Hügel der Gleichstellung

Leistungsträger der deutschen Verhältnisse Leistungsträger der deutschen Verhältnisse - Wagners Nachfolge in Bayreuth

Die Elite ist auf den Hund gekommen. Dabei verdankt sich dieser Befund weniger dem Umstand, dass Klaus Zumwinkel sein Geld nach Liechtenstein transferierte oder Heinrich von Pierer im Siemens-Schmiergeld-Skandal doch nicht von nichts wusste oder irgendwelche Leitenden Angestellten von deutschen Landesbanken am großen Rad des transatlantischen Hypothekenkreditwesens drehen wollten. Dass die Elite nicht mehr ist, was sie mal war, zeigt sich vielmehr daran, dass im Nachhinein Leute zu ihr gezählt werden, mit denen man nie gerechnet hatte. Schließlich ist Elite doch ein Begriff, der - wenn man einmal die positive Lesart zugrunde legt, mit der Lieschen Müller einst von ihr träumen konnte - mit einer gewissen Strahlkraft verbunden sein sollte, mit sozialer Fürsorge, moralischer Integrität, kultureller Prägekraft. Wenn Elite nur als Bezeichnung für die Endstation des Karrierestrebens von gut ausgebildetem Managernachwuchs herhalten soll, sagt das nichts Gutes über die gesellschaftliche Verfassung in diesem unserem Staate, aber bei Lichte besehen doch recht wenig über die Elite an sich. Und es wird nicht besser, wenn Werner Schnappauf, der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, nach dem Manager-Kahlschlag zur ethischen Wiederaufforstung des Elite-Begriffs die mittelständischen Unternehmen plötzlich "Leistungsträger" nennt. Diese Bezeichnung führt nur in die richtige Richtung, insofern das mittelständische zumeist mit dem Familienunternehmen assoziiert wird.

Denn den Nährboden des Elitären bildete über lange Zeit die Familie, auch wenn sich mit einem adornitisch geschulten Blick auf den Adel früherer Jahre diagnostizieren ließe, dass Elend und Verheerung vermutlich seit je zur Innenausstattung des Elite-Begriffs gehört haben. Die Familie erwies sich dabei lediglich als förderlich, weil die Kontrolle über ihre Ausdehnung sich hier leichter behalten ließ: Man heiratete richtig, und eine ordentliche Zahl an Nachkommen garantierte den Fortbestand des eigenen Standes. Nun ist aber auch die Familie auf den Hund gekommen. Oder zumindest das, was sich Eva Herman darunter vorstellt. Selbst katholische Bischöfe werden sich mit so standesfernen Begriffen wie Kindertagesstätte anfreunden müssen, weil die eigene Familienministerin erkannt hat, dass Frauen in Zeiten von demographischem Faktor und Globalisierung nicht allein in der Brutpflege ihr Glück finden können.

Die Lage ist prekär. Eliten wie Männer, was lange Zeit synonym gebraucht werden konnte, müssen seufzend begreifen, dass sie nicht länger unter sich bleiben können. Da bietet sich Bayreuth als Inbild deutscher Verhältnisse an. Das Bayreuth der Wagners, bei denen die geographische Wahl des Hauptquartiers (Hügel!) schon deutlich macht, wo in der gesellschaftlichen Vertikalen sie sich zu verorten gedenken. Die kürzlich gefundene Nachfolgeregelung für den Patriarchen und letzten Wagner-Enkel Wolfgang (Eva und Katharina zu Ungunsten Nikes) hat kulturpolitische und produktionsästhetische Diskussionen angestoßen. Dass durch die Ausbootung Nikes die Linie Wieland Wagner als künstlerische Dimension in Bayreuth verkümmert, verblasst vor dem einst revolutionären, nun gewöhnlichen Umstand, dass für die Nachfolge nur Frauen zur Verfügung standen. Geschlechterpolitik, wie Ursula von der Leyen sie praktiziert: Die Zeiten, sie sind eben so. Der Begriff der Familie, an dem damit noch immer festgehalten wird, mag anachronistisch anmuten; er wirkt im globalisierten Kulturbetrieb am Beginn des 21. Jahrhunderts wohl aber weniger als Beweis genialer Genealogie denn als Faktor des Standortmarketings.

Bei Siemens leitet mit Peter Löscher derweil erstmals jemand die Geschäfte, der weder zum tatsächlichen noch unternehmerischen Familienkreis gehört. Schaut man derart in die Zukunft Bayreuths (Eva - eine Tochter, Nike - ein Sohn, Katharina - bislang kinderlos), wird der Tag nicht auf sich warten lassen, an dem ein Externer im Festspielhaus einzieht. Ob Bayreuth dann auf den Hund gekommen sein wird, darf bezweifelt werden.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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