Neues Spiel, neues Glück. Frankfurt startet nach dem Abschied von Andrea Sawatzkis Charlotte Sänger und Schüttes Fritze Dellwo mit neuem Ermittlerteam. Nina Kunzendorf spielt Conny Mey und Joachim Król, der Fahrensmann der Langsamkeit, gibt Frank Steier. Kunzensdorfs Conny ist ein heißer Feger, wie man in früheren Zeiten womöglich gesagt hätte. Diese Wortwahl sei deshalb gestattet, weil der Style, den Conny Mey offensiv aufträgt, nur den verklemmten Fränki (Mey: "Sie haben ein Näheproblem") zu solch verhalten-abstrakten Diagnosen wie "Dezenz ist eine Schwäche" verleitet.
Der Rest vom Revier, das naturgemäß Männerüberschuss hat, schaut der langbeinig-enganliegende Jeans, rot-cowgirlisierende Stiefel und alle Formen und Farben von Strass, Glitter und Leder sowie ein weniger schamvolles Tattoo als das Bundespräsidentengattinnen-Tribal tragenden Conny gellend hinterher. Oder spricht es wie Peter Kurth als Kommissar Erik Seidel deutlich aus: "Boioioioioieu, die ist ja ganz geil, die Kleine" (wobei "Kleine" in Anbetracht von Kunzendorfs Körpergröße den despektierlichen Charakter dieser Äußerung nur unterstreicht). Man möchte sich jedenfalls schon jetzt nicht ausmalen, was die dem Herrenwitz innig verbundene "Blöd-Zeitung" (Kommissar Paul Stoever) am Montag schreiben wird.
Kunzendorfs Conny nimmt für sich ein. Nicht nur weil Regisseur Lars Kraume und dessen lobenswerter Kameramann Armin Alker aus Connys Paradieren (Fränki: "Den Schritten nach hatte ich ein Pferd erwartet") durch die engen, spätsiebzigeresken Klinkerflure des Präsidiums eine Art ästhetisches Prinzip machen, bei dem das Schlenkern der Kunzendorf-Arme einen eigenen Reiz entfaltet und aus der Folge Eine bessere Welt einen genuinen Flurfilm macht. Sondern vor allem weil der offensive Kleidungsstil mit einer aufgeweckten Direktheit ("Ich bin die Conny Mey vom Mord drei") korrespondiert, der man die Behauptung in dem Haifischbecken des Maskulinen anmerkt, als das sich unsereiner geschlossene Systeme wie Polizeireviere immerfort vorstellt. Sympathisch wirkt dieser Zug ins Chic eines Lebens, in dem Geschmack nicht seit Generationen Tradition ist. Und er kommt, anders als bei Simone Thomallas Eva Saalfeld in Leipzig, nicht so püppchenhaft-beschaulich daher, sondern wird wenn nicht ironisch, so doch sehr selbstbewusst vorgetragen.
Muckibuden frequentieren
Wozu dann freilich nicht passt, dass Conny sich von dem auf einfühlsam machenden, in Wahrheit Schürzen jagenden Psychologen (Fränki: "eierloser Karrierist") Daniel Behnken (Arnd Klawitter) hintergehen lassen muss – andersrum wäre doch auch eine Option gewesen. Dass es im Konferenzraum eine Andeutung von Sex am Arbeitsplatz gibt, stimmt melancholisch nur, weil diese Form der Arbeitszeitprivatisierung in den auf Effizienz getrimmten Buden des konkurrenzlosen Globalkapitalismus keinen Platz mehr zu haben scheint.
Zu mäkeln ist an der Figurenanlage zweierlei. Zum einen, dass solch ein zünftiges Rollenverständnis des eigenen Geschlechts wie bei Conny Mey zumeist Frauen ausbaden müssen – eine Entsprechung für die "Prolette" (wie Nadja Uhl ihre ähnlich gelagerte Figur in Sommer vorm Balkon aus der immer so unangenehm-schichtenbewussten Akademikerwarte bezeichnet hat) sucht man bei den männlichen Tatort-Kommissaren vergebens. Ein blondierter, Muckibuden frequentierender Kettchenträger ist uns bislang vorenthalten worden, das Höchste der Gefühle – zumindest fällt uns auf Anhieb kein anderer ein – ist Axel Prahls T-Shirt-tragender Biertrinker Frank Thiel aus Münster. Liegt vermutlich auch daran, dass Drehbuchautoren (hier: Kraume) nicht selten Männer sind und das mit der Ironie des eigene Geschlecht betreffend schwerer fällt. Dabei muss der als dramaturgisch spannend begriffene Gegensatz zwischen den Figuren ja herkommen, wenn der Mann zumeist und so auch hier ein Anzug tragender, schweigender Einzelgänger ist – ein lonely wolf wie Hamburg-Cenk oder Stuttgarts Lannert, dem als einzige Perspektive die Altersdrolligkeit bleibt, wie sie in München beim Franz und beim Ivo oder den beiden Onkels in Halle zu beobachten ist.
Zum zweiten, dass beide – die fesche Conny und der spröde Fränki – mit so viel Empathie ausgestattet sind, dass ihnen die Arbeit allein der Arbeit wegen Spaß macht und Karrieredenken nicht erkennbar sein darf. Das erscheint so unrealistisch wie die Besetzung des soziopathischen Taxifahrer-Menschenmanipulierers Sven Döring mit Justus von Dohnanyi, der zwar zum anstrengenden Charakter taugt, für das seltsam diffuse Milieu, in dem Döring sein Terrorregime errichtet hat und in dem Kummer zwangsläufig eine Regressions ins Messietum bedeutet (Dörings Schwester!), zweifellos zu wohlerzogen-elaboriert ist.
Krimi ohne Krimi
Der Fall des neuen Frankfurter Teams ist eigentlich keiner – und fast hätten wir gehofft, dass in den letzten zehn Minuten nicht doch noch Blut fließen muss (wie dilettantisch von diesem Polizeiapparat including dieses Psychologen, den das dann hoffentlich die Teilnahme an der nächsten Folge kostet), damit der Sonntagabendkrimi gerechtfertig ist. Denn mit den planvollen Bildern und ansprechenden Charakteren hätte dieser Film auch ohne eigentlichen Kriminalfilm auskommen können.
Was irgendwie überflüssig war: diese Wochentagsinserts
Willkommen in der Martin-Brambach-Johann-Bülow-Liga: Arnd Klawitter in kurzer Folge dreimal am Sonntagabend
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