Überwachung mal ein bisschen andersrum

Überwachung Wer überwacht eigentlich diejenigen, die seinerzeit von Edathy im NSU-Untersuchungsausschuss zu Recht heftigst & öffentlich gegrillt wurden?

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Wieso informiert im Oktober 2013 der BKA-Präsident Jörg Ziercke (SPD) in einem vertraulichen Gespräch den damaligen Innenstaatssekretär Klaus-Dieter Fritsche (CSU) von einem „begründeten Anfangsverdacht wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften“ gegen Edathy? Und vor allem: Darf Ziercke das überhaupt? Muss er es gar im konkreten Fall? Im BKA-Gesetz jedenfalls findet sich dazu keine entsprechende Vorschrift. Im Gegenteil: es finden sich dafür eine ganze Reihe von Passagen (bspw. §§ 10, 27), welche eher nahe legen, dass Ziercke das nicht darf.

Sowohl Jörg Ziercke in seiner Funktion als Präsident des BKA als auch Klaus-Dieter Fritsche als ehemaliger Vizepräsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (1996 – 2005) und Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt (2005 – 2009) wurden seinerzeit zur Befragung jeweils vor den NSU-Bundestagsuntersuchungsausschuss geladen.

Beide gaben lange Vorab-Erklärungen ab, in denen sie, der eine mehr, der andere weniger, ein gewisses Versagen der Sicherheitsdienste bezüglich des NSU zugaben. Beide aber offenbarten in den anschließenden Befragungen durch die Abgeordneten, dass es sich hierbei wohl um bloße Lippenbekenntnisse handelte und sie eine „interessante Rechtsauffassung“ hätten, wie der Ausschussvorsitzende Edathy gegenüber einem der Befragten sarkastisch anmerkte. Während die Aussagen Zierckes Kopfschütteln unter den Ausschussmitgliedern auslösten, kracht es in der Befragung eines sich vor dem Ausschuss dreist gerierenden Fritsche gewaltig: „Es gibt Grenzen dessen, was man hinnehmen muss!“ ruft der Ausschussvorsitzende Edathy und ordnet eine Sitzungspause an.

Formulieren wir es mit aller Zurückhaltung einmal so: Dass die „Kollegen“ aus Five-Eyes-Kanada so nett waren, ihre Ermittlungen an die „deutschen Freunde“ weiter zu leiten und dass sich ausgerechnet der Name des Mannes auf dieser Liste wieder fand, welcher maßgeblich Ziercke und Fritsche im NSU-Untersuchungsauschuss vor den Augen der Öffentlichkeit grillte, so dass dieser etwas schwante und bis heute schwant, dürfte die beiden Super-Sicherheitsleute nicht unbedingt geärgert haben. Welches Zähneknirschen hätte es vermutlich anders herum ausgelöst, wäre Edathy etwa Justizminister geworden. Oder noch schlimmer aus damaliger Sicht und sicherlich nicht nur der beiden: Innenminister.

Noch einmal: Durfte Ziercke Fritsche im Oktober 2013 über den „Anfangsverdacht“ gegen Edathy informieren? Und wenn Ziercke es, wie kolportiert wird, vertraulich tat, hätte Fritsche es dann weiter an seinen damaligen Chef Hans-Peter Friedrich geben dürfen? Wieso – falls Ziercke durfte – hat SPD-Mitglied Ziercke dann nicht direkt seinen auf dem Weg in die GroKo befindlichen Parteivorsitzenden informiert? Wieso dieser Umweg?

Wäre ich Journalist, wären das die Fragen, die ich heute stellen würde. Das Berliner Schmierentheater um die GroKo, um Friedrich, um Oppermann & Genossen, was die wann wussten und wie sie heucheln und lügen im Augenblick, ist sicherlich sehr unterhaltsam, lenkt aber m.E. von den wirklich spannenden Frage ab.

Jörg Ziercke ist immer noch Präsident des BKA. Klaus-Dieter Fritsche ist inzwischen zum „Staatssekretär für Belange der Nachrichtendienste“ im Bundeskanzleramt aufgestiegen, einen auf Grund der NSA-Affäre neu geschaffenen Posten in Merkels unmittelbarem Dunstkreis.

Vielen Dank an die FC-Mitglieder Sönke Paulsen und Gold Star For Robot Boy, deren aktuelle Beiträge u.a. ich mir erlaubt habe, in oben stehendem Beitrag zu verlinken.
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