Musik aus der Ukraine - Teil 8

Quer durch den Garten Nach zwei "Specials" (Jazz und Folk-Metal) geht es heute wieder etwas querbeet mit ein paar weiteren Lieblingstiteln aus verschiedenen Genres.

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Wilfried Jonas hat ja in seiner letzten Folge "Folk-Metal und Folkrock aus der Ukraine" ein dort sehr populäres Genre angeschnitten und darauf verwiesen, dass (so die Angefahrenen Schulkinder) Jazz keine gute Fickmusik sei, also wollen wir uns ganz schnell wieder anderen Stilrichtungen zuwenden, die von diesem Makel frei sind :)

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Гич Оркестр (Hych Orchester) aus Lviv machen heute den Anfang. Der Name (hych - Schluckauf) deutet schon an, dass hier nicht alles so ganz bierernst gemeint sein soll, und entsprechend weiß man bei ihren Titeln oft nicht ganz, was jetzt eigentlich ernst und was ironisch gemeint ist. Kopf der Band ist Sänger und Gitarrist Мар’ян Пирожок (Mar'yan Pryrozhok), der in seiner Heimatstadt auch als Künstler einige Bekanntheit hat. Die Band selber ist tatsächlich so ein kleines Orchester mit Streichern und Bläsern.

Das erste Lied, Тінь...день...сум... (Tin'... denn'... sum... - Schatten, Tag, Kummer), ist eine Vertonung eines Gedichst von Wolodymyr Sosjura und erschien im ersten Album der Band:

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Auf keinem Konzert fehlen darf Любіть УкраЇну (Lyubit' Ukrajinu - liebt die Ukraine), ebenfalls Vertonung eines Gedichts von Wolodymyr Sosjura von 1944. Sosjura riskierte damals eine Balance zwischen ukrainischem Patriotismus und einem Loblied auf die Modernisierung des Landes (unter sowjetischem Regime natürlich), was angesichts der Kriegssituation damals von oben gebilligt wurde. Mit dem Gedicht sind so einige Schüler traktiert worden, was wohl der Anlass dazu war, dass Гич mit einer eher parodistischen Interpretation herauskamen, die eine Mischung aus der Melodie von "The house of the rising sun" und einem Melodiefragment aus einem Italowestern von Sergio Leone ist:

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Im letzten Album Під маркою Івана Яковича (Pid markoyu Ivana Yakovycha), wo sie Texte, die der Dichter Ivan Franko übersetzt hat, veröffentlichten, erschien als ein Beitrag in deutscher Sprache (Franko hatte auch Texte in die deutsche Sprache übersetzt) folgendes:

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Tik Tu sind eine weitere junge Band aus der Westukraine. Die Band ist das neue Projekt des Schlagzeugers einer "Polka-Punk"-Band, Los Colorados, die Wilfried schon vorgestellt hatte. Der Stil ist hier freilich ein ganz anderer, es handelt sich um eine Art Clubmusik, sehr elektroniklastig, die aber auf ihre Art sehr originell und nicht zu meinstreamig klingt.

Hier ist Коники (Konyky - Pferdchen), eine Studio-Liveeinspielung:

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Etwas weniger glatt ist Підводна (Pidvodna - unterwasser):

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Bei Планида (Planyda - Schicksal) darf sich Sängerin Natalka Bahrij ein wenig als Multiinstrumentalistin zeigen, etwas spacig und sehr schön:

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Schließlich haben wir noch Котку (Kotku - Katerchen), das Video spricht für sich:

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Гайдамаки (Hajdamaky) gehören zu den "Klassikern" unter den ukrainischen Rockbands. Die Band wurde 1991 gegründet und sie spielt etwas, was sie selber als "Kosakenrock" bezeichnet. Das Ganze ist sehr festivaltauglich, weshalb man sie auch schon außerhalb der Ukraine oft sehen und hören konnte. Die Band lebte vor allem von der Spannung zwischen ihrer ausgezeichneten Instrumentalsektion und dem charismatischen Sänger Oleksandr Yarmola. Wie so oft ging das aber auf Dauer nicht gut, und 2012 trennte sich Yarmola von einem Großteil der Band und besetzte sie neu, was der Qualität des Resultats leider nicht gut tat. Die alten Sachen sind aber großartig, und ich will hier ein paar davon vorstellen.

