwaltung, praktisch keine Idee von den Problemen (oder prosaischen Wünschen) auf den unteren Ebenen, und "Unten" gibt es einen entsprechenden Problemstau. Derartige Plan(-los-)wirtschaft gibt es ja nicht nur in Riesengebilden wie dem ehemaligen Warschauer Pakt - schon in mittelgroßen kapitalistischen Unternehmen führt die entstehende "Reibung" zu massiven Effizienzeinbußen.
"Es handelt sich beim Rätemodell um eine Idealisierung der politischen Methodik dahingehend, dass diese den gewünschten politischen Standpunkt quasi schon durch die Form der Willensbildung absichern soll."
Der gewünschte politische Standpunkt muss auch in einem/jedem Rat diskutiert und durchgesetzt werden, indem Mehrheiten dafür gewonnen werden - es gibt also keinen Automatismus zur Durchsetzung eines, von wem auch immer, gewünschten poltitischen Standpunkts (auch keinen in irgendwelchen Satzungen festgeschriebenen, - was im Übrigen auch abzulehnen wäre).
Hier knüpfe ich an Michael Jägers Thesen an, der in seiner Reihe dazu einiges schreibt (insbesondere ist auf die Notwendigkeit Friedfertigkeit in der Debatte und Beschlussfassung und deren Durchsetzung zu verweisen).
Allerdings, und das ist mein Ansatz, bilden sich Räte zu bestimmten Themenkreisen, als da sein könnten - um nur mal einen zu nennen - Verkehrspolitik vor Ort. Es werden sich, wenn z.B. dieses Thema einer Lösung zugeführt werden müsste, Räte bilden, weil die Menschen daran interessiert sind (wie sich heute ja schon Bürgerinitiativen bilden).
Räte könnten also lebendige Organe sein, die sich nicht unbedingt auf feste Mitgliedschaften gründen, sondern offen sind für interessierte Bürger. Wie sowas institutionalisiert werden könnte, das ist eine Frage über die ich in späteren Teilen meiner Vorschläge zum Thema Räte etwas schreiben werde.
Wie gesagt, auch die Form und Rolle von Räten sollte neu gedacht und diskutiert werden; wir müssen uns von Beispielen aus unserer Vergangenheit insoweit lösen, als dass wir diese Frage nicht immer wieder - einengend - nur im Kontext der russischen und der deutschen November-Revolution betrachten und deren Rolle nur ausgehend von der marxistisch-leninistischen Theorie und Praxis diskutieren. Wir müssen die Räteidee von der Idee des Arbeiter- und Soldatenrats genauso befreien wie vom Fabrikrat der Arbeiter! Was wir für den Übergang brauchen sind Räte, in denen alle Bürger mitmachen (können) und die von diesen als ihr ureigenes Machtorgan begriffen und benutzt werden.
Hilfreich in dieser Debatte kann dabei die Lektüre von Michael Jägers Reihe "Der Weg zur Gründung" sein. Ich betrachte diese als wesentliche Ergänzung, in weiten Teilen sogar Grundlegung, meiner eigenen Überlegungen und Vorschläge, insbesondere zu Fragen der Strategie und Taktik in der Revolution bzw. auf dem Weg des Übergangs zu einer anderen, demokratischen, sozialen und ökologischen Gesellschaft.
"Warum sollen denn überhaupt die Betriebe die Basis sein für die politische Gremien-Hierarchie?"
Sollen sie ja nicht - siehe vorherige Antwort auf Ihren Kommentar.
"Warum sollen denn überhaupt die Betriebe die Basis sein für die politische Gremien-Hierarchie?" - Sollen sie ja nicht - siehe vorherige Antwort auf Ihren Kommentar.
Ok, da stehe ich natürlich vor der Schwierigkeit, dass ich eine (noch) nicht klar definierte Räte-Konzeption auch nicht präzise kritisieren kann. Ich bin erst einmal davon ausgegangen, dass Räte Institutionen sind, denen ganz bestimmte Befugnisse zugeordnet sind, z.B. einen Betrieb zu managen, dass also eine durchgängige Organisation der neuen Gesellschaft durch Räte festgelegt ist. Aber so soll es wohl nicht gemeint sein:
"Wir müssen die Räteidee von der Idee des Arbeiter- und Soldatenrats genauso befreien wie vom Fabrikrat der Arbeiter! Was wir für den Übergang brauchen sind Räte, in denen alle Bürger mitmachen (können) und die von diesen als ihr ureigenes Machtorgan begriffen und benutzt werden."
