Der Einflüsterer

Satire Gipfel Gibt es rechtes Kabarett? Angesichts des ARD- „Satire Gipfels“ muss man diese Frage ernsthaft stellen.

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Wie das große ZDF-Pendant „Neues aus der Anstalt“ geht die Veranstaltung allmonatlich auf Sendung. Produziert wird sie seit 2011 gemeinsam vom RBB und vom WDR. Seit dieser Zeit wird sie auch präsentiert von Dieter Nuhr, einem hochdekorierten deutschen Kleinkünstler mit Staatsexamen auf Lehramt für Kunstpädagogik und Geschichte.

Führt man sich vor Augen, dass der „Satire Gipfel“ der direkte Nachfolger eines anderen Dieters, nämlich des Hildebrandt'schen „Scheibenwischers“ ist, staunt man nicht schlecht über das Ergebnis dieser Metamorphose eines öffentlich-rechtlichen Satireflaggschiffs. 2003 verließ Hildebrandt aus Altersgründen die Sendung, die er mit aus der Taufe gehoben hatte und selbst 23 Jahre aktiv auf der Bühne gestaltete. Und über die Hans Mayer einmal sagte: „Wenn Sie das Wort „Scheibenwischer“ genau untersuchen, so ist also doch da ein Bemühen spürbar, dass der Dreck weggewischt wird, dass man klare Sicht bekommt, dass man Licht bekommt, das Licht der Aufklärung, und dass der Dreck der Klischees weggewischt wird.

Nach dem Weggang Dieter Hildebrandts wurde zunächst erst einmal die Sendezeit auf 30 Minuten verkürzt und die Ausstrahlung ins Spätprogramm verlegt. 2006 verließ Georg Schramm die Sendung, 2008 folgte Bruno Jonas. Als der Kabarettist und letzte Moderator des Scheibenwischers, Matthias Riechling, 2009 ankündigte, auch sogenannte Comedians in der Sendung auftreten zu lassen, verbot Hildebrandt die Verwendung des Titels „Scheibenwischer“. Produziert wurde die Sendung inzwischen auch nicht mehr vom SFB (den gab es nicht mehr), sondern vom neugegründeten RBB (Fusion von SFB und ORB Mai 2003), zusammen mit dem BR, seit 2009 statt jenem dann mit dem WDR.

Inzwischen also wurde das Flaggschiff vollständig abgewrackt. Anders kann man es nicht nennen, wenn man den (in der nunmehr wieder 45-minütigen Sendung) großen Raum einnehmenden Moderationen Dieter Nuhrs zwischen den auftretenden Gästen aus Kabarett und sogenannter Comedy lauscht. Dieter Nuhr ist gewissermaßen der Mario Barth für Besserverdienende. Politische Schärfe und Aufklärung im Kant'schen Sinne waren nie sein Ding; eher so etwas wie "gehobener Stammtisch" - eine Mischung aus „fast Euch mal an die eigene Nase, bevor Ihr mit dem System unzufrieden seid“ und „so schlimm ist es doch gar nicht“. Vornehmlich trägt er all dies in zurückhaltend-säuselndem Ton und mit der Attitüde eines Westentaschenmephisto vor. Richtig politisch wird es nur, wenn es gegen „Linke“ oder „Ökos“ geht. Oder gegen den Islam. (Sein derzeit bevorzugtes Hassobjekt scheinen Vegetarier zu sein, wie der bekennende Fleisch-Esser nicht müde wird zu betonen.) Um in conclusio mit flüsterigem Charme an etwas zu appellieren, was der latente 'Mittelschichts-Nazi' für gesunden Menschenverstand hält. Das scheint durchaus anzukommen. Aber ist es auch Kabarett?

Subversive, ätzende Hildebrandt'sche Aufklärung voller Frische, Geist und Witz wurde hier also im Laufe der Jahre „ersetzt“ durch nebulöse Stimulation und Reaktivierung eines dumpfen Volksempfindens. Subversivität, Mut, kritisches Bewusstsein gegen Selbstreferenzialität und saturierten, besitzstandswahrenden, falschen Nationalstolz. Subversiv bei dieser Sendung ist einzig die durch alle Ritzen quillende und dergestalt sedierend wirkende, nationalistisch verbrämte Ideologie des Neoliberalismus/Neokonservatismus. Wenn für Kabarett als grundlegendes Kriterium gilt, dass es die mit satirischen Mitteln vorgetragene und dargestellte Gesellschaftskritik (die der Beherrschten) ist, dann ist rechtes Kabarett eine contradictio in eo ipso, ein Widerspruch in sich.

Die Vorstellung, dass in den Redaktionen der Öffentlich-Rechtlichen inzwischen Einflüsse und Personen herrschen, denen es das größte Vergnügen bereiten muss, einen derartig dreisten Etikettenschwindel als politische Satire zu verbreiten, fällt nicht besonders schwer angesichts dieses Fromats. Dieser Vorgang reiht sich ein in das eben statt findende 'Große Internationale Neoliberale Sack-Zu-Machen' auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens. Ein islamophober, intellektuellenfeindlicher Linken-Fresser und Schein-Kabarettist wie Dieter Nuhr ist da gerade der rechte Moderator.

Nun steht in dieser Sendung Dieter Nuhr nicht allein auf der Bühne. Es treten eine Reihe von Gästen auf, darunter tatsächliche Kabarettisten wie zum Beispiel Wilfried Schmickler, Max Uthoff oder Dauer-Gast Andreas Rebers (Es treten aber interessanterweise auch einige niemals dort auf, wie z.B. Georg Schramm oder Volker Pispers). Der Effekt ist der gleiche, wie wenn Jakob Augstein etwa seine Kolumnen in der BILD veröffentlichen würde: Die dort auftretenden Kabarett-Kolleginnen und -Kollegen sind die eingebettete Legitimation für den in aller Öffentlichkeit stattfindenden Betrug.

Gewiss ist unter den herrschenden Verhältnissen und Abhängigkeiten ein Künstler auch immer eine Art Prostituierte. Jedoch sollte man nicht vergessen, dass es möglicherweise auch so etwas wie eine Huren-Ehre gibt. Diejenigen, die meinen, sie kämen ohne Auftritte beim "Satire Gipfel" nicht aus, sollten wissen, dass sie ihre eigenen, engagierten, politischen Aussagen auf diese Weise relativieren, wenn nicht gar korrumpieren lassen - ob sie es persönlich nun so sehen oder nicht. Nicht jeder Kabarettist kann so konsequent sein wie beispielsweise ein Georg Schramm, sicherlich. Das heißt aber im Umkehrschluss nicht, dass die Alternative eine widerstandslose Beliebigkeit in der Haltung auch an solchen Punkten der Verlockung sein muss. Als so Handelnder führt man sich und seine Aussagen - mit dem eigenen Auftritt und angesichts eines daneben sitzenden, süffisant lächelnden Dieter Nuhr - nämlich selbst ab absurdum.

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