Bester Papa

Ikone Paul Belmondo hat über seinen Vater Jean-Paul einen Dokumentarfilm gedreht. Kein anderer hätte das besser gekonnt
Ausgabe 16/2016
Der eigene Vater als Ikone?
Der eigene Vater als Ikone?

Bild: Benjamin Auger/ Paris Match via Getty Images

Es ist kein herausragender Film, und gerade deshalb trifft er seinen Gegenstand adäquat. Belmondo von Belmondo lautet der etwas ungelenk übersetzte Titel der DVD- und VoD-Veröffentlichung (aus dem französischen Belmondo par Belmondo), der Sohn, Paul Belmondo, fährt mit dem Vater, Jean-Paul Belmondo, die Stationen von dessen Karriere ab: Rom, Rio, Monaco, Paris, zumeist in einem fast angeberisch abgefilmten schwarzen, alten Ford Mustang Cabrio, dazu puffige Musik.

Ein alter Mann – Belmondo ist gezeichnet von einem Schlaganfall vor 15 Jahren – trifft andere alte Männer, manchmal auch Frauen, geplaudert wird ausnahmslos totalbegeistert, „weißt du noch“ und „das war so“. „Alles kann man hier auch nicht erzählen“, sagt Belmondo einmal, was bedeutet, dass keine Information gegeben wird, die sich nicht in ein Lachen auflösen ließe.

Die Stimmung ist sonnig. Der Sohn muss sich nicht abarbeiten am Vater (auch wenn er bei mancher Episode murmelt, dass er davon womöglich „traumatisiert“ worden sei), und der Vater macht sich keine Mühe, den Eindruck zu trüben, er habe Leben und Arbeit genossen. Ein Sonntagskind.

„Alles soll einfach und schön sein“, sagt der Schauspieler Jean Dujardin, Jahrgang 1972, im Film über die „Belmondo-Welt“. Und er sagt auch den tollen Satz, dass Belmondo der Familie gutgetan habe, die sich zu seinen Filmen vor dem Fernseher versammelte. Belmondo als idealer Papa für den jungen Dujardin – an diesem Punkt versteht man, warum kein anderer als Paul Belmondo diesen Film machen konnte.

Für Frankreich. Denn so gutaussehend und lässig, komisch und draufgängerisch hat das Land keiner verkörpert; eine strahlende, weiche Vaterfigur als Erbe des schweren Jean Gabin (und mit Alain Delon als geliebter, aber problematischer „Bruder“). Belmondo ist seine eigene Welt: „Bei 90 Filmen fällt die Auswahl schwer“, stöhnt der Film einmal. Wir haben eine getroffen, drei Filme aus dem Spätsommer des Werks, die zeigen, warum es schwer ist, Belmondo nicht zu mögen. Matthias Dell

Info

Belmondo von Belmondo Paul Belmondo Sprachen: dt., frz., UT: dt., 100 Min., Edel

Drei Empfehlungen Der ganze Belmondo

Angst über der Stadt (1975)

Belmondo zeigt Gesicht. Als Erstes auf dem Foto seines Polizeiausweises im Close-up, dann in den zahlreichen, schier irrwitzigen Stunts, bei denen die Kamera stets darum bemüht ist, die räumliche Kontinuität zwischen Stargesicht und Situaton zu beglaubigen – hier riskiert der Star noch selber Kopf und Kragen, Belmondo über der Stadt.

Gejagt wird ein Frauenkiller, ein Vigilant, von Pornokinos und 70er-Flokati-Lotterleben zum Äußersten getrieben: harte Männer im Softies-Morast – schönster Pulp-Megamix in Sichtweite zum italienischen (siehe Giallo, Poliziottesco) und amerikanischen Kino (siehe Dirty Harry, French Connection) vor Urban Glam, Moderne und Inneneinrichtungs-Schangel.

