Für deutsche Verhältnisse

Machismo Til Schweiger wagt mal wieder einen Actionfilm – „Tschiller: Off Duty“
Ausgabe 06/2016

Mit Tschiller: Off Duty ist Til Schweiger am Ziel seiner Wünsche angekommen: im Kino. Und so stört beim fünften Film mit der für den Hamburger Tatort erfundenen Figur des LKA-Ermittlers Niklas Tschiller der kanonische Fernsehreihenvorspann nicht mehr, den Schweiger kurz nach seiner Verpflichtung als „outdated“ bezeichnete und abschaffen wollte.

Solche Äußerungen ließen seinerzeit wenig Sinn für die Materie erkennen (was wäre der Tatort ohne seinen Vorspann?). Tatsächlich kann man davon ausgehen, dass Schweiger die möglichen Bewegungen im populären Gehege des ARD-Sonntagabendkrimis relativ egal sind. Zwar mögen die erfolgreichsten Filme hier von mehr Zuschauerinnen gesehen werden als die größten Hits auf der Leinwand, aber nur das Kino verspricht – nicht zuletzt finanzielle – Größe. Stehen für einen Fernseh-Tatort in der Regel 1,3 Millionen Euro Budget zur Verfügung, sind es bei Tschiller: Off Duty immerhin 8 Millionen.

Für einen Actionfilm ist das keine große Summe, was erklärt, warum Schweiger von jeher Energie darauf verwendet, die Relationen klarzustellen. Schon in einer Akademie-der-Künste-Diskussion vor ein paar Jahren (Freitag 6/2013) wies er darauf hin, beschieden bekommen zu haben, dass sein Actionfilm Schutzengel (2012) nach mehr Geld aussähe, als drinstecke – eine Vorwegnahme jenes ausrufezeichenlastigen Facebook-Posts nach der Tatort-Doppelfolge Anfang Januar, in der Schweiger seinen Regisseur Christian Alvart lobte („feier dich jetzt mal richtig derbe ab“).

Schweiger hat damit einerseits zwar recht (so effizient und gut wie in den Hamburger Tatort-Folgen ist Action im deutschen Fernsehen selten inszeniert worden), aber andererseits nützt ihm das nicht viel, wie Tschiller: Off Duty (Regie: Alvart) zeigt. Denn das Publikum relativiert nicht, es schätzt bei einer Jagd über den Dächern von Istanbul, wenn Tschiller und sein Hamburger Informant Idris Ervan (Muruthan Muslu) zu Fuß vor den Schergen des Geheimdiensts fliehen, nicht die Dynamik, die diese Szenen „für deutsche Verhältnisse“ haben, sondern es erinnert sich, dass am Anfang des James-Bond-Films Skyfall (Budget: 200 Millionen Dollar) hier auf Motorrädern langgedonnert worden ist. Wo Tschiller: Off Duty zur Zeitlupe greift, um den einen Gemüsestand zu zeigen, der von einem Auto umgefahren wird, kann Skyfall den ganzen Markt niedermähen.

Das sind die Regeln des Genres, dem Schweiger in Deutschland gern Erfolg im Kino bescheren würde. Am ersten Wochenende ist Tschiller: Off Duty mit weniger Zuschauern gestartet (110.000) als Schutzengel (160.000), Schweigers letzter Versuch eines deutschen Actionfilms, der unter den Millionenzahlen blieb, die dem Star bei seinen Komödien quasi garantiert sind.

Ein wenig könnte das an der Ermüdung liegen, die aus der Ballung der Tatort-Folgen resultiert. Wenn deutsches Geld schon nicht reicht, um neue Action-Standards zu definieren, hätte doch dem Drehbuch (Christoph Darnstädt) ein wenig Originalität nicht geschadet. Statt aber in den fünf zusammenhängenden Tschiller-Filmen die Momente serieller Komplexität innerhalb der Tatort-Reihe auszureizen, geht es redundant immer nur um eine Tochter in Gefahr, die vom Vater gerettet werden muss. Für die Auswertung in den Ländern der Drehorte (Türkei, Russland) könnte der Machismo alter Manier freilich hilfreich sein.

Die Mechanik des Entwurfs wird deutlich, wenn eine psychisch resettete Leonora Tschiller (Luna Schweiger) zu Beginn in Istanbul den Tod ihrer Mutter rächen will. An dem war sie durch falsche Moves in Der große Schmerz nämlich nicht unschuldig. Aber auf Eigenverantwortung und Selbsterkenntnis darf wohl erst beim nächsten Mal gehofft werden.

Info

Tschiller: Off Duty Christian Alvart Deutschland 2016, 135 Minuten

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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