Am Set und mit Scheck

Deutscher Filmpreis Wie Erfolgsbeteiligung im deutschen Kino angemessen repräsentiert wird. Eine Bildbeschreibung
Ausgabe 17/2017

Am 28. April wird in Berlin der Deutsche Filmpreis verliehen – ein auf Oscar-Ähnlichkeit bedachter Termin, um staatliche Fördergelder gemäß einer Mehrheitsentscheidung der Filmakademie-Mitglieder zu verteilen und schöne Bilder zu produzieren: roter Teppich, lächelnde Sieger, triumphale Gewinner. Wie Erfolgsverantwortung beim deutschen Film aussieht, konnte man zuletzt im Umfeld der Oscar-Verleihung sehen.

Maren Ades Film Toni Erdmann war bekanntlich als nominierter Beitrag in der Kategorie Bester fremdsprachiger Film in die USA gereist und wurde am Vortag der Verleihung von einem Empfang begrüßt, der von der German Films Service + Marketing GmbH organisiert wurde – mit Villa Aurora und Deutschem Generalkonsulat, unterstützt von der Filmstiftung NRW.

Dabei entstand vor einer Förderer- und Sponsoren-Logo-Wand ein tolles Bild mit zehn am Erfolg des Films Beteiligten (siehe oben): Wer Toni Erdmann gesehen hatte, konnte in der hinteren Reihe die Darstellerinnen Sandra Hüller und Peter Simonischek erkennen. Rechts neben Simonischek war Produzentin Janine Jackowski (Komplizenfilm) zu sehen, links von Hüller Antonin Svoboda von der österreichischen Koproduktionsfirma (coop99). Maren Ade fehlte.

Big Playerinnen

Die verbleibenden sechs Personen – vier Frauen und zwei Männer – waren nun keineswegs, was branchenfremde Bildbetrachterinnen vielleicht vermuten könnten, Kreative, also etwa für Szenenbild, Kamera, Oberbeleuchtung oder Script Continuity zuständig. Sondern Förderer: also die Repräsentantinnen jener Institutionen, die sich hinter den Textblöcken voller Abkürzungen verbergen, die am Anfang deutscher Filme zu lesen sind: Petra Müller (Filmstiftung NRW = FMS), Kirsten Niehuus (Medienboard Berlin-Brandenburg = MBB), Maria Köpf (Filmförderung Hamburg-Schleswig-Holstein = FFHSH), Klaus Schaefer (Filmförderfonds Bayern = FFF), Ulrike Schauz (von der Beauftragten für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters = BKM) und Peter Dinges (Filmförderungsanstalt = FFA).

Kurz: die Big Playerinnen der deutschen Kinolandschaft, die Vorsitzenden von mehr oder weniger direkt mit staatlichem Geld ausgestatteten Anstalten öffentlichen Rechts. Die Länderförderer (FMS, MBB, FFHSH, FFF), an die seit mehr als zwei Dekaden föderale Kulturpolitik outgesourct ist, gehören zu den potentesten Geldgebern des deutschen Films mit Etats zwischen zehn und gut 40 Millionen Euro jährlich. Und die Arbeit dieser dem Intendantenprinzip folgenden GmbHs lässt sich am besten in solchen Bildern wie dem beschriebenen verfolgen – dem Gruppenfoto mit wechselnden Machern eines Films.

Diese Bilder erzählen Erfolgsgeschichten in zwei bis drei Motiven. Am Anfang steht das Setfoto, für das die Förderchefinnen zu den jeweiligen Dreharbeiten reisen. Es geht dabei nicht um Kontrolle (der Geldgeber überprüft, ob alles in Ordnung ist), sondern allein um das Bild aus dem Geist des Selfies („Ich war da“); die Filmproduzenten nutzen solche Unterbrechungen der eigentlichen Arbeit nicht selten für einen Pressetermin mit Interviews und Schnittchen.

Am Ende wird das Premieren-, Preisverleihungsvorabend-, Gewinnerfoto gemacht. Ein Subgenre dieses Motivs ist das Bild mit übergroßem Scheck, durch das ein erfolgreicher Film die Rückzahlung seiner Fördergelder belegt. Auf diesen Fotos ist die Arbeit, die die Geldgeber des deutschen Films verrichten, am besten zu erkennen („bedingt rückzahlbare Darlehen“ heißen die meisten Mittel, weshalb die tatsächliche Rückzahlung den Erfolgsfall anzeigt).

Das natürliche Umfeld, in dem solche Bilder veröffentlicht werden, sind Branchenmagazine wie Blickpunkt: Film. In einer einmaligen Freitag-Sichtung des Jahrgangs vor dieser Filmpreis-Verleihung (48 Hefte seit Mai 2016) konnten folgende Häufigkeiten von Auftritten der oben genannten Toni-Erdmann-Crew erhoben werden: Kirsten Niehuus (MBB) war 15 Mal auf einem Gruppenbild zu sehen, Petra Müller (FMS) und Klaus Schäfer (FFF) je 13 Mal, Maria Köpf (FFHSH) 5 Mal. Nicht mitgerechnet sind regelmäßige PR-Veröffentlichungen, die nur aus solchen Fotos bestehen, Einzelbilder (bei Interviews oder anderen Beiträgen) oder die Auftritte subalternen Personals aus den besagten Institutionen.

Faszinierende Serialität

Die Serialität der Bilder ist faszinierend. Es ließen sich – zumal über all die Jahre, in denen die Förderchefinnen auf den Bildern nun schon ihrem Job nachgehen – vermutlich umfassende Mode-Geschichten verfassen. Man erfreut sich an der Professionalität der Repräsentantinnen und erkennt wiederkehrende Performance-Strategien: Petra Müllers (FMS) signature move ist, wie auf dem Toni-Erdmann-Foto zu erkennen, zumeist am rechten Bildrand quer (und nicht frontal wie alle anderen) zum Standpunkt der Einstellung zu stehen und den Kopf wirkungsvoll (sie ist leicht wiedererkennbar) in Richtung der Kamera zu drehen. Kirsten Niehuus (MBB) nimmt dagegen häufig eine Position in der Bildmitte ein; sie ist unglaublich gut darin, das Lächeln, das es auf solchen Bildern braucht und an dem aufgeregte Anfänger häufig scheitern („Cheeeeese!“), so begeistert und ungekünstelt variieren zu können, dass sie damit jeweils spezifische Freude, wenn nicht fast Übermut rüberbringt.

Natürlich ist auf den Schnappschüssen nicht zu übersehen, welchen wichtigen Anteil die Vorsteherinnen der Förderanstalten öffentlichen Rechts für deutsche Filme haben. Da sie anders als Schauspieler aber nur über eine Branchenprominenz verfügen und weil sie in der Wiederholung der Bilder die Konstanten sind (die Schauspielerinnen und Regisseure an ihren Seiten wechseln), erinnert einen die konzentrierte Betrachtung solcher Bilder auch an die Fotoalben von Autogrammjägern, in denen Fans oder Kleindarsteller die Aufnahmen sammeln, die sie an der Seite von Berühmtheiten ergattert haben.

Die Autogrammjäger schreiben ihre Existenz durch solche Bilder in die jeweilige Zeit ein, deren bekannteste Gesichter die berühmten Menschen neben ihnen sind; es geht um den Nachweis von Existenz. In diesem Sinne könnte man über die professionellen Gruppenbilder der hiesigen Förderszene auf jeden Fall sagen: Es kann kein deutscher Film existieren, zu dem es nicht ein solches Foto gibt.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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