Operation Walküre von Bryan Singer

Kino Es ist ein Fluch und zugleich ein Segen, dass Mel Gibson (Mad Max) die Geschichte des bekanntesten Hitler-Attentats nicht als Vehikel für seine ...

Es ist ein Fluch und zugleich ein Segen, dass Mel Gibson (Mad Max) die Geschichte des bekanntesten Hitler-Attentats nicht als Vehikel für seine Karriere erkannt hat. Der Nachteil einer Mel-Gibson-Produktion namens Operation Walküre hätte zweifellos darin bestanden, dass die Person Stauffenbergs in Gibsons Verkörperung einen deutlichen Zug ins Jesusgleich-Märtyrerhafte bekommen hätte. (Wenn auch Gibsons unbedingte Religiosität kryptotheologische Seiten am historischen Oberst - "Es lebe das heilige Deutschland" - hätte erschließen können, die gemeinhin unter den Tisch gekehrt werden.) Den einzigartigen Vorteil einer Verfilmung durch Gibson hätte dessen Begriff von Werktreue bedeutet: In seiner Passion Christi (2004) wurde nur latein, aramäisch und hebräisch gesprochen und für die dieser Sprachen unkundigen Zuschauer weltweit untertitelt.

Operation Walküre war und ist nun aber ein Projekt von Tom Cruise, der die Hauptrolle spielt und als ausführender Produzent gewirkt hat. Deshalb muss dringend geraten werden, die deutsche Synchronfassung der amerikanischen Originalversion (Valkyrie) vorzuziehen, wo sich in der durchsynchronisierten deutschen Kinolandschaft diese Wahl überhaupt stellt. Denn zur Glaubwürdigkeit trägt die Vielzahl der Artikulationen des Englischen - Kenneth Branagh als Tresckow spricht mit britischem, Cruise mit amerikanischem, Thomas Kretschmann als Remer deutschem Akzent - nicht bei.

Aber historische Glaubwürdigkeit ist sowieso eine Chimäre, der nachjagen kann, wer zwischen Guido Knopp und der televisionären History-Mimikry des letzten Jahrzehnts wissen will, wie es wirklich gewesen ist. Dafür hat sich Hollywood noch nie besonders interessiert, denn Hollywood ist kein Institut für Vergangenheitsrekonstruktion, sondern eine Traumfabrik. Und da macht sich eine Szene wie die, in der Stauffenberg versehrt nach Hause kommt, besser in der Form, wie sie Bryan Singer inszeniert: Die Frau (Carice von Houten) ist in still-zurückhaltender Verbundenheit ein Schatz, der taktvoll die aktuelle Schwangerschaft verschweigt, und die Kinder erfreuen, auch wenn ihre Begeisterung fürs Kriegsspiel zu Wagner-Klängen dem mittlerweile zum Pazifismus neigenden Militär einen sorgenvollen Blick macht. Auf dem Höhepunkt der Musik flackert das Licht bedeutungsvoll, ein Fliegerangriff treibt die Familie in den Keller und am Ende dreht sich in einem tollen Effekt das Grammophon um das Etikett auf der Platte, auf dem "Walküre" zu lesen ist - der Deckname für den Einsatzplan des Ersatzheeres, aus dem die Hitler-Attentäter ihren Umsturzversuch ableiten. So produziert das Kino Ideen aus Bildern, mit denen es die Wirklichkeit nicht aufnehmen kann.

Bryan Singer ist kein unbedeutender Regisseur. In Die üblichen Verdächtigen (1996) hat er vorgeführt, dass es auf die Sicht ankommt, mit der man verschiedene Zeichen zu einer Geschichte addiert, und mit den X-Men (2000, 2003) Comics verfilmt, in denen geheime Gruppen gegen totalitaristische Tendenzen kämpfen. Beides kombiniert er in Operation Walküre, wo mit Sinn für Details das Attentat als Wiederholung eines nicht gewagten Versuchs durchgespielt wird und die Widerstandswelt zugleich in einen leicht düsteren Fantasy-Look getaucht ist: der romantische Wald, die dunkle Verschwörervilla, die zerbombte Kirche, Stauffenbergs Piraten-Outfit.

Was den Film schwächt, ist Tom Cruise. Zum einen ist sein Stauffenberg nicht ambivalent, wie Superhelden es üblicherweise sind, und das obwohl die historische Rahmen dazu Anlass geboten hätte: In Operation Walküre scheint es aber, als wollten die Widerständler friedlich die Kapitulation von 1945 vorwegnehmen. Zum anderen macht Cruise aus Stauffenberg eine Tom-Cruise-Figur: einen nachgeborenen Emporkömmling, dessen Heldentum in Karriere besteht und der es den zaudernden Vätern (vor allem Bill Nighys General Olbricht) tatendurstig zeigen muss.

Darüber hinaus offenbart der Film, dass die Ähnlichkeit zwischen Schauspielern und historischen Figuren nicht größer wird, nur weil man in drei Ländern castet.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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