Das Lied Листопад (November) ist einfach nur guter Rock mit einem leichten Reggae-Einschlag:

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Немає Хліба (Nemaya Khliba - [hast Du] kein Brot) ist eine gute Abgehnummer zum Pogen:

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Під Облачком (Pid Oblachkom - unterm Fenster) ist ein altes Lemken-Volkslied. Diese gefühlvoll inszenierte akustische Aufnahme ist ein schönes Gegenbeispiel zum "Haudrauf"-Stil anderer Nummern:

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Der Text ist wunderschön, und er enthält dieses typische Element des Fatalismus, das in der alten Volkskultur immer wieder anzutreffen ist. Hier ist meine Übersetzung des Textes (des Originals, Hajdamaky haben ihn in ihrer Aufnahme etwas durcheinander gebracht):

Unter dem Fenster steht ein gebogener Ahornbaum
Auf ihm sitzt ein entzückender Vogel.
Hörst Du, Liebste, wie dieser Vogel singt,
dass aus Liebe nichts gutes kommt,
dass aus Liebe, dass aus Liebe
nichts gutes kommt.

Ist diese Liebe von Gott gegeben
Oder hat sie mir der Teufel eingeflüstert?
Aber ob Du willst oder nicht, Du musst lieben,
auch wenn Du dadurch leiden musst.
Aber ob Du willst oder nicht, ob Du willst oder nicht,
auch wenn Du dadurch leiden musst.

Liebste, Liebste, Du bist meine Versuchung
Ich habe Dich geliebt, nicht nur ein oder zwei Jahre.
Hast Du mir einen Zaubertrank gegeben?
Ich kann nicht, Liebste, ohne Dich leben.
Ich kann nicht, Liebste, ich kann nicht, Liebste,
ohne Dich leben.

Mir hat eine Wahrsagerin vorhergesagt,
Dass mir ein Mädchen mit schwarzen Brauen¹ den Verstand rauben wird
Dass sie mir den Kopf verdrehen wird,
und so meine jungen Jahre vergehen werden.
So meine jungen Jahre, so meine jungen Jahre
vergehen werden.

Unter dem Fenster grünt der Ahorn,
Hörst Du, Liebste, wie dieser Wind ihn schüttelt,
Er wird ihn vielleicht entwurzeln,
Meine Liebste, was wird nur aus uns?
Meine Liebste, meine Liebste,
was wird nur aus uns?

¹ Schwarze Brauen - in der traditionellen ukrainischen Kultur ein Synonym für weibliche Schönheit.

Als letztes haben wir noch eine Kooperation mit dem polnischen Kollektiv Voo Voo. Das Lied heißt "Babilon System" und ist - wenig überraschend - ein Reggae. Im Text, abwechselnd polnisch und ukrainisch, geht es auf allen möglichen verschiedenen Ebenen um das Niederreißen von Fremdherrschaft und das Überwinden von Grenzen (oj, wieviele Flüsse müssen wir noch überqueren?). Dabei wird auch Bezug genommen auf alte Konflikte zwischen Polen und Ukrainern (Hajdamaken-Aufstände) und darauf, dass sie, Ukrainer und Polen, nun gemeinsam auf der Bühne stehen. Wem das alles zu verkopft ist, der lehne sich einfach zurück und genieße die großartige Musik:

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Musik aus der Ukraine, bisher erschienen:

1. Ukrainische Musik - Hunde im Kosmos von Wilfried Jonas

2. Musik aus der Ukraine - Teil 2 von mbert

3. Ukrainische Musik - Grüße aus dem Exil von Wilfried Jonas

4. Musik aus der Ukraine - Teil 4 von mbert

5. Musik aus der Ukraine - Dütt und dat von Wilfried Jonas

6. Musik aus der Ukraine - Teil 6 - Was mit Jazz von mbert

7. Musik aus der Ukraine - Teil 7 - Folk-Metal und Folkrock aus der Ukraine von Wilfried Jonas

8. Musik aus der Ukraine - Teil 8 - Quer durch den Garten von mbert

9. Musik aus der Ukraine - Teil 9 - alles neu: Coverversionen von mbert

10. Musik aus der Ukraine - Teil 10 - Fajne Videos von mbert

11. Musik aus der Ukraine - Teil 11 - Alte Säcke von mbert

12. Musik aus der Ukraine - Teil 12 - Frauenpower von mbert

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mbert

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