So kommt ihr nicht davon

Tagesschau 48 Minuten Tagesschau, davon über 30 Minuten Papstwahl zu Beginn

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Die gestrige skandalöse Berichterstattung der renommiertesten deutschen TV-Nachrichtensendung findet heute bislang keine Beachtung, geschweige denn, Kritik. (Ausnahme: Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten)

Wir hatten am Dienstag mit den Chefredakteuren diskutiert, ob wir einen Brennpunkt machen. Da sich die Lage im Luftraum entspannte, haben wir uns dagegen entschieden. Trotzdem gab es noch eine Reihe offener Fragen, die wir den Zuschauern beantworten wollten. Deshalb hat Programmdirektor Volker Herres der Tagesschau 3'30 mehr Zeit gegeben. Insofern war es keine Überziehung, sondern eine vorsätzliche, journalistisch motivierte Überlänge.“ (Kai Gniffke, Chefredakteur der Tagesschau im April 2010 gegenüber BILD, angesichts einer 18-minütigen Tagesschau)

Gestern wählte eine große religiöse Sekte ihren Guru. Das mediale Interesse daran war bereits im Vorfeld enervierend und überzogen wie gewohnt. Die Berichterstattung ist dabei jener über große Sportereignisse oder internationale Filmpreisverleihungen immer ähnlicher. Das Nachrichtenflaggschiff des deutschen TVs, die Tagesschau jedoch, drehte gestern Abend offensichtlich vollkommen frei: Eine geschlagene halbe Stunde berichtete die Tagesschau gestern live aus Rom vom Petersplatz. Von 20.00 Uhr bis 20.30 Uhr. Erst danach wurden weitere Meldungen des Tages verlesen. Die Tagesschau dauerte insgesamt 48 Minuten.

Auf den Informationsgehalt der leicht gravitätisch-infantilen Dauer-Berichterstattung vom Petersplatz durch Siegmund Gottlieb (sic!) vom Bayerischen Rundfunk (Chefredakteur!) muss man nicht weiter eingehen. Auch nicht darauf, dass einer seiner Interviewpartner gefühlte 30 Mal nicht in der Lage war, das Wort „Diözese“ richtig auszusprechen. (Offensichtlich lassen sich solche phonetischen Entgleisungen mit gewissermaßen religiösen Rauschzuständen entschuldigen.)

Dass die Tagesschau gestern Abend, gekapert durch den Bayerischen Rundfunk, zu Radio Vatikan mutierte, ist nicht lediglich eine Peinlichkeit sondern skandalös. Zeigt es doch, wie die Verantwortlichen wichtiger öffentlich-rechtlicher Medien über ihren Auftrag und die Interessen ihres Publikums wirklich denken. Das war absolutistisches Staatsfernsehen vom Feinsten und steht real-sozialistischer Dauerbedröhnung anlässlich von Einheitsparteitagen oder Maidemonstrationen in nichts nach.

=> Video 20 Uhr Tagesschau vom 13. März 2013

(Abb. oben : radiovaticana.de)

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