So gesehen haben die Räte dann also kein Objekt, für das sie verantwortlich sind, sondern sie sind eine Art lockere Bürgerinitiative, die sich von außen für ein bestimmtes Thema starkmacht; mehr als zu publizieren und zu demonstrieren sehe ich dabei nicht als Aktivität. Abstimmungen sind dann soviel wert wie Meinungsbilder in einem Verein, sie haben keinerlei Geltung, es sei denn, jemand, der wirklich die Verfügung hat, lässt sich davon beeindrucken.
Ich sehe ein solche Räteverständnis weder nützlich für den Übergang noch als Organisationsform einer neuen Gesellschaft. Überhaupt würde ich die Debatte vom Ziel her aufziehen: wenn klar ist, welches die Organisationsform der neuen Gesellschaft sein soll, dann kann ich mir überlegen, ob und wie ich das durch Vorformen anbahnen kann.
"So gesehen haben die Räte dann also kein Objekt, für das sie verantwortlich sind, sondern sie sind eine Art lockere Bürgerinitiative, die sich von außen für ein bestimmtes Thema starkmacht;..."
Doch, die Räte haben sehr wohl ein Objekt, wie ich an dem Beispiel "Verkehrspolitik" versuchte deutlich zu machen. In meinem Beitrag führte ich aus, dass es denkbar sein könnte, dass sich die Räte zu bestimmten Themenkomplexen bilden; z.B. Ökologie, Wirtschaft, Geldpolitik,.....
Später schrieb ich: "Was wir für den Übergang brauchen sind Räte, in denen alle Bürger mitmachen (können) und die von diesen als ihr ureigenes Machtorgan begriffen und benutzt werden."
Das geht also über unverbindliche Bürgerinitiativen hinaus, weil den Räten im demokratischen Meinungsbildungsprozess und bei der Herbeiführung von Beschlüssen und der Kontrolle ihrer Umsetzung eine institutionalisierte Rolle (meint: per Gesetz zugeschriebene Rolle im System der demokratischen Debatte und Beschlussfassung) zukommt. Wie diese Rolle herbei geführt werden könnte versuche ich in dem 2. Teil meiner Beiträge in die Diskussion einzubringen.
Sicherlich, soviel will ich darüber schon mal sagen, wird es in einer ersten Phase darauf ankommen, dass die Revolutionäre in die linken Parteien eintreten und dort ihre Politik verteten und für Mehrheiten kämpfen. Gleichzeitig ist es ihre Aufgabe, in den Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen mitzuarbeiten und diese weiter zu entwickeln, sie zu Instrumenten zur Vorbereitung des Übergangs zu entwickeln (also die Organisationsformen zu nutzen, die schon vorhanden sind - um es einmal etwas lockerer mit Mao zu sagen: wie ein Fisch im Wasser zu schwimmen).
Aus der Vergangenheit und der jüngsten Geschichte wissen wir natürlich, dass dies keine leichte Aufgabe sein wird, vor allen Dingen auch deswegen nicht, weil ein "Marsch durch die Institutionen", wie ihn die 68'er Linken schon einmal propagiert haben, stets der Gefahr ausgesetzt ist, durch die Verlockungen des Systems korrumpiert zu werden.
"Überhaupt würde ich die Debatte vom Ziel her aufziehen: wenn klar ist, welches die Organisationsform der neuen Gesellschaft sein soll, dann kann ich mir überlegen, ob und wie ich das durch Vorformen anbahnen kann."
