DB-Chef Grube hat den Gegnern von S21 einen Runden Tisch angeboten. So schallt es durch die Medien. Dieses Gesprächsangebot gelte ohne jegliche Vorbedingungen und könne noch im Laufe des kommenden Monats in die Tat umgesetzt werden. Grube, der Deus ex machina. Der Mann, der den gordischen Knoten zerschlägt. Klingt doch gut.
Dieses Geschenk könnte aber vergiftet sein. Betrachtet man es näher, kommen Zweifel auf. Zunächst einmal ist das mediale Getöse um diesen Vorschlag des Bahnchefs auch dazu geeignet, den falschen Eindruck zu erwecken, dass nun „endlich einer reden will in dieser verzwickten Angelegenheit, auf der die beiden Seiten sich fest ineinander verbissen haben...“. Unter den Tisch zu fallen droht dabei die Tatsache, dass es von Seiten der S21-Gegner (und Befürworter von K21, denn dass sind diese auch!) in jüngster Zeit mehrere Gesprächsangebote gab, die jeweils umgehend und samt und sonders von selbigem gefegt wurden.
Weiterhin hat Grube angekündigt, diese Gespräche ohne jegliche Vorbedingungen führen zu wollen. Auch das meint etwas anderes: Er hat damit zu verstehen gegeben, dass er die Bedingung der K21-Befürworter für Gespräche -einen Baustopp/Moratorium für die Zeit des Runden Tisches- ablehnt. Das erinnert ein wenig an die Position der israelischen Regierung, die die Bedingung der palästinensischen Seite für Friedensverhandlungen -einen Stopp des Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten- nicht anerkennt. Wem man an so gescheiterten „Verhandlungen“ anschließend die Schuld in die Schuhe zu schieben gedenkt, dürfte klar sein.
Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass es ein von der Regierung bestallter Angestellter ist, ein Manager, der die Initiative ergreift und sich mit den Protestierenden an einen Tisch setzen will. Und nicht etwa die den protestierenden Staatsbürgern und Wählern zunächst verantwortlichen Stadt-, Landes- und Bundespolitiker, wie etwa Stuttgarts OB Schuster, Ministerpräsident Mappus oder Verkehrsminister Ramsauer.
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Foto: Freitag, 27. Aug; Transparent an einem Stuttgarter Hochhaus am Bahnhof
So betrachtet erscheint die Offerte mehr als bedenklich und eher als Versuch geeignet, die breite und täglich größer werdende Protestbewegung zu spalten, bei der es inzwischen um weit mehr als um Kopf- oder Tiefbahnhof geht: Der Stuttgarter Protest hat seine Hand, mehr zufällig als vorausschauend, an das Genick des neoliberalen Un-Geistes gesetzt. Stuttgart könnte somit ein Initial für das ganze Land werden.
Das Bedenkliche an Grubes Angebot wird um Bedrohliches verstärkt: Zeitgleich mit Grubes Angebot verbreitete ddp eine Meldung, wonach der Verfassungsschutz die Protestbewegung beobachte. Dass diese Meldung keine Ente ist, sondern parallel knallhart weiter an der Diffamierung der Bürgerbewegung gearbeitet wird, bekamen die Betreiber der Webseiten „Bei Abriss Aufstand“ und „Parkschützer“ noch gestern Abend zu spüren: Etwa jeder hundertste Zugriff auf diese Seiten erfolgte seit gestern Abend von Servern des LKA und des Landes.
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Hallo Berlin?... schönes Weiterpennen, Grill-Verfurzte & Cocktail-Geschwängerte aus allen Provinzen, während Euer Bär hier steppt!...
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Zwei überaus lesenswerte Blogs auf freitag.de, auf die ich an dieser Stelle und anlässlich mindestens gerne aufmerksam machen möchte:
- philoron: "Turmbau zu Stuttgart u.a."
- seriousguy47: "Was nützt ein Rückgrat, wenn kein Hirn drüber ist"
(Foto: Thomas Niedermüller/Getty Images)
Kommentare 9
Runder Tisch wäre sinnvoll, aber es gibt keinen Grund Grube bestimmen zu lassen, wer da nun kommen darf. Es müssten alle Verantwortlichen ran – wie du schon sagst. Und natürlich auch Vertreter des aktiven Protestes...und die Entwickler des Alternativprojekts – K21. Selbstverständlich müssen die Bauarbeiten erstmal gestoppt werden und auch die Bespitzelungen – anders macht es doch keinen Sinn. Wenn er darauf nicht eingeht wird doch offenbar, dass sein Angebot reine Zeit-und Imagschinderei ist.
Die Bespitzelung engagierter demokratischer Bürger ist ein Riesen-Skandal.
Kriminalbeamte und Verfassungsschutz sind als Dienstleister der Bürger gedacht und nicht als Dienstleister der Baukonzerne, Deutsche Bahn und ihrer politischen Vertreter! Die sollen zusehen, dass sie sich dieses Geflecht einmal genauer ansehen – da könnten sie durchaus fündig werden - Veruntreuung von Steuergeldern in Milliardenhöhe und Verfassungsbruch......
