Am Anfang war viel Wort

Bühne Das English Theatre versucht, afrodeutsches Leben in Deutschland dramatisch zu erzählen: „Schwarz gemacht“
Ausgabe 10/2014

Die Sache mit dem Blackfacing löst Daniel Brunets Inszenierung von Schwarz gemacht am English Theatre in Berlin elegant. Anlass zu dem Stück, geschrieben von Alexander Thomas, bildete schließlich die Diskussion um das pro-blematische, weil rassistische Theatermittel des Schwarz-Schminkens von Akteuren auf der Bühne, die sich vor zwei Jahren an einer Berliner Dieter-Hallervorden-Inszenierung entzündet hatte.

In Schwarz gemacht ist nun zu sehen, wie der afrodeutsche Schauspieler Klaus (Ernest Allan Hausmann) in einem kurzen Filmclip, der auf die Rückwand der Bühne projiziert wird, beim Dreh eines kolonialistischen Films mitwirkt. Das Stück spielt in den dreißiger Jahren, Klaus’ Rolle erinnert an Darsteller wie Louis Brody, Mohamed Husen oder Theodor Michael, die als mehr oder weniger prominente Komparsen in den Propaganda- und Unterhaltungsproduktionen der UFA spielten. Und die – wie Klaus hier nur andeutet durch einen Griff in die Schminke, ehe der kurze Clip abbricht – mitunter „schwärzer“ gemacht wurden, als sie waren, um das Bild zu zeichnen, das man von Afrika, Exotismus, „Untermenschen“ haben wollte.

Brody, Husen, Michael

Leider ist Schwarz gemacht im Ganzen nicht so smart wie die Andeutung des Schminkens als Kommentar zur leidigen Frage, ob nicht Schwarz-Anmalen auf der Bühne aus irgendeinem wohlmeindenden Grund doch gerechtfertigt sein könnte. Dass das Stück vor der Pause des fast zweistündigen Abends vor allem damit beschäftigt ist, Kenntnisse über die Umstände seiner Geschichte zu vermitteln, hat natürlich auch damit zu tun, dass diese Umstände in breiterer Öffentlichkeit als unbekannt angenommen werden müssen. Louis Brody, Mohamed Husen und Theodor Michael sind gängige Namen nur für Leute, die schon einmal in die afrodeutsche Geschichte hineingelesen haben. Wobei man vermutlich nicht falsch liegt mit der Vermutung, dass das Publikum im English Theatre zu einem Großteil aus solchen Leuten besteht.

Thomas’ Stück entwirft Klaus als Untermieter mehr (Marco Klammer sehr auf die Pointe hin als verhinderter Regisseur Walter) oder weniger rassistischer (Kerstin Schweers mütterlich als Schauspielerin Ruth) Filmschaffender. Als dramatische Impulse kommen die US-Botschafter-Tochter Lisa (Miriam Anna Schroetter) und der US-Musiker Maurice (Sadiq Bey) hinzu, der nur inoffiziell auftreten kann. Zwischen Lisa und Klaus bilden sich zarte Bande, wogegen die Gespräche mit Maurice für Klaus eher Bewusstseinsbildung bedeuten: Über sein Anderssein, das die Nürnberger Rassengesetze der Nazis festschreiben.

Die Pointe in dem Stück des afroamerikanischen Autors Thomas besteht am Ende in der Schizophrenie der USA, die in Gestalt Lisas, die Klaus liebt, aber Maurice verachtet, nicht gänzlich überzeugend dargelegt wird: Dass man gegen das antisemitische Nazi-Deutschland kämpft als Land, das selbst in „Rassen“ segregiert.

Schwarz gemacht ist, mit seiner als perspektiviertem Bilderrahmen angelegten Bühne (David L. Arsenault), als Anfang zu betrachten, die an dramatischen Wendungen nicht arme Geschichte afrodeutschen Lebens für die Bühne zu gewinnen. Statische Wissensvermittlung könnte künftig allerdings den informativen Texttafeln im Foyer überlassen werden.

Schwarz gemacht Regie: Daniel Brunet . Weitere Termine unter etberlin.de

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Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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