Über das Ziel muss natürlich Klarheit herrschen; diese Klarheit herbei zu führen, darum geht es doch auch in dieser Debatte - und da beziehe ich mich wieder auf Michael Jäger: wir streben eine nachkapitalistische Gesellschaft an, in welcher - vielleicht - mittels Proportionswahlen darüber entschieden wird, was und wie in Zukunft produziert wird. Siehe dazu:
https://www.freitag.de/autoren/michael-jaeger/welche-wirtschaft-waehlen-wir-uns )
In einem weiteren Beitrag schreibt er:
"Damit sie wirklich kommt, müssen in dem historischen Augenblick, wo es, um mit Trotzki zu sprechen, zu den „besonderen Bedingungen“ gekommen ist, „die der Unzufriedenheit die Ketten des Konservatismus herunterreißen“, weil sie „in Form einer Katastrophe über die Menschen hereinbrechen“ (Geschichte der russischen Revolution. Erster Teil: Februarrevolution, Frankfurt/M. 1973, S. 8), zugleich auch schon solche Menschen vorhanden sein, das heißt sich vorher herangebildet haben, die selber der geistigen Verelendung nicht mehr unterliegen, vom Nihilismus nicht mehr durchdrungen sind, sondern vielmehr bereits die neue postkapitalistische Fragestellung verkörpern; die daher der unruhig und fragil werdenden Gesellschaft Orientierung geben, das heißt ihr etwas vorschlagen können."
https://www.freitag.de/autoren/michael-jaeger/142-der-weg-zur-gruendung-erste-forts
Es muss neben einem Ziel, und das haben wir, auch eine Vorstellung davon geben, wie wir dieses erreichen wollen. Und wenn Sie schreiben, "wenn klar ist, welches die Organisationsform der neuen Gesellschaft sein soll, dann kann ich mir überlegen, ob und wie ich das durch Vorformen anbahnen kann", dann will ich darauf antworten: sie soll eine nachkapitalistische/sozialistische sein, die auf friedlichem revolutionärem Weg erreicht werden soll. Wenn das so sein soll, dann müssen wir uns überlegen, ob es ausreicht, unsere Hoffnungen und Strebungen alleine auf die Parlamente zu richten. Ich meine Nein, es muss dazu Organisationsformen geben, die das Wollen der ganzen Gesellschaft und aller ihrer Glieder widerspiegeln und ihm Raum zur Artikulation und Durchsetzung geben - das könnten dann die Räte sein.
Die alleinige Konzentration auf einen parlamentarischen Weg wird keine revolutionäre Situation schaffen – davon gehe auch ich aus, und überhaupt sind unsere Vorstellungen nahe beieinander. In einem Punkt scheine ich aber anders überlegt zu haben. Was ich zum Thema sagen kann, kommt in den nächsten Tagen, ist aber vor Ihrem Blog geschrieben worden; vielleicht ergänze ich da noch was. Jedenfalls: Ich bleibe beim Parlamentarismus. Meine „Proportionswahlen“ sind ihm ja auch in einem, vielleicht dem entscheidenden Punkt nachgeahmt: daß gewählt wird von allen. Was würden Sie zu dem Argument sagen, daß ein Rätesystem weniger demokratisch ist, weil da aben nicht alle mitentscheiden? Sondern nur die Aktiven – das ist der springende Punkt. Und die sind nun allerdings entscheidend wichtig. Auch ich denke ja an Gruppen von Aktiven als den eigentlichen Trägern des revolutionären Prozesses, wie sie noch sehen werden, ich glaube, ich hab’s auch schon gesagt. Sehr einverstanden bin ich dann wieder mit Ihrer Formulierung Und die Basis wäre dann die wachsende Zahl der Unterstützer der Revolution, und auch wenn Sie von wechselnder Führung in der Gruppe sprechen, bin ich einverstanden – es heißt ja nichts anderes, als daß die Gruppe gar keine Führung hat. Und alles zusammengenommen heißt es, die Gruppe führt weder, noch wird sie ihrerseits geführt.
