S21 - "Es war alles falsch"

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Dieser Einsatz sei schlimmer gewesen als der Hamburger Kessel, Startbahn West oder einschlägige Castortransporte. So schätzt Thomas Wüppesahl, Sprecher der BAG kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal e.V.) den brutalen Polizeieinsatz gegen Stuttgarter Bürger am 30.9.2010, den Schwarzen Donnerstag, ein.

In einem ausführlichen Interview mit fluegel-TV am vergangenen Samstag (12.2.) gab er tiefe Einblicke in die Strukturen und Biotope deutscher Polizeiarbeit und die zunehmenden Versuche der Politik, diese für ideologische Zwecke instrumentalisieren. Er erläuterte, dass die Einsätze von agents provocateurs inzwischen fast eine Normalität seien und zeigte sich nach den bisher bereits vorliegenden Indizien felsenfest davon überzeugt, dass die im Rahmen der Untersuchungen zum Schwarzen Donnerstag vorgeführten „Beweise“ für Gewalt aus den Reihen der Demonstranten ausschließlich auf agnets provocateurs zurückzuführen sind.

„Es ist die oberste Landesebene, die hier die Anordnungen gegeben hat“. Ob es sich bei den Provokateuren um Mitglieder des Verfassungsschutzes, um V-Männer oder BFE-Beamte in Zivil gehandelt habe, sei dabei zweitrangig – Fakt sei, dass es sich zweifelsfrei um Aktionen von staatlicher Seite handelte.

Thomas Wüppesahl, der selbst 30 Jahre Polizist war, verglich die Situation in Baden-Württemberg nach dem Schwarzen Donnerstag politisch mit der Schleswig-Holsteins nach der Barschel-Affäre. Angesichts der von ihm beobachteten Tendenzen innerhalb der Polizei äußerte Wüppesahl sich tief besorgt über den Zustand der Demokratie in Deutschland und zog als „systemisch denkender Mensch“ auch Parallelen zu Ägypten. Hier lobte er gar die Rolle des ägyptischen Militärs, welches die Demonstrationen geschützt habe -und meinte, dass sich eine demokratische Polizei in Stuttgart de jure eigentlich genauso verhalten hätte müssen und müsste. Er sprach davon, dass Parlamente und Öffentlichkeit systematisch belogen würden, dass die Justiz massiv manipuliert würde, um bestimmte politische Ziele durchzusetzen. „Was Sie hier sehen, ist ein Sonder-Recht.“ sagte er bezüglich Stuttgart 21. „Die Polizei liefert der Politik, was sie haben will.“

Auf das Schicksal des seinerzeit bei WDR-Monitor aufgetretenen mutigen Mannheimer Polizisten Thomas Mohr angesprochen, antwortete Wüppesahl, dass Mohr inzwischen verstummt sei, weil er offensichtlich massivst unter Druck geraten ist.

Er berichtete auch, dass seit dem Schwarzen Donnerstag erstmals Beamte aus Baden-Württemberg den Mut hatten, sich an Hamburger Signal zu wenden. Bislang, so Wüppesahl, seien bezüglich der Arbeit von Hamburger Signal Baden-Württemberg und Bayern eher „weiße Flecken, ähnlich wie die DDR“ gewesen.





Sondersendung mit Thomas Wüppesahl from fluegel.tv on Vimeo.

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