Während alle immer nur vom "deutschen Breaking Bad" reden, schreitet der Polizeiruf: Käfer und Prinzessin zur Tat. In der trostlosen Landlust-Kommune, die das Brandenburger Setting diesmal bestimmt, entpuppt sich Kassenwart Gunnar (Godehard Giese) als Chemielehrer, der in einem Wohnwagen einen komplexeren Aufbau an Apparaturen aus der Chemikerszene zu stehen hat, wie es unter Berücksichtigung lieb zu gewinnender dialektaler Eigenheiten der Gegend heißen müsste. Dass sich dieser Moment nun besonders aufregend anfühlt, lässt sich schwer behaupten; es fühlt sich an wie beim Memory, wenn die passende Fernsehfilmkarte zum akutellen Fernsehfilmdiskurs gefunden wird.
Undenkbar ist natürlich, dass Kommissarin Olga Lenski (Maria Simon) von diesem Diskurs wissen beziehungsweise in ihrem Rollenleben womöglich "amerikanische Fernsehserien" schauen könnte – und also die Anspielung des Films selbst erkennen dürfte. Sie ruft stattdessen nach Experten, was lahm ist, weil ein Teil der Zuschauer den – das ist nur annähernd der richtige Begriff – Witz checken wird. Popkultur ist der Stock im Arsch des hiesigen Fernsehfilms, wobei man mit der Erinnerung an Fränkie Schätzings selbstreferentiellen - das ist nur annähernd der richtige Begriff – Witz letzte Woche dann doch froh ist, dass hier nichts gewagt wird.
Lieber auf Nummer sicher (RBB-Redaktion: Daria Moheb Zandi), ein sozialdramatischer Standardrealismus (dass Olga Lenski Breaking Bad nicht kennen darf, hat auch damit zu tun, dass das eine Komik reinbrächte, mit der man dann umgehen können müsste; siehe Magdas Hinweis zu alternativen Erzählweisen von Fetischsexdarstellung unlängst), das übliche Verdächtigenkarussell, bei dem sich immer nur sukzessive ans Filmende aka den Täter rangedreht wird. Jeder Überführungserklärung ("Wir habe in seiner Kopfwunde Metallspuren gefunden") steht "Ich bin eine Überführungserklärung" auf der Stirn geschrieben. Die Widerrede wird dann mit Blindtext aufgefüllt (Buch: Clemens Murath): "Das sind doch alles Spekulationen." Das wird hier, in variierter Form, zweimal erwidert aufs Verdacht-auf-den-Kopf-zusagen.
Platz 187
Dit is Deutschland: Da streiten Verdächtige mit Polizistinnen über Verdachtsindizien, als säßen sie in der Anschlusssendung bei Günti Jauch zum Thema "Extremismusklausel – rein oder raus?". Und da geht es nicht darum, dass das im echten Leben vermutlich anders wäre, dass man als Verhörter dem Verhörer nicht kubickigesteuert "Das sind doch alles Spekulationen" antworten würde, sondern: dass sich das einfach nicht anhört. Alle Figuren im Polizeiruf verhalten sich journalistisch, was Dialoge schwer fassbarer Schönheit generiert: "Platz 185 von 187 auf diesem Human Development Index". "Mensch Olga, unsere Böden sind verseucht." "Das Ganze orientiert sich am gehobenen Landhausstil."
Und es sieht auch nicht aus, wenn der Täterdisqualifikationsgrund "Kann nicht Autofahren" überprüft wird (wie genau das geht, egal), indem die Kamera durchs Bürofenster auf Olga filmt, die eine resignative Rausbequemgeste macht und dann mit Gunnar Richtung Haus trottet. Das ist doch kein Bild für einen Film (Kamera: Henner Besuch). Dafür kommt das Interview von Gruppenguru Harry (Peter Lohmeyer) daher, als wäre es für einen Coffee Table-Klassiker fotografiert: Mitten im Dialog wird vom schick-minimalistischen Aikido-Background in den naturverbundenen Peter-Lustig-Duschwagen gewechselt.
Würden Fernsehpreise einmal für die tatsächlich wichtigen Kategorien des deutschen Fernsehfilms verteilt – Grimme-Gold für die Beste Informationsvermittlung-while-Tätigkeitsausübung wäre dem Polizeiruf nicht mehr zu nehmen. Wenn man dann noch würdigt, dass dem Gespräch ein unvermitteltes Aikido-Pas de deux voranging, könnte die Auszeichnung für die Beste vorauseilende Selbstparodie in einem Aufwasch mitvergeben werden.
Idealismus, Geld
An dieser Stelle kann man sich fragen, ob das Käfer und Prinzessin-Mittelmaß überhaupt filmische Erzählung sein will oder nicht doch nur Motivbehauptungszettelkasten? Keine der Figuren, die wie Verwaltungsvorgänge durchgegangen werden, geht einen was an, die angebliche Kinderfreundschaft zwischen Olga und Ruth (Fritzi Haberlandt) am allerwenigsten. Die sitzen am Lagerfeuer und tun so, als schauten sie alte Rechnungen durch (damals, Indien) und stießen dabei auf große Themen (Freundschaft, Verrat). Die stehen da aber immer nur als Investitionswunsch. Ebenso dröge: dass mit der Landlust-Gruppe, die ja durchaus Gegenwart eines alternativen Lebens und bürgerlicher Existenzvorstellungen sein könnte, stereotyp ein Idealismus verbunden wird, der sich am Geld reiben soll.
Wenn Regisseur Robert Thalheim, der immerhin einen gewissen Kino-Werk-Fame mitbringt, an seinem Sonntagabendkrimidebüt mehr interessiert, als den Job zu tun, dann ist diese Ambition so gut versteckt, wie man die Eier an upcoming Ostern vielleicht doch nicht platzieren sollte, um Demotivation und Frust bei suchenden Kindern zu vermeiden. Ein wenig Wärmen an Wollpullovern und Romantic-Mucke ist das einzige auktoriale Sediment, das sich im Eindruck der Zuschauerin ablagert.
Ein Hinweis in eigener Sache: Ab kommenden Sonntag (13. April) erscheint diese Kolumne auf watson.ch
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.