Jedenfalls nicht in dem Sinn, daß es Leute gibt, die Anweisungen geben, die befolgt werden sollen. Andererseits kann man auch das Vorschlagen, dem freiwillig gefolgt wird, „Führen“ nennen. Aber das Wort wird doch meistens im anderen Sinn verstanden. Bis hierher ist es eine Frage der Terminologie – aber wie nun, wenn Sie die Gruppen zum nationalen Rätesystem weiterdenken und ihm die Führung über den Parlamentarismus geben, nun eben doch in jenem anderen Sinn? Und ist es nicht so, daß die Parlamente von jener Basis mitgewählt werden, von der Sie sprechen die viel umfangreicher ist als die Rätegruppen, deren Wahl daher eine demokratischere Wahl wäre als die allein innerhalb des Rätesystems? Und weiter: Wenn es die Andere Gesellschaft einmal gibt, dann geht es doch gar nicht mehr darum, „wer die Revolution unterstützt“, sondern sie hat bereits gesiegt und also sind ihre Prinzipien Verfassung, geltendes Recht – da müssen doch die politischen Entscheidungen von allen getroffen werden, was, wie mir scheint, der Parlamentarismus gewährleistet, ein reformierter freilich (ich habe geschrieben, die vorhandenen Parlamente seien kapitalistisch strukturieren, Kapital gibt es aber nicht mehr und dann werden sie sich anders strukturieren).
Wenn es neben den Parlamenten ein Rätesystem gibt, warum sollte es nicht einfach darin bestehen, daß es eine Gesamtversammlung der revolutionären Gruppen gibt, die sich austauschen und ggf. koordinieren? Das wird zweifellos nützlich sein. Aber muß diese Versammlung ihrerseits von oben „geführt“ werden? Ich denke, diejenigen, die real orientieren, indem ihren Vorschlägen real freiwillig gefolgt wird – genau daran und nur daran wird man sie erkennen -, brauchen keinen anderen Standort und können keinen haben als die Gruppen selber. Es ist auch meine Erfahrung. Ich habe es noch vor Augen, wie Rudi Dutschke agierte, zunächst zu einer Zeit, wo ihn niemand und auch ich nicht kannte. Immer standen neben ihm noch andere SDSler, aber ihm hörte man zu, das war einfach so. Nie hatte er eine Führungsfunktion im SDS, er war sogar, wenn ich mich recht erinnere, in seiner Gruppe eher in der Minderheit. Wie ja auch Lenin sich über sämtliche anderen Mitglieder seiner Gruppe hinwegsetzte, als er zum Aufstand aufrief.
Um das noch hinzuzufügen, in meinem ökonomischen Modell sind Räte auch in einer anderen Aktivität vorgesehen, in der Phase unmittelbar nach einer Proportionswahl nämlich, wenn größere ökonomische Umstrukturierungen gewählt worden sind: Dann tritt ein Ökonomischer Rat in Aktion, gekommen aus der gesamten Wirtschaft, Arbeitern und Unternehmern, und berät darüber, wie man die Umstrukturierungen umsetzt. Nach meiner Vorstellung müssen sich diese Räte nicht einig werden, können es aber und das wäre natürlich besser und die Tatsache, daß der Rat von den vormaligen Aktien-, jetzigen „Mitarbeitergesellschaften“ (Ota Sik) dominiert sein wird, macht die Einigung sogar wahrscheinlich. Ich habe diesem Rat auch Einspruchsmöglichkeiten gegen das Proportionswahlergebnis zugesprochen, im Fall daß er sagt „Das läßt sich nicht (so schnell) realisieren“, hier müßte aber noch geklärt werden, wie das im Detail aussehen soll. In die Parlamente indes - die das ökonomische Wahlergebis so, wie es ist und auch vom ökonomischen Rat hingenommen wurde, einfach zu übernehmen haben - würde der Rat ansonsten nicht hineinregieren können.
Haben wir irgendwo Differenzen?
"Wenn das so sein soll, dann müssen wir uns überlegen, ob es ausreicht, unsere Hoffnungen und Strebungen alleine auf die Parlamente zu richten. Ich meine Nein, es muss dazu Organisationsformen geben, die das Wollen der ganzen Gesellschaft und aller ihrer Glieder widerspiegeln und ihm Raum zur Artikulation und Durchsetzung geben - das könnten dann die Räte sein."
