Wenn die Utopie kleine Brötchen backt, kommen Ferien dabei heraus. Der Urlaub ist des Angestellten Westentaschensehnsucht nach dem Anderen, das sein Leben sein könnte. Und dieses Andere erscheint, obwohl als Abwechslung gedacht, selbst wieder nur: als Routine.
Sehen kann man das an einer extremen Variante des Urlaubs, dem amerikanischen „Spring Break“. Gemeint sind damit die Frühjahrsferien, die College-Studenten vorzugsweise in Florida verbringen und die den Stundenplan an der Universität durch Totalfeierei im Hotel mit Pool ersetzen. Die Krassheit von rauschmittelbasiertem und sexualorientiertem Dauerabschuss zeigt den Aufwand an, der nötig ist, um „life“ wieder in Balance mit „work“ zu kriegen. Der spätjugendliche Vergn
e Vergnügungsdruck markiert eine Schwellensituation, die in der Enthemmungsroutine eine Art Ritus erkennen lässt: „Spring Break“ wäre dann der Urlaub, den sich Studenten vorm Erwachsenwerden nehmen, eine letzte Auszeit vom Ernst des Lebens.Feuchte Höschen kriegen beim kommerziell organisierten Feiern, dem hierzulande am ehesten wohl die Abifahrten in Richtung Ballermann und Benidorm entsprächen, nicht nur die Beteiligten. Es gibt, auch im deutschen Privatfernsehen, eine Form von Bildproduktion, die sich an der Enthemmung „Spring Break“ delektiert unter dem Vorwand von Besorgnis und Information – und dabei auf nackte Haut, trunkene Verpeiltheit und Sex hofft.In diese Bilderwelt und Alltagskultur schreibt sich nun der Film Spring Breakers ein, was in dem Fall mehr als eine Floskel ist, weil der Ausdruck das Verfahren von Regisseur und Autor Harmony Korine charakterisiert. Korine ist ein Darling des amerikanischen Independent-Kinos, bekannt wurde er als Drehbuchautor zu Larry Clarks Filmen Kids (1995) und Ken Park (2002). Mit seinen eigenen Filmen wie Gummo (1997), Julien Donkey-Boy (1999) und Trash Humpers (2009) hat sich Korine intensiv in abgelegene Wirklichkeiten begeben – nicht um mit Hyperrealismus anzugeben, sondern aus Drang nach einer Unvermitteltheit, wie man ihn in Ausprobierformaten wie MTVs Jackass als bloße Technik findet.Die dunkle Seite FloridasSpring Breakers ereignet sich in den realen „Spring Break“-Feierlichkeiten von St. Petersburg, Florida. Dorthin reisen vier junge Frauen, die der Tristesse ihrer College-Provinz in etwas Eigentlicheres entkommen wollen. Ein wichtiges Moment von Korines Einschreibesystem ist die Besetzung: Mit Vanessa Hudgens als Candy und vor allem Selena Gomez als bibeltreuer Faith kommen hier zwei Teenie-Idole aus der heilen Disney-Welt auf der dunklen Seite Floridas an. Das filmografische Kalkül, das in beider Karriereplanung steckt, hat etwas mit der Mechanik des „Spring Break“ zu tun – es geht in beiden Fällen ums Erwachsenwerden. Um sich aus dem Illusionierungshorror zu befreien, dank dessen es Gomez und Hudgens an die Kinderzimmerwände dieser Welt geschafft haben, bedarf es des Schocks von Sodom und Gomorrha.Verhandelt wird in Spring Breakers die Sehnsucht nach einem anderen Leben, wie vor allem Gomez’ Faith aus dem Off wiederholt und für dessen Finanzierung Candy (Hudgens), Brit (Ashley Benson) und Cotty (Korines Frau Rachel) einen Diner überfallen. Wie klein die Brötchen der Utopie sind in den Augen dieses Amerikas, kann man an der Bockigkeit erkennen, mit der auf dem Traum beharrt wird, den der „Spring Break“ erfüllen muss. Der Film erzählt das Erwachsenwerden als Ausscheidungsrennen, bei dem die Vorstellung von immerwährenden Ferien ihre Grenzen hat, wenn sie im zweiten Teil des Films mit der Gewalt des lokalen Gangsterrappers Alien (James Franco in einer grotesken Maske) gestreckt werden muss. Zuerst tritt Faith die Heimfahrt an, dann die bei einer Schießerei verletzte Cotty. Zugleich steckt, bei aller Übertreibung, in den Rollen von Brit und Candy, die vielleicht nicht zufällig mit „Pussy Riot“-ähnlichen Mützen Alien bei seinem mörderischen Geschäft assistieren, eine bemerkenswerte Suche nach weiblich-weißer Selbstbehauptung.Studie in PrätentionStatt sich an Sex und Trunkenheit zu delektieren, verzerrt Spring Breakers die schwellenrituelle Massenparty zur Kenntlichkeit. Skrillex’ schwer effektverschmierter Dubstep-Hit „Scary Monsters and nice Sprites“ nimmt, wie der Film mit seinen Off-Texten und klugen Schnitten, wieder und wieder Anlauf, um die auf Zeitlupe gestellten Panoramen von sexueller Selbstvergrößerung zu untermalen: Trinkspiele am Strand, bei denen Jungs Flaschen masturbierend auf Höhe ihres Geschlechts halten, während drunter liegende Mädchen das ausspritzende Bier zu trinken versuchen.Korines Film hält dieses Umfeld auf Distanz, es geht ihm um Struktur. Spring Breakers kommt nicht, könnte man in der Sprache des Pornos sagen, mit dessen Unverstelltheit das ganze Setting zu liebäugeln scheint. Spring Breakers ist vielmehr eine quälend-beeindruckende Studie in Prätention – der nicht endenden Behauptung von etwas, das sich nicht erfüllt haben wird, wenn es zwischendrin passiert sein soll: dem Traum vom „Spring Break“ für immer etwa, von einem anderen Leben.Trailer zum Film: