S21 - Ausschuss-Demokratie

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In einer Plenarsitzung des B/W-Landtags wird durch das Parlament mit CDU/FDP-Mehrheit heute mit hoher Sicherheit Folgendes beschlossen werden: dass der Polizeieinsatz am 30.9. im Stuttgarter Schlossgarten (Schwarzer Donnerstag) recht- und verhältnismäßig gewesen sei und es darüber hinaus eine Einflussnahme der Landesregierung, insbesondere durch MP Mappus, zweifelsfrei nicht gegeben habe.

Weiterhin soll bezüglich des Schwarzen Donnerstag, bei dem mindestens 400 Demonstranten z.T. schwer verletzt wurden, unter ihnen viele Schülerinnen und Schüler, beschlossen werden, u.a. (Zitate aus der CDU-Beschlussvorlage):


„Der Landtag regt eine Stärkung der politischen Bildungsarbeit für Schülerinnen und Schüler an. Es hat sich im Zusammenhang mit der Demonstration der „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ gezeigt, dass nicht bei allen Schülerinnen und Schülern eine ausreichende Kenntnis ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten vorhanden ist. “


„Viele „Stuttgart 21“ - Gegner stellen, soweit sie ein Widerstandsrecht für sich beanspruchen, ihr eigenes Rechtsempfinden über das geltende Recht. “


„Der Landtag hält eine kritische Auseinandersetzung mit dem Widerstandsverhalten anlässlich des Bahnprojekts 'Stuttgart 21' für erforderlich.“


„Der Landtag empfiehlt ein frühzeitiges Einschreiten auch bei Ordnungsstörungen. Die Polizei sollte keine rechtsfreien Räume dulden. “


„Strafanzeigen bei Straftaten zum Nachteil von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sollen nicht nur punktuell erstattet werden, um der Justiz eine konsequente Weiterverfolgung zu ermöglichen. Die Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sind ein hohes Gut. “


„Für die Bewältigung bei Sondereinsatzlagen sollen auch künftig geschlossene Einheiten mit hohem Einsatzwert in ausreichendem Umfang und angemessener Ausstattung vorgehalten werden. “


„Die Bereitstellung von Schutzausstattungen für Einsatzkräfte muss qualitativ und quantitativ kontinuierlich weiter verbessert werden. “


„Der Landtag wolle beschließen, sich den Bewertungen des Untersuchungsausschusses anzuschließen und festzustellen, dass 1) es von Seiten der Politik keine direkte oder indirekte Einflussnahme auf die Polizei im Hinblick auf den Polizeieinsatz am 30. September 2010 im Stuttgarter Schlossgarten gegeben hat, 2) der Polizeieinsatz insgesamt als rechtmäßig zu beurteilen ist .“

Man hat das Gefühl -um dieses Klischee zu bemühen- als ob man als Vergewaltigter vor Gericht seitens des Richters zu hören bekommt, dass man ja wohl selbst Schuld sei, wenn man derart aufreizend gekleidet unterwegs ist. Und das man obendrein nun auch mit einer Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses zu rechnen habe...

Ein friedlicher Demonstrant wurde am 30.9. von einem Polizisten am Kragen gepackt, festgehalten und auf die Art massiv verprügelt. Der Polizist verstauchte sich dabei den Daumen ein wenig. Weshalb der Demonstrant wegen Körperverletzung zu 20 Tagessätzen verurteilt wurde, aber nach dieser Erfahrung Angst hat, sich weiter dagegen gerichtlich zu wehren. Während der Polizist einer derjenigen ist, die in die Statistik der verletzten Beamten dieses Tages einging. Das ist nur eine kleine Geschichte. Sie ist durchaus exemplarisch für den Schwarzen Donnerstag.

Unnötig zu sagen, dass durch die CDU/FDP-Mehrheit im Ausschuss viele Beweismittel nicht zugelassen wurden. Zum Beispiel wurden lediglich Videoaufzeichnungen der Polizei ausgewertet. Die zahlreichen Videos der Demonstranten, die die Polizeigewalt hätten belegen können, wurden nicht gesichtet. Einzig ein paar Filmschnipsel des SWR ließ man eher zähneknirschend zu. Wobei noch anzumerken wäre, dass der Ausschussvorsitzende Winfried Scheuermann, CDU, Mitglied, und dass Ausschussmitglied Ulrich Müller, CDU, Vorsitzender des Verwaltungsrats des SWR sind.






Mehr zum Thema u.a. hier bei fluegelTV. Und weitere auf den einschlägigen, bekannten Seiten, sowie auch auf Politblogger.

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