Zuerst die Zielvorstellung zu entwickeln, halte ich schon für wesentlich, um nicht im entscheidenden Moment vor einem Scherbenhaufen konkurrierender Einflussgremien zu stehen. Und für diese Zielvorstellung sehe ich im Zusamenhang mit dem Rätemodell bisher nur ein paar sehr allgemeine Bestimmungen, aber kein wirkliches Konzept (z.B. über Entscheidungswege), auch bei Jäger nicht.
Man kann ja durchaus den Parlamentarismus verbessern, ausdehnen, direktere Formen integrieren etc. Bürgerinitiativen und Bürgerentscheide gibt es im übrigen ja jetzt auch schon. Parlamente gibt es nicht nur ganz oben, sondern auf den verschiedenen Ebenen bis hinunter zum Gemeindeparlament. Das alles gibt schon Stoff für Kontroversen (z.B. Streit über Zuständigkeiten) genug.
Angenommen, es gibt auf oberster Ebene - sei es nach Jägerschen Proportionswahlen oder auf anderem Wege - eine mehrheitliche Entscheidung für einen verstärkten Ausbau des Schienennetzes und für eine drastische Reduktion der Automobilproduktion. Welcher Rat (im Sinne des Räte-Modells) soll nun, auf Basis welcher Mitgliedschaft, welche weiteren Einflussmöglichkeiten haben? Arbeiterräte aus der Autoindustrie halten die Entscheidung möglicherweise für überzogen, wollen keine so starke Reduktion. Die Kommunen finden die Zielrichtung vielleicht ok, aber etliche lokale Räte in ländlichen Gebieten sind aus Gründen des Naturschutzes gegen zusätzliche Schienentrassen, zumal man die bereits vorhandenen Straßen ohnehin weiter benötige. Die Konstellation könnte auch umgekehrt sein: die Gemeinde ist dagegen, aber eine Aktivistengruppe ist dafür. Man bekommt ein Durcheinander von Vorstellungen über die allgemeinen und / oder lokalen Prioritäten.
Das sind nur ein paar plastische Beispiele, die verdeutlichen sollen: wer entscheidet denn letztendlich? Wenn die Initiativgruppen oder Räte oder wie immer man diese Aktivisten nun nennen will, wenn diese also keinen gesellschaftlich festgeschriebenen Weg der Einflussnahme haben - also keine Institutionen sind -, dann hätten sie nur einen Status wie heute eine Bürgerinitiative. In diesem Fall brauchen wir uns aber über Formen nicht lange unterhalten, denn dann kommt es nur auf die neuen künftigen Inhalte solcher Initiativen an. Dann entscheiden eben die gemäß Verfassung offiziellen Gremien, es sei denn, Bürgerentscheide können im Einzelfall eine Entscheidung überstimmen.
Soll die Sache mit den Räten aber mehr sein als eine Umbenennung von Initiativgruppen, dann entsteht natürlich eine Konkurrenz zum Parlamentarismus und dessen Entscheidungsgremien. Könnte z.B. ein Rat ein Gemeindeparlament überstimmen? Mit welchem Recht? Dabei würde eine Rolle spielen: wer darf überhaupt stimmberechtigtes Mitglied des Rates sein? Auch Menschen, die nicht in der Gemeinde gemeldet sind? Von wem sind die Abstimmungsregeln festgelegt? Sind diese für alle Räte verbindlich und einheitlich? Was ist, wenn ein Rat ein Konzept hat, gegen das sich jedoch eine andere Bürgerinitiative wendet? Könnte im Extremfall ein Rat mit anti-sozialistischen Positionen gegen mehrheitlich sozialistische Parlamente punkten? Dann wirds endgültig kompliziert.
Man sieht, wie schnell man zu konkurrierenden Einflussgremien kommen kann, wenn man die Zielkonstruktion nicht klar definiert. Man hat dann plötzlich einen „Staat im Staate“, um es mal mit einem traditionellen Bild zu bezeichnen. Einem solchen Chaos sollte man nun wirklich keine Gesellschaft aussetzen, erst recht nicht in einer Umbruchsphase.
