Der ist in Frankreich 'ne Unterweltgröße

Tatort Quatsch mit Soße oder Soße mit Quatsch? Das neue Saarbrücken um Stellbrinken (Devid Striesow) versagt schon beim Debüt "Melinda" derart, dass einem die Worte fehlen

Kappl und Deininger (aka Maximilian Brückner und Gregor Weber) sind umsonst gestorben. Oder was soll dieser neue Saarbrücker Tatort in der redaktionellen Verantwortung von Christian Bauer? Saugt wie nichts Gutes.

Melinda ist von einem Format, dass man eigentlich am liebsten gleich hier Schluss machen würde mit dem Text, weil das ganze Aufregen doch nicht gut für die Nerven ist und am Ende nur zu Magengeschwüren führt. Nils Minkmar, Deutschlands leading saarländischer Feuilletonist, hat sich am Donnerstag schon im Verzweifeln in der FAZ geübt, und der dort unter anderem kritisierte Umstand, dass man Sarrebruck nicht sieht in einem der raren dort spielenden SR-Tatort-Filme, ist bei der Vollkatrastophe, die Melinda ist, fast am lässlichsten. Die Idee von Regionalität ist im Tatort mit den Jahren eh immer prekärer geworden.

Die einzige Frage von Belang, die Melinda stellt, lautet: Wie es dazu kommen konnte? Wenn man davon ausgeht, dass Schauspieler Ahnung vom Spielen, Drehbuchautoren (Lars Montag, Dirk Kämper) Ahnung vom Drehbuchschreiben und Regisseure (Hannu Salonen) Ahnung vom Inszenieren haben, und das alles auch nicht erst seit gestern, und alle sowieso auf der Seite des Guten immer für den besten aller Fernsehfilme fighten – was ging dann schief bei Melinda, dass so ein Murks herauskommt wie im vorliegenden Fall?

"Nordafrikanische" Diplomaten

Devid Striesow etwa, der ein toller Schauspieler ist und der auch verschiedene Charaktere überzeugend spielen kann, hätte es gut getan, wenn er die Rolle als – immer noch – Kommissar Jens Stellbrink nicht ausschließlich als völlig überdrehtes Kind auslegen würde. Nichts gegen everybody's own style, aber wie soll ein Darsteller einer dann doch irgendwie seriösen Figur je Sympathien wecken können, wenn er so demonstrativ „unkonventionell“ im Baumarkt unter Reggae-Gedröhne-Einkaufen geht und noch nicht mal an der Kasse – how asozial - die Kopfhörer abnimmt?

Wohin mit Kommissarin Lisa Marx (Elisabeth Brück) im Hinblick auf die eigenen Gefühle, wenn die sich gleich mal volltough mit der sogenannten Staatsanwältin Nicole Dubois beim Ultimate Fighting unterhalten muss in prätentiösesten Dialogen („Darf ich dir nicht sagen, Kollegin“)? Von dieser Staatsanwältin (Sandra Steinbach), die uns wie ein Kind vorkommt und nicht wie eine Führungsperson, ganz zu schweigen. Und der vierte im Bunde, Horst „Zusammenfasser“ Jordan (Hartmut Volle) macht, was der Name schon sagt. Zum Glück kommt Saarbrücken nicht so oft im Jahr.

Der Fall ist absurd, was schon damit anfängt, dass es um „nordafrikanische“ Diplomaten geht, die erstens, weil ja selbst am Diplomatenschalter an der Grenze (by the way, welcher Grenze zwischen Metz und Sarrebruck im Sinne der Zollkontrolle eigentlich?) immer noch die Möglichkeit der Kontrolle besteht, die Drogen in Kindermägen (alle so entsetzt, als sie das Lösungswort gefunden: „Bodypacker!“) rüberschmuggeln. Und die zweitens eben aus so einem Charleys-Tante-nebulösen „Nordafrika“ kommen, von dem man die ganze Zeit nicht versteht, warum das Land nicht ausgesprochen werden kann, während die Musik (Michael Klaukien, Andreas Lonardoni) jedes Mal Orientalism kriegt, wenn einer der „Nordafrikaner“ zu sehen ist – befürchtet der SR diplomatische Krisen oder sollte der Film eigentlich ein Märchen werden?

Hobbyrätsel-Omas Rätselspaß

Der Umgang mit diesem schön verwitterten Freizeitpark, der Gulliver-Welt, die Ende Oktober erst geschlossen wurde, ist jedenfalls viel zu mysteriös, wo sich mit dem konkreten Ort doch bequem das machen ließe, was der SR bestimmt sonst auch immer will: Standortmarketing.

Nee, nee, nee, Nachsynchronisation, das Handy-Foto telepathisch versenden, die „FC Saarbrücken“-Fanschaft („Super, danke“), diese Hobbyrätsel-Oma (Silvia Bervingas) mit dem Denunzianten-Gatten (Willi Fries) – das ist noch nicht mal alles und schon viel zu viel für die wenige Zeit und vor allem: viel zu doof in der Anlage. Das Traurige an Melinda ist, dass man noch nicht einmal erkennen kann, dass da einer irgendwas wollenden Groteske – wie weiland Tukurs Dorf – von einem ängstlichen Fernsehredaktionsbürokatismus die Flügel gestutzt worden sind.

In späteren Jahren – keine Ahnung, warum wir in letzter Zeit immer so ewigkeitsselig den Gang der Geschichte evozieren müssen – wird man die völlig misslungene Folge mit demselben gelangweilten Staunen schauen wie heute den Fall Geisterbahn aus den Anfangsjahren Frankfurts. Bring mir den Kopf von Prof. Boerne! – Münster, lustig, das zieht doch.

Darauf – hätte auch nie gedacht, dass ich das jemals sagen würde, lieber René Artois – einen Seifert!

Etwas, das man über diesen Tatort nicht sagen kann: „Machst du keine Probleme“

Etwas, das man über diesen Tatort sagen kann: „Also, das passt irgendwie alles nicht zusammen“

Etwas, das man über diesen Tatort auch noch sagen kann: „Also ehrlich gesagt, ich bin da etwas ratlos“

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