Lieber Fro,
meine Beobachtung ist die Gleichzeitigkeit der beiden Vorgänge (Grubes Angebot/ massive Überwachung, something like 'war on terror'). Meine Vermutung: das ist kein Zufall, sondern eine konzertierte Aktion, um dieser Bürgerbewegung zu spalten, zu paralysieren und ihr letztlich das Licht auszupusten. Damit der Funke nicht auf's ganze Land überspringt (und natürlich auch mit dem Ziel, S21 zu verwirklichen wie geplant).
Denn, wie schon gesagt, es geht zunehmend um andere, größere Zusammenhänge, die die Protestierenden fast 'spielend' beginnen zu begreifen. Ohne dabei irgend einer bescheuerten, hermetischen Ideologie anheim zu fallen (klar, linke Splittergruppen MLPD/DKP sind auch mit dabei; aber auf deren manchmal skurrile Auftritte fällt in Stuttgart keiner rein – der Verfassungsschutz sollte lieber tatsächlich die Verfassung schützen und vor allem die, die für sie so weise eintreten und wirklich versuchen, Schaden vom Volk abzuwenden; die Politik ist ja offensichtlich nicht in der Lage dazu. Der Verfassungsschutz hätte wahrlich genug nützliche Dinge zu tun. Aber nun wird auch er, wie vorher schon die Polizei, gegen die Bürger instrumentalisiert.).
In einem anderen Blog/Kommentar schrieb ich zum selben Thema diesen Satz (so ähnlich): „Es könnte der Tag kommen, an dem die Protestierenden sich möglicherweise mit keinem der jetzt in Verantwortung Stehenden aus Politik und Wirtschaft an überhaupt noch irgend einen Tisch setzen wollen.“ Die Verantwortlichen haben den neoliberalen Geist mal wieder hemmungslos aus der Flasche zischen lassen. Und ihm verruscht nun zunehmend seine freundlich grinsende Geistermaske, sicht- und spürbar für alle (zumindest in Stuttgart - Danke, liebe Mainstream-Medien!). Was darunter zum Vorschein kommt, ist ziemlich unerfreulich.
Ich hoffehoffehoffe, dass dieses vermutliche Manöver im Zusammenhang mit Grubes Vorschlag (wenn es denn keine Einbildung meinerseits ist) entsprechend auffliegt und auch medial angemessen gewürdigt wird (naja... 'die Hoffnung stirbt zuletzt' -sagt man da wohl).
Die Grube-Aktion hat einen ganz einfachen Hintergrund: in den letzten Tagen haben sich "PR-Experten", die Pro-S21 sind zu Wort gemelde tund teilweise auch ihre Dienste angeboten. Stadt und Land machen meist Bauchlandungen, wenn ihre eigenen PR-Leute den Mund aufmachen. Also haben wohl die profis von der Bahn ihgren Boss vorgeschickt und ihm aufgeschrieben, was er flöten soll.
Die Formulierungen waren so, dass man nur bei genauem Hinsehen/ -hören merkte, dass es nur darum ging, den Projektgegnern eine Falle zu stellen. Entweder sie gehen hin und stellen fest, dass die Gegenseite ihnen - stark zugespitzt - nur ein Zustimmungsstatement vorlegt, das sie öffentlich verlesen sollen. Dann können sie der Öffentlichkeit anschließend bedauernd kungtun, dass man alles versucht habe, aber die Gegner leider nicht bereit waren, auch nur einen Zoll auf S21 zuzugehen.
Oder die Gegner gehen nicht hin, weil sie das "Angebot" durchschauen. Dann endet es genauso. Das nennt manvermutlich professionelle "Kommunikation".
Was soll man sich von so einem durchsichtigen Manöver beunruhigen lassen – wichtig ist, dass man selber weiß, was man will und ihr wisst es. Die Medien werden Wahrheiten und Zusammenhänge nicht lange ignorieren können. Cool bleiben - das Volk ist der Souverän - Herr Grube ist ein von den Bürgern bezahlter Verwalter des Volksvermögens (Bahn) - mehr nicht. ;-)
Wenn man die von dir vermuteten Zusammenhänge zwischen Gesprächsangebot und Bespitzelung nachweisen oder indizienmäßig verdichten könnte, wäre das natürlich der Hammer.
Lieber seriousguy47,
Sie beschreiben das Problem, welches decouvriert und weithin sichtbar gemacht werden müsste, noch einmal aus Ihrer Sicht.
Danke.
Ja, das wäre der Hammer. Wäre es...
Ich finde die Aktion der Gegner von S21 deutlich übertrieben. Deutschland lebt von Infrastrukturmaßnahmen und soweit ich das beurteilen kann, wird die Stadt mit dem Projekt deutlich lebenswerter. Stuttgart erhält enorme Freiflächen, die für Parks und Wohnungen genutzt werden können. Klar kosten diese Art von Projekten Geld und verursachen auch erstmal Lärm. Langfristig lohnt sich aber der Aufwand!
"[...]soweit ich das beurteilen kann[...]"
Bei den Befürwortern von S21 tritt häufig dieses Problem auf. Es fehlen ihnen relevante Informationen, um es beurteilen zu können. Sie tun es aber trotzdem.
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