Eine Erinnerung. Nachlese 01.

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Bundespräsident Köhler wurde am 11. März 2010 auf Grund seiner Rede in Winnenden am selben Tag medial umfassend kolportiert mit seiner angeblich geäußerten Forderung nach einem schärferen Waffengesetz. Köhler sagte u.a.: „ Es kann auch viel geschehen -noch mehr als bisher- damit gefährdete Menschen nicht an Schusswaffen gelangen und Schulen und ähnliche Orte noch besser vor Anschlägen geschützt sind.“ Vorher, an anderer Stelle in dieser Rede, sagte er: „Ich denke, der von der Landesregierung eingesetzte Arbeitskreis, Herr Ministerpräsident, hat einen guten Bericht gemacht. Und die Empfehlungen des baden-württembergischen Landtags sind fundiert.“

Zumindest diese Kolportage bedarf einer dringenden Korrektur. Damit das, was Horst K. einvernehmlich medial zugeschrieben wird, eine reale Chance hat. Vernünftigerweise.

„Ein Affront gegen die Eltern der Opfer“ titelt die Rems-Murr-Rundschau am 12. März 2010

Vollständiges Zitat daraus (kursiv):

Der Landtag hat am Jahrestag des Amoklaufs ein Programm zur Gewaltprävention an den Schulen beschlossen.

Von unserem Redaktionsmitglied Martin Winterling Stuttgart/Winnenden.

„Taktlos“ haben Eltern den Termin der gestrigen Landtagssitzung empfunden. Ausgerechnet auf den Jahrestag des Amoklaufs vom 11. März 2009, an dem ihre Kinder ermordet worden waren, hat das Parlament die Aussprache über die Empfehlungen des Amok-Sonderausschusses angesetzt.

Einstimmig hat der Landtag gestern die Ergebnisse des zehn Monate tagenden Ausschusses gebilligt und die Einstellung von 30 Schulpsychologen bereits zu Beginn des Schuljahres 2010/2011 beschlossen. Die Einmütigkeit, mit der die vier Fraktionen für die Empfehlungen des Sonderausschusses „Konsequenzen aus dem Amoklauf in Winnenden und Wendlingen – Jugendgefährdung und Jugendgewalt“ stimmten, überdeckt jedoch die Kontroversen, die während der Sitzung und nun in der Aussprache im Landtag zutage traten.

Der Ausschuss, so sein Vorsitzender Christoph Palm (CDU), war auf Konsens angelegt. Er sollte jenseits des politischen Alltags und des parteipolitischen Kalküls nach Lösungen suchen, mit denen in Zukunft das Risiko von Amokläufen verringert werden könnte. Lang- und mittelfristig geeignete Mittel seien Prävention und Früherkennung.

Kurzfristig wäre jedoch auch eine Verschärfung des Waffenrechts notwendig gewesen, sagten einige Eltern der beim Amoklauf getöteten Kinder nach der Sitzung des Landtags. Kein Verständnis hatten die Eltern, die im Ausschuss aktiv mitgearbeitet haben, dass die Sitzung ausgerechnet auf den 11. März um 14 Uhr terminiert wurde. Am Tag der Gedenkstunde in Winnenden, die um 12 Uhr endete. Ein Tag der persönlichen Trauer, den sie gern mit Verwandten und Freunden verbracht hätten. Einer Mutter drängte sich vor diesem Hintergrund auf, dass die Eltern bei der abschließenden Sitzung des Landtags gar nicht erwünscht waren. Gerade deshalb sei sie gekommen. Aus Trotz.

An der Untätigkeit und dem Unwillen der Mehrheit des Sonderausschusses, großkalibrige Waffen wirksam aus der Öffentlichkeit zu verbannen, hatte das `Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden – Stiftung gegen Gewalt an Schulen` seine Kritik an den Ergebnissen des Amokausschusses festgemacht. „Die empfohlenen Maßnahmen, die in weiten Teilen zu begrüßen sind, lassen aber dennoch einige Fragen offen“, hieß es in einer Pressemitteilung zugespitzt. Die Waffenlobby sei in unseren Parlamenten wohl tief verwurzelt.

Über die Frage, großkalibrige Waffen und IPSC-Schießen zu verbieten, gehen im Landtag die Meinungen zwischen SPD auf der einen und der Regierungskoalition aus CDU und FDP auf der anderen Seite weit auseinander. In Sachen Waffenrecht beschränkte sich der Sonderausschuss auf die Empfehlungen, das nach dem Amoklauf verschärfte Waffenrecht auf seine Wirksamkeit zu überprüfen, sagte der Ausschussvorsitzende Christoph Palm. Vollzugsdefizite bei den Aufbewahrungsvorschriften sollten schnell identifiziert und behoben werden. Gebühren für die Kontrollen will Palm aber nur in Fällen erheben, wenn tatsächlich Verstöße gegen das Waffengesetz festgestellt werden. Verbote, sagte der FDP-Landtagsabgeordnete Hagen Kluck, seien die am meisten überschätzen Stellschrauben. Der Täter in Winnenden sei aufgrund eines Verstoßes gegen geltendes Waffenrecht an die großkalibrige Schusswaffe gelangt, weil diese nicht vorschriftsgemäß aufbewahrt wurde. Sabine Kurtz (CDU) nannte ein Waffenverbot „nicht zielführend“. Anschläge könnten mit vielen Mitteln verübt werden.

Katrin Altpeter (SPD) kritisierte hingegen in der Aussprache, dass es leider nicht gelungen sei, „den Zugang zu den gefährlichen Großkalibern drastisch einzuschränken“. Nicht einverstanden ist Altpeter auch mit dem „Modellprojekt Gewaltprävention im Biathlon“. Dieses Projekt müsse nicht im Biathlon ansetzen, sondern in den Schützenvereinen generell.

„Unverständlich, dass die Landesregierung sich dafür einsetzt, Jugendliche an Waffen auszubilden und das als Gewaltprävention hinstellt“, hatte das Aktionsbündnis über diese Empfehlung geurteilt. Eine Boulevardzeitung titelte daraufhin: „Amok-Ausschuss fordert Schießtraining für Schüler.“

Christoph Palm verwehrte sich gegen diese Betrachtungsweise. Wer so etwas behauptet, „hat die Empfehlungen gründlich missverstanden“. Das Projekt solle bei Jugendlichen im Gegenteil Sekundärtugenden wie Ausdauer, Konzentration, Motorik, Leistungsfähigkeit und Disziplin fördern und ihnen auf diese Weise klarmachen, „welch hohes Maß an Verantwortung sie im Umgang mit ihren Sportwaffen tragen“.

Vielen Dank, wenn Sie bis hierhin durchgehalten haben.

Leider geht es aber noch weiter: Die Empfehlungen des Sonderausschusses des Baden-Württembergischen Landtages, die Köhler goutierte, kann man an dieser Stelle, laut Internetseite desselben, „demnächst“ hier nachlesen. ( Oder unter: www.landtag-bw.de/Gremien/Sonderausschuss_Jugendgewalt/index.asp) Um es vorweg zu nehmen: Eine wirksame Sofortmaßnahme in Form einer Gemahnung/Forderung nach einem tatsächlich verschärften Waffengesetz, wie es vernünftigerweise von verschiedenen Initiativen sachlich begründet und gefordert wird, ist auch darin nicht zu finden...

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