Kobolde im Kollektiv

Nachruf Zum Tod des Grafikers, Comiczeichners und Schöpfers der Digedags Hannes Hegen
Ausgabe 47/2014

Eigentlich war dieser Text mit Peter Lang verabredet. Der Kurator hatte gemeinsam mit Moritz Götze 2007 in Halle eine große Ausstellung über das Mosaik von Hannes Hegen realisiert; traurigerweise ist Lang am 11. August dieses Jahres, gerade 56-jährig, gestorben. Das zu erwähnen in einem Nachruf, der Hannes Hegen gilt, dem Erfinder der Digedags, führt unmittelbar in das Thema ein.

Denn Lang gehörte zum überschaubaren Kreis der Menschen, die von Hannes Hegen vorgelassen wurden in Berlin-Karlshorst. Mark Lehmstedt hat in seinem lesenswerten Buch über die Geheime Geschichte der Digedags gerade mal drei mediale Auftritte Hegens gezählt: ein Interview von 1990, das dazu dienen sollte, nach dem Ende der DDR Geschäftspartner für die Verwertung der Comics zu finden; den Besuch eines ZDF-Reporters 1992 im Mosaik-Atelier; eine Pressekonferenz zu einer Digedags-Ausstellung 1995 im Filmmuseum Potsdam.

Eine zurückgezogene, beinahe pynchonhafte Existenz: Tatsächlich war Hannes Hegen ein unzeitgemäßer Charakter. 1925 in Böhmisch Kamnitz (heute: Česká Kamenice) unter dem Namen Johannes Hegenbarth geboren, als Nachfahre einer sudetendeutschen Glasmacherfamilie – was den Namen Mosaik für das eigene Schaffen als konsequente Fortschreibung der familiären Tradition erscheinen lässt. Im Krieg studierte Hegenbarth kurz Glasmalerei in Wien, nach 1945 siedelt sich die Familie in Ilmenau an. Hegen ging zum Studium an die Hochschule für Grafik und Buchkunst nach Leipzig, das er wohl nie abschloss; zu seinen Kommilitonen gehörten mit Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke zwei der prägenden Maler der DDR.

Hannes Hegen hatte als Karikaturist gearbeitet, ehe es ihm 1955 gelang, staatliche Autoritäten von der Notwendigkeit des damals keineswegs als Kunst konsensfähigen Comics zu überzeugen. Das große Vorbild war Walt Disney, im Westen Deutschlands gab es seit kurzem Rolf Kaukas Fix und Foxi, in der DDR bereits Atze. Das Mosaik von Hannes Hegen, wie es der geschäftstüchtige Grafiker durchweg labelte, unterschied sich von Letztgenanntem schon in der Größe des Konzepts. Während Atze verschiedene Strips enthielt, addierten die Mosaik-Hefte allein die Digedags-Abenteuer zu verschiedenen Serien. Dieser epische Entwurf orientierte sich eher an den Tim und Struppi-Alben des belgischen Zeichners Hergé.

Peter Lang hat Hegen einen Mann des 19. Jahrhunderts genannt, was der Zugriff auf Kosmos und Geschichte belegt, durch die die Digedags in 223 Heften reisten: Die Entzauberung der Welt übersetzte sich für Hegen in universalistische Panoramen der Wissensvermittlung. Diese erarbeitete Hegen mit seinem Kollektiv, zu dem etwa seine Frau Edith gehörte, der Texter Lothar Dräger, die Zeichnerin Lona Rietschel, die in den 60er Jahren das endgültige, einfache Aussehen der Digedags besorgte. Das Kollektiv machte es auch möglich, dass nach dem unklaren Zerwürfnis Hegens mit dem Verlag und dem Ende der Digedags 1975 das Mosaik mit verändertem Schriftzug und den Abrafaxen weitergehen konnte – bloß ohne Hegen und dessen Frau. Und es ist eine weitere Ironie, dass Hannes Hegen, dessen Name ein beeindruckendes zeichnerisches Werk autorisiert, auf den wenigen Bildern, die es von ihm gibt, zumeist inmitten von heiteren Betriebsausflügen zu sehen ist.

Bereits am 8. November ist Hannes Hegen in Berlin gestorben. Er wurde 89 Jahre alt.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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