Sie und Mattis haben mit ihren Einwänden Recht! Es wird darum gehen, den Räten einen Platz zuzuweisen, der sie einbindet in ein System der gesellschaftlichen Diskussion und demokratischen Beschlussfassung. Im Moment laufen meine Überlegungen darauf hinaus, dass die Räte eine institutionalisierte Einrichtung mit Verfassungsrang sein könnten und die Parlamente auf den unterschiedlichen Ebenen verpflichtet wäre, die Vorschläge und Beschlussvorlagen der Räte in ihre Debatten und Abstimmungen mit ein zu beziehen. Das ähnelt dann schon sehr dem, was Gramsci in seinem Artikel aus dem Jahr 1920 in Ordine Nuovo geschrieben hat.
Es könnte sich, da ein solches System institutionalisiert sein müsste, um eine Art Zweikammersystem handeln, ähnlich wie es heute in größeren Gemeinden existiert, in dem es verschiedene Orts- oder Bezirksräte gibt, deren Vorlagen der Gemeinde- oder Stadtrat in seiner Beschlussfassung berücksichtigen muss. Allerdings geht es dann auch darum, dem Wirken der Räte ein größeres Gewicht zu geben (als nur das Recht, seine zuvor gefassten Beschlüsse vortragen zu dürfen und gehört zu werden) - also ein größeres Gewicht als die heutigen Orts- oder Bezirksräte haben.
Werter MaxundMoriz,
Sie sind seit 11/2015 angemeldet, wobei ich natürlich nicht weiß, ob Sie nicht bereits Jahre hier gelesen haben.
Anknüpfend zu M.J. haben Sie nun einen eigenen Beitrag mit Rätedemokratie 1 verfasst. Dagegen habe ich natürlich absolut nichts einzuwenden, aber ich möchte zumindest darauf hinweisen, dass es nicht der Wirkmächtigkeit in der Gesellschaft dienlich ist, wenn Sie wie auch M. Jäger jeweils eigene Konzepte entwickeln, wenn es doch bereits qualitative und auf Basis unseres GG aufbauende Konzepte realisiert sind, auf die sich zurückgreifen ließe. Auf dieses Konzept, das nicht "auf meinen Mist gewachsen ist", möchte ich Sie gerne hinweisen.
Mit Skizzen einer erneuerten Demokratie hatten sich bereits 2012 einige Mitstreiter mit dem Thema beschäftigt, auf der Grundlage der Ideen von Prof. Dr. Johannes Heinrichs.
Hier die Kurzfassung seines Konzepts
und hier etwas ausführlicher.
Vielleicht können Sie dem ja etwas abgewinnen.
An dem von Ihnen favorisierten Ansatz kann ich schon deshalb nicht mitgehen, weil er nicht nur eine politische Entscheidungsstruktur zum Inhalt hat, sondern zugleich auch bestimmte Verkehrsformen der Ökonomie festschreibt, die mir fernliegen.
Die oben genannte Kurzfassung ("vier Herzkammern") sieht für die Ökonomie u.a. vor:
"Wirtschafts-Kammer: für die rechtliche Gestaltung der wirtschaftlichen Basis, für die Gewährleistung eines möglichst „freien“ Marktes, der jetzt durch Monopole (besonders Boden und sich selbst vermehrendes Kapital sowie Kartellbildung) völlig verzerrt wird."
Ihr Link zur Debatte in 2012 desgleichen:
"Keine Transaktionen mehr zuzulassen, denen keine Waren- und Dienstleistungsgeschäfte zugrunde liegen bzw. nicht der Währungsabsicherung dienen."
Also ansonsten kapitalistische Form der Produktion und der Dienstleistungen, Konkurrenz der Warenbesitzer und der Arbeitskräfte gegeneinander und untereinander, da hilft dann auch kein Grundwerte-Parlament.
Da steckt wie so oft eine sehr kurzsichtige Kapitalismus-"Kritik" drin, die sich nur an den Extremen stört, aber nicht grundsätzlich am System einer Waren produzierenden Ökonomie. Aber dieses Prinzip, weitgehend autonome Wirtschaftssubjekte suchen Erfolg am Markt gegen Konkurrenten, ist ja verantwortlich für fast alle schädlichen Phänomene, die heute zu beklagen sind. Das wird nicht erkannt und das führt deshalb zu untauglichen Alternativ-Konzepten.
