Musik aus der Ukraine - Teil 4

Die nächsten drei Bands Nachdem Wilfried mit Teil 3 aus dem Exil gegrüßt hat, geht es hier mit drei weiteren, sehr unterschiedlichen Bands weiter.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Weiter gehte es mit der kleinen Reise in die Welt der Rockmusik in der Ukraine. Die drei folgenden Bands sind alle in verschiedenen Genres zuhause, haben aber gemeinsam, dass sie eher jenseits des Mainstreams angesiedelt sind, und sie stehen natürlich auch für verschiedene Ecken meines Musikgeschmacks!

.

Dobro ist ein Studio-Projekt aus Kyiv, bei dem auch immer mal wechselnd Musiker aus anderen Kollektiven mitwirken. Los geht es mit "Dobrohot". Der Text ist vor allem eine Wortspielerei rund um den Bandnamen (das Wort "dobre" [добре] heißt in ukrainischer und russischer Sprache so etwas wie "gut"):

Eingebetteter Medieninhalt

Als zweiten Titel der Band haben wir hier etwas ganz anderes. Die Sängerin ist eine Gastmusikerin, sie heißt Olha Chirkova und singt normalerweise bei der Band Ti, schcho padayut' vhoru (die, die nach oben fallen). Ich mag diese fast schon brutale Langsamkeit, mit der sich das Lied laut im Kopfhörer gehört so richtig in die Eingeweiden brennt:

Eingebetteter Medieninhalt

Der Text ist etwas experimentell-poetisch, ich habe mich mal an einer Übersetzung versucht:

Überall Stille,
Nichts rührt die Luft,
Wenn es eine Brise gäbe,
Es würde für mich riechen wie Regen...
Ich würde hören, ich würde fühlen
Den Herzschlag der Blume...

Refrain:
Die Smaragde ihrer Blütenblätter locken,
Der wilde Körper, durstig nach Sonne, ergötzt mich -
So lebt diese Wunderblume - meine liebe -
Solch eine zarte Kraft in dieser Wildheit...

Kleines Blütenblatt
Biegt sein Körperchen,
Stark und leicht
Lockt, verzaubert...
Mir ist, als erklingt
Der Herzschlag der Blume...

Refrain:
Die Smaragde ihrer Blütenblätter locken,
Der wilde Körper, durstig nach Sonne, erfreut mich -
So lebt diese Wunderblume - meine liebe -
Solch eine zarte Kraft in dieser Wildheit...

.

Vivienne Mort ist in den letzten zwei Jahren recht bekannt geworden. Die Band ist im Grunde ein Projekt der Sängerin, Daniela Sajuschkina, die auch sämtliche Lieder und Texte schreibt. Die Band bezeichnet ihren Stil als "Indie Rock", das kann ich aber beim besten Willen nicht erkennen, es handelt sich aus meiner Sicht eher um eine Art Chanson-Rock - der aber richtig gut gemacht ist. Bei den Liedern geht es meist um "das übliche" - Liebe und Beziehungen, aber auf wirklich schön lyrische und dabei nicht kitschige Art. Die ersten drei Alben sind wirklich großartig, das letzte hat mich leider nicht mehr ganz so beeindruckt. Daniela hat übrigens einen kleinen Sprachfehler, der bei Interviews gut zu hören ist, der aber, wenn sie singt, vollkommen verschwindet. Singen befreit Körper und Seele, und wir können das Resultat genießen!

Das erste Lied, das ich von Vivienne Mort kannte und durch das ich mich in sie verliebte, ist "Slidy malenkykh ruk" (Spuren kleiner Hände, das bezieht sich auf eine Phrase im Refrain: "zeig mir Deine Kindheitsphotos und Spuren Deiner kleinen Hände"):

Eingebetteter Medieninhalt

Generell sind die meisten Lieder der Band sehr klavierlastig. Von "Holubka" (Täubchen) gibt es eine Version, wo sie nur zum Klavier singt, die ich ganz zauberhaft finde. Im Text geht es um den Zustand nach einer Trennung (Bonsoir, ich bin Deine Einsamkeit, willst Du? Ich umarme Dich!), nichts weltbewegendes, aber doch schön gemacht. Und ihr Gesang hat was.

Eingebetteter Medieninhalt

Und weil es gerade so schön ist, habe ich hier auch noch ein drittes Lied: Mariula.

Eingebetteter Medieninhalt

Hier ist die Übersetzung des Textes:

Mariula weinte
weil sie keine Kinder wollte
denn sie war noch klein

Ach, was soll ich mit Kindern?
Ich würde weiter, weiter
Leben
Spazieren
Ich würde keine Sorgen kennen

Die Großmutter weinte
Der Großvater weinte, es weinte der Kater
Der Winter weinte

Oh, junge Erde
Ich gehe bis an Deinen Rand
Dass Du mich nähmest
Verstecktest
Als ob ich nicht da wäre.

Schnee bedeckt
Tiergräber im Wald.
Und die Rentiere waren stehen geblieben, die Köpfe gesenkt
Zu Mariulas Füßen.

Die Vögel wiesen den Weg,
Ihre müde Füße nicht beachtend ging sie weiter und fand
eine Wiege aus Weide.

.

Orlower stehen für Progressive Rock aus Lviv . Von der Band sind mir bisher nur zwei Lieder bekannt, mehr konnte ich weder auf ihrer Soundcloud-Seite noch auf youtube finden, aber diese beiden Lieder haben einen Stammplatz in fast allen meinen Playlists. Ob Orlower überhaupt noch als Band existiert, ist mir auch nicht klar, ich habe praktisch seit der Veröffentlichung der beiden Lieder nichts mehr von ihnen gehört oder gelesen.

Das erste der beiden Lieder ist "Sam na sam" (unter vier Augen) und wurde 2017 veröffentlicht:

Eingebetteter Medieninhalt

Etwas später im selben Jahr kam "Prysmak pustoji rosmovy" (Beigeschmack einer leeren Konversation):

Eingebetteter Medieninhalt

.

.

Musik aus der Ukraine, bisher erschienen:

1. Ukrainische Musik - Hunde im Kosmos von Wilfried Jonas

2. Musik aus der Ukraine - Teil 2 von mbert

3. Ukrainische Musik - Grüße aus dem Exil von Wilfried Jonas

4. Musik aus der Ukraine - Teil 4 von mbert

5. Musik aus der Ukraine - Dütt und dat von Wilfried Jonas

6. Musik aus der Ukraine - Teil 6 - Was mit Jazz von mbert

7. Musik aus der Ukraine - Teil 7 - Folk-Metal und Folkrock aus der Ukraine von Wilfried Jonas

8. Musik aus der Ukraine - Teil 8 - Quer durch den Garten von mbert

9. Musik aus der Ukraine - Teil 9 - alles neu: Coverversionen von mbert

10. Musik aus der Ukraine - Teil 10 - Fajne Videos von mbert

11. Musik aus der Ukraine - Teil 11 - Alte Säcke von mbert

12. Musik aus der Ukraine - Teil 12 - Frauenpower von mbert

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

mbert

Ukraine, Musik

mbert

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden