S21 - über Trojanische Pferde, Spaltpilzbefall und anderes Ungemach

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Seit dem letzten Freitag (dem Wochentag; nicht der Zeitung) steht fest, dass es sogenannte Schlichtungsgespräche zu S21 geben wird. Heiner Geißler wird als der von Grünen und CDU herbeigerufene deus ex machina zwischen Gegnern und Befürwortern vermitteln. Indem aber an diesem Punkt so und de facto der Politik das Feld überlassen wird, drohen die Bewegten Bürger in genau jenes Muster alter Reglosigkeit zurück zu fallen, von dem sich zu befreien sie auf die Straße gingen.

Ich zitiere dazu den Offenen Brief eines Parkschützers, geschrieben am Tag danach:


„Wir wollten diese Gespräche.“ „Wir haben die besseren Argumente.“ „Ein Teil verhandelt, ein Teil protestiert; das ist clever.“ Das sind -kolportagehaft ausgedrückt- die Kernaussagen von gestern.

Und genau daran lassen sich die fehlerhaften Annahmen und letalen Risiken, die sie auch bedeuten, ausmachen.

1) „Wir wollten diese Gespräche.“ Nein, das stimmt nicht. Wir wollten mindestens einen umfassenden Baustopp, bevor wir uns mit dieser Bagage an einen Tisch setzen. Eigentlich hätten wir konsequent Rücktritte fordern müssen. Und wären mindestens nach dem 30. September auch in jeder Hinsicht dazu berechtigt gewesen. Unter französisch-bürgerlichen Verhältnissen hätte man darüber nachgedacht, welcher dieser sich blaublütig wähnenden, hochmütigen Verbrecher die Guillotine verdient hat. Das nur zum Vergleich, der zugegeben drastisch ist, aber um so mehr verdeutlicht, wohin die Reise hätte gehen müssen. Und das Reiseziel lag bereits fast greifbar vor Augen. Zur Erinnerung: Dieses hatten wir (fast) erreicht, weil wir auf die Straße gegangen sind und Druck gemacht haben. Ihr 6 wollt diese Gespräche[1], weil Ihr die Situation maßlos falsch einschätzt. Ihr glaubt, man könne mit diesen Leuten Politik (Kompromisse) machen. Und das, obwohl Ihr seht, dass sie kompromisslos in der Sache sind. Nur am Rande: der einzige Nicht-Politiker unter Euch hat die Runde verlassen.[2] Zufall? Und -und auch das will ich nicht verhehlen- es sind mir ein paar zu viele mögliche CDU-Koalitionspartner in diesem Sprecher-Gremium. Da sind Interessen-Konflikte fast vorprogrammiert. Ich will nicht gleich sagen, dass wer grün wählt, sich hinterher möglicherweise schwarz ärgert, aber: denkt mal drüber nach.

2) „Wir haben die besseren Argumente“ Ja. Seit 15 Jahren. Und?... Hat sich die Gegenseite jemals von guten Argumenten beeinflussen/überzeugen lassen? Die Bürgerbewegung in der DDR hat die Stasi entmachtet. Und sich nicht zunächst mit ihr an einen Tisch gesetzt, um sie etwa zu „überzeugen“. (Oder die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die Stasi schlecht ist.)
Ihr wollt diese besseren Argumente in der Öffentlichkeit vortragen. Das ist gut. Aber geht es um Offenheit? Gangolfs Zeilen[3] entnehme ich, dass er sich wünscht, dass nun all diese guten Argumente sich dadurch verbreiten. Wozu? Um die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass wir die besseren Argumente haben? Habt Ihr die Umfragen vergessen? Die Leute draußen stehen auf unserer Seite. Seit dem 30. September viele mehr, die es bis dahin noch nicht taten. Und?... Hat einer der Verantwortlichen deshalb freiwillig seinen Hut genommen? -Sie haben sich -bis heute- noch nicht einmal entschuldigt! Rech schwatzte nach dem 30.9. sogar noch frech und öffentlich davon, dass wir ja wohl selbst Schuld seien, wenn wir verletzt würden von Wasserwerfern, die ja im Übrigen auch nur eine Art sanftes Aeorosol lustig über die brutalen Demonstranten versprühten. Das hat viele, auch außerhalb Stuttgarts, im ganzen Land zu recht empört. Und?...
Dieser Mann wird von Leuten, die Ihr nun öffentlich mit guten Argumenten ausmanövrieren wollt, gedeckt. Glaubt Ihr, die halten das nicht aus, knicken ein vor lauter Öffentlichkeit und guten Argumenten? Das beste, weil überzeugendste Argument, was wir haben, ist der Druck der Straße. Den hätten wir gemeinsam noch ein bisschen weiter ausüben müssen. Damit die Macht dieses Verbrechersyndikats gebrochen wird. Zum Beispiel durch Rücktritte und öffentliche Schuldeingeständnisse. Dann, aber erst dann, hätte man auch reden können.

3) „Ein Teil verhandelt, ein Teil protestiert – das ist clever.“ Nein. Ist es nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Eine Teilung der Kräfte in dieser Situation ist eine Spaltung. Was soll daran gut sein? Spielen wir mit denen jetzt „Guter Bulle- böser Bulle“? Was beispielsweise passiert mit den veröffentlichten, guten Argumenten bei solcher Taktik? Wie hoch ist die Halbwertzeit ihrer Glaubwürdigkeit dann noch? Für „Politik spielen“ ist nicht die Zeit. (Und wir sollten das überhaupt ganz lassen, solange wir eine breite Bürgerbewegung sind, die etwas bewegen will. Wir wollen nicht Veränderungen simulieren. Wir wollen tatsächlich verändern. Das ist uns bisher auch sehr gut gelungen.)
Der Keil, der uns spaltet, ist angesetzt und eingeschlagen. Die Gegenseite braucht ihn jetzt nur noch immer tiefer zu treiben. Oder glaubt Ihr, sie zittert gerade, weil wir sie -durch clevere Teilung der Kräfte- in die Zange genommen haben? Die wollen nicht verhandeln! Die wollen ihr Ding durchziehen. Und solange sie noch so fest im Sattel sitzen, wird ihnen das auch gelingen. Da hilft keine clevere Taktik, kein Reden-Wollen und auch keine guten Argumente. Jedenfalls im Moment nicht. Es ist der Klassiker vom Stolpern des Führenden auf der Zielgeraden.

Das Einzige, was m.E. richtig ist in der jetzigen Situation, ist weiterhin massenhaft und friedlich zu demonstrieren, den Druck der Straße aufrecht zu erhalten und, wenn nötig, zu verstärken.

Ich hoffe, dass ich mich in all dem irre. Dass ich es bin, der den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht.

Oben bleiben!

Text-Anmerkungen:

[1] Sechs Teilnehmer auf Seite der S21-Gegner: Gangolf Stocker, Hannes Rockenbauch (beide SÖS), Peter Conradi (SPD), Brigitte Dahlbender (BUND-Landeschefin), Winfried Kretschmann, Werner Wölfle (beide B90/Grüne)

[2] Fritz Mielert als Sprecher der Parkschützer stieg aus den Gesprächen aus, als klar wurde, dass es keinen umfassenden Baustopp während der Schlichtung geben werde

[3] Gemeint ist Gangolf Stocker, der in einem Brief an die Parkschützer begeistert von dieser Möglichkeit sprach und sie als einen wichtigen Grund für sogenannte Schlichtungsgespräche anführte

Nachdenkseiten vom 18. Oktober zum selben Thema (Dank an Magda!).

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