In dieser bewohnbar eingerichteten Wunderwelt aus Beton, Plastik und Flausch bildet Belmondo eine anti-intellektuelle Leerstelle, rastlos, kein Privatleben. Körper ist er ganz und gar: Für diesen Job, sagt er am Ende, brauche es „ein kleines Gehirn und Muskeln“. Schon als Knirps wollte er zu den harten Männern gehören, wie er sie bei den Amerikanern gesehen hat. Die Frau, mit der er da flirtet (wenig später ist sie unbetrauert tot), lacht hell auf über die Auskunft – wie infantil und aus der Zeit dieser mondänen, weichen 70er gefallen. Im Profi taucht dieser Belmondo 1981 wieder auf: Als Geheimdienst-Killer hat er sich aus dem Korsett der Rechtsstaatlichkeit nun endgültig gelöst. Thomas Groh

Der Unverbesserliche (1975)

In einer Zeit, in der Belmondo in seinen Filmen zum einsamen Wolf mutierte, sich vom künstlerisch experimentellen Kino verabschiedete, obwohl es 1974 zu einer Zusammenarbeit mit Alain Resnais gekommen war, und seine Filme eine existenzialistisch-schwermütige Note bekamen, waren da immer noch die Cascadeur- und Filoukomödien, mit denen er in den 60ern für Furore gesorgt hatte.

Der in der Adoleszenz eher renitente Belmondo, der das Glück familiärer Förderung genoss, spielt in Der Unverbesserliche einen Hochstapler und Alleskönner, der amerikanischen Geschäftsleuten den Eifelturm verhökert und mit Ölscheichs als vorgeblicher Konzernchef Milliarden-Deals aushandelt. Wenig später hat er aber auch kein Problem damit, in die Rolle eines respektablen Anwalts zu schlüpfen, der einen Scheidungsfall vorantreiben muss und die den Ehemann kompromittierenden Fotos zustande bringen möchte, indem er einfach das Geschlecht wechselt und als aufgetakeltes Vollweib selbigen bezirzt.

Parallel dazu muss er sich noch um eine seiner unzähligen Geliebten kümmern, eine nicht minder aufgetakelte Opern-Diva, die sich aufgrund seiner Verkleidung auf sexuelle Rollenspiele freut, bevor dann aber alles durch eine Razzia im Milieu ein jähes Ende auf der Polizeiwache findet. Und so kann dieser Amoklauf, durch den Belmondo am Rande zur Hysterie bis zum vollständigen Verlust der Identität irrt, nur gestoppt werden durch etwas, woran schon viele Träume von Freiheit und Selbstbestimmung zerschellt sind: durch die Mauer des konservativen Bürgertums. Marcos Ewert

Der Greifer (1976)

Ein Film wie eine Links-Rechts-Kombination in Belmondos faszinierend inkonsistentem 70er-Jahre-Werk, die französische Antwort auf Charles Bronsons Ein Mann sieht rot, ohne die kleinbürgerliche Saubermann-Moral. Der Titelheld erledigt für „den Staat“ die Drecksarbeit und stellt keine Fragen, solange seine ominösen Auftraggeber zahlen. Der einstige Großwildjäger sieht die Jagd auf den kriminellen Abschaum sportlich: „Das einzig interessante Raubtier, das es zu jagen lohnt, ist der Mensch.“ Jeder Schnitt, jede Kameraeinstellung, jeder Punch in Der Greifer sitzt; so ökonomisch drehte man damals nur Exploitationfilme. Belmondo bewegt sich mit der Anmutung eines trägen Raubtiers durch Industriebrachen und desolate Provinzlandschaften: ein freies Radikal im Zerfallsprozess der staatlichen Ordnung.

Dazu zaubert die deutsche Gaga-Synchro von Rainer Brandt („Rede, sonst schrauben sie dir einen Piephahn aus Plastik ein!“) immer wieder verblüffende kognitive Dissonanzen hervor. Der katholische Filmdienst fand das gar nicht lustig, ein Gütesiegel für die Bahnhofskino-Klientel. Die bekam im Abspann noch ein Oscar-Wilde-Zitat (alte Godard-Schule). „Niemand ist so reich, sich seine Vergangenheit zurückzukaufen.“ Macht im Zusammenhang keinen Sinn, aber Eindruck. Andreas Busche

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