Dann aber auch das ganze zitieren: "Das Wirtschaftsleben muss eine relative Eigengesetzlichkeit behalten, jedoch nicht länger das gesamte Gemeinwesen scheinbar naturwüchsig beherrschen. Es muss die Wert-Vorgaben der übergeordneten Parlamente verbindlich berücksichtigen. So kommt es zu einer dem Gemeinwesen dienenden, statt es beherrschenden Wirtschaft, erstmals zu einer Wirtschafts-Demokratie."
Es ist ein "Schnappschuss" aus seinen Texten. An dieser Stelle (Wirtschaftsparlament) ließen sich "utopische" Varianten neuer Wirtschaftskonzepte denken, wie die von M. Jäger.
Bin zwar Freitag-Leser der ersten Stunde, aber Teilnehmer an der Community bin ich erst seit 11/2015, habe bis dahin auch nichts dort gelesen.
Werde mich zunächst den von Ihnen verlinkten Texten von Prof. Heinrichs und weiteren anderen widmen, bevor ich mit meinem Text weiter mache (der in den Grundzügen schon steht). Lasse mir damit auch etwas Zeit, habe nämlich, obzwar Empfänger des bedingungslosen Grundeinkommens (für Alte), auch noch 'ne Menge anderer Dinge zu tun.
Kommt ganz auf die "Wertvorgaben" an. Aber wenn der Markt zu den Werten dazugehört, bin ich nicht dabei. Da nützen dann alle Beteuerungen der Gemeinschafts-Dienlichkeit nichts, weil man dann nicht verstanden hat, der der Markt einen Gegensatz der ökonomischen Subjekte zum Prinzip hat. Keine Form der Marktwirtschaft hat irgendetwas mit gemeinschaftlichem Produzieren zu tun. Auf dem Markt gegeneinander anzutreten ist eben was anderes als sich die gesellschaftliche Arbeit und deren Früchte zu teilen.
Wettbewerb kann völlig anders aussehen, der nicht mit Untergang von Firmen und Verlust der Arbeit enden muss. Ich nenne es mal den spielerischen Aspekt im Miteinander und nicht Gegeneinander: Schwerpunkt als Kooperation.
Markt jetzt verstanden als Raum der bekannten Daten von Bedarf (Konsument) und Produktion. Produktion dann nicht mehr mit Kapitalgesellschaften, klassischen Finanzinstituten zur Finanzierung, sondern neuen, kollektiven (Mit)Eigentumsformen. Als ein Muster kann die Genossenschaft dienen.
"(..) auch noch 'ne Menge anderer Dinge zu tun."
Das kann ich gut nachvollziehen und betrifft wohl jeden mehr oder weniger hier, der Zeit für das Bloggen aufwendet zumal, wenn man sich in manche Themen intensiver einarbeiten möchte.
"Markt jetzt verstanden als Raum der bekannten Daten von Bedarf (Konsument) und Produktion. Produktion dann nicht mehr mit Kapitalgesellschaften, klassischen Finanzinstituten zur Finanzierung, sondern neuen, kollektiven (Mit)Eigentumsformen. Als ein Muster kann die Genossenschaft dienen."
Seit wann ist die Ökonomie der Genossenschaften spielerisch? Auch die Genossenschaften stehen in Konkurrenz zueinander. Auch sie suchen Preisvorteile durch erweiterte Reproduktion etc. und machen dadurch den kleineren Genossenschaften das Überleben schwer. Und müssen entlassen, wenn die Krise kommt, etc.
Also fast alles wie gehabt. Und das soll jetzt die Lösung sein? Ein Kapitalismus von Kollektiven statt von Einzelunternehmern?
Nehmen Sie einen Bienenstock als Vergleich, aber ohne Königin. Die Königin wäre das ideele Konstrukt.
Ach ja diese Natur-Vergleiche. Aber die Perspektive als Arbeits- oder Soldatenbiene wär jetzt nicht meins, viel zu kollektivistisch. Im Bienenstock hätte ich jedenfalls nichts gegen die Königin, wenn ich die Drohne sein dürfte.