S21 - Gedächtnisprotokoll zum Verhalten der Polizei am 30.9.

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Im Folgenden zitiere ich das Gedächtnisprotkoll eines Zeugen der Polizeiübergriffe im Mittleren Schlossgarten in Stuttgart am 30.09.2010. Der Name und die Person des Zeugen sind mir bekannt. Da mir ein weiterer Augenzeugenbericht vorliegt, der diesen Bericht durch eigene Erlebnisse bestätigt und gestützt auf meine eigenen Beobachtungen und nach Ansicht einer Unmenge von Videomaterial, verbürge ich mich für die Glaubwürdigkeit des folgenden Protokolls:

Gedächtnisprotokoll/Augenzeugenbericht zum Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten am 30. September 2010, ca. 16.00 Uhr

Mit einer Gruppe von etwa hundert Demonstranten versuchten wir, uns der Polizei in den Weg zu stellen, die sich am nördlichen Zaun des Schlossgartens ihren Weg durchs Unterholz bahnen wollte. Allerdings wurden wir dabei dann von der Park-Straße her von Polizeikräften in schwarzen Kampfanzügen und mit Vollhelmen umgangen und somit eingekesselt. Nach einigen Augenblicken kam uns durch das Unterholz der Böschung ein Teil dieser schwarzgekleideten, klingonenkriegerhaft anmutenden Polizisten aus der Richtung entgegen, die wir schützen wollten. Wir saßen in der Falle. Unsere Blockade war ab diesem Moment sinnlos; das sahen alle ein. Also hoben wir die Hände, wie man das tut, um zu zeigen, dass man unbewaffnet ist und sich ergibt. Die Polizisten stießen mich ziemlich heftig in Richtung der etwa 20 Meter entfernten Park-Straße in einen, leeren, etwa 30-Meter-Bereich zwischen Wasserwerfer und Demonstranten auf der Straße. Nach vorne -zur anderen Straßenseite hin- war die Straße von einer dreifachen Polizeikette abgeriegelt. Von hinten -der Böschungsseite- drängten die 'Schwarzen' nach. Ich beobachtete, wie ein etwa 40-jähriger Mann, mit dem ich in der Menschenkette stand, von zwei anderen Demonstranten gestützt wurde. Er blutete stark aus der Nase. (Später erzählte mir meine Begleiterin, dass dem Mann oben auf der Böschung im Gebüsch, ohne dass er vorher Widerstand geleistet hatte oder sonstwie erkennbar aggressiv war, sofort mit dem Polizeiknüppel ins Gesicht geschlagen wurde.) Ich beobachtete, wie ein etwa 70-jähriger Mann von zwei Polizisten auf dem Rücken liegend und jeweils an seinen Beinen gepackt, um Hilfe schreiend, die gesamte Böschung hinunter auf die Straße geschliffen und dort in eine große Pfütze, die vom Wasserwerfer stammte, gestoßen wurde. Der alte Mann war sichtlich schockiert. Er rappelte sich auf und wollte sich empören über diese Brutalität, woraufhin ihn ein Polizist wieder zu Boden und in die Pfütze stieß. Ich half dem Mann auf und nahm ihn in die Arme und hielt ihn fest, damit er sich beruhigen konnte. Dabei wurde ich mehrfach von Polizisten gestoßen. Dann begann der vor uns stehende Wasserwerfer über Lautsprecher zu warnen, dass man die Straße räumen solle, da ansonsten Zwang angewendet werde. Allerdings war das nicht möglich, da links der Wasserwerfer stand, rechts die Demonstranten mit der Plane, die sich ihm in den Weg stellten und die Seiten durch Polizei abgeriegelt waren. Ich ging betont ruhig zu einem der Polizisten, die die Straße zur Böschung hin abriegelten und sagte: „Entschuldigen Sie, darf ich Sie etwas fragen?“ Der Beamte lächelte und nickte. Ich sagte: „Ihr Kollege im Wasserwerfer hat mich aufgefordert die Straße zu verlassen.“ Er unterbrach mich und sagte: „ Ja. Den ganzen Park verlassen.“ Ich fuhr fort: „Ich würde gerne die Straße verlassen, aber nun stehen Sie hier vor mir. Würden Sie mich denn durchlassen, damit ich der Aufforderung Ihres Kollegen, die Straße zu verlassen, nachkommen kann.“ Er antwortete: „Nein.“ Und im Bruchteil einer Sekunde war das Lächeln einer Grimasse gewichen und er stieß mich heftig vor die Brust zurück auf die Straße. Dann traf mich der Strahl des Wasserwerfers in die Kniekehlen und am Rücken. Ich konnte aber das Gleichgewicht halten. Danach weiß ich nicht mehr genau, was geschah, war aber plötzlich nicht mehr auf der Straße, sondern auf der anderen Seite der Park-Straße auf der Rasenfläche des Schlossgartens und suchte nach meiner Begleiterin.


Die Ereignisse, die ich hier beschreibe, spielten sich nachmittags gegen etwa 16.00 Uhr (?) in einem Zeitrahmen von etwa 5-8 Minuten ab.

Die Park-Straße ist in diesem Teil des Schlossgartens ca. 7 Meter breit.


Stuttgart, den 3. Oktober 2010

Zitat-Ende.

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