Schaff Dich ab!

Tatort Ein Frankfurter Tatort zum Nