Halbwertszeit

Bundespräsident Joachim Gauck hat die erste Hälfte seiner Amtszeit absolviert. Medien und Publikum sind sich weitestgehend einig: Der ist ein ganz Toller! -Ach ja?

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Seit zweieinhalb Jahren ist Joachim Gauck Bundespräsident. Seit dem covert er, mächtig verstärkt von einer bis über die Schmerzgrenze übersteuerten Medien-PA, Marius Müller-Schnarrenbergers Rock-Schmonzette "Freiheit". Der Text wie von einem evangelischen Kirchentagslied in der DDR, als man sich nicht zu sehr festlegen durfte, wollte man die eigene Bequemlichkeit nicht gefährden.

Die Verträge sind gemacht
Und es wurde viel gelacht
Und was Süßes zum Dessert
Freiheit, Freiheit.

Die Kapelle, rum-ta-ta
Und der Papst war auch schon da
Und mein Nachbar vorneweg

Freiheit, Freiheit,
Ist die einzige, die fehlt.
Freiheit, Freiheit,
Ist die einzige, die fehlt.

Zu dieser Halbzeit ohne Pause melden die Groß-Medien, dass ihre gemeinsam vollzogene Kosmetik bezüglich der Biografie dieses Mannes äußerst erfolgreich war: Drei Viertel der gesamtdeutschen Bundesmichel und -michelinnen finden Gauck toll und wünschen sich eine zweite Amtszeit dieses Schock-Rockers. Der alte Zonenpastor als advocatus diaboli. Das fetzt rockt. Irgendwie Sarrazin, irgendwie AfD, der Kunde Typ, bloß authentischer. Dass der Pastor aus Rostock definitiv schon kein DDR-Dissident war, sondern ein angepasster Leise-Meckerer, der '89 seine Chance auf herrrrrlich duftenden Westkaffee und Karriere witterte, wissen die Wenigsten. Und so soll das ja auch sein und bleiben.

Der Mensch ist leider nicht naiv.
Der Mensch ist leider primitiv.

Freiheit, Freiheit,
Wurde wieder abbestellt.

Groß-Journalisten von heute, die etwas auf sich halten, singen die Hymne begeistert mit: Gauck habe dem ramponierten Amt des Bundespräsidenten zu neuem Ansehen verholfen. Genau! -Wenn man wie große Teile der Journaille auf transatlantischen Brücken militante Über-Dehnübungen anstellt, trifft - offiziell und auf hohem Niveau - ostdeutscher Spießerwahn endlich auf westdeutschen Revanchismus. Endlich-endlich wächst wieder zusammen, was zusammen gehört.

Alle, die von Freiheit träumen,
Sollen's Feiern nicht versäumen,
sollen tanzen auch auf Gräbern.

Dass der ostdeutsche Gotthilf Fischer der Freiheits-Chörale, der auch studierter Theologe ist, zwar den Splitter im Auge der Anderen erkennt, den Balken im eigenen jedoch nicht (Lukas 6,41), offenbart er eindrucksvoll, wenn er überall & weltweit Gefahren für die Freiheit ausmacht & vorlaut benennt, bislang aber keine klare Ansage zum monströsesten Überwachungsskandal seit Erfindung der internationalen Staatengemeinschaft gemacht hat. Aber dieser stammt ja originär auch aus dem Epizentrum der Frrreiheit. Während Gauck, der Arme, Theologie im Osten studieren musste. Da ham' wa's wida!

Freiheit, Freiheit,
Ist das einzige, was zählt.
Freiheit, Freiheit,
Ist das einzige, was zählt.

(Zitate: Songtext Marius Müller-Westernhagen "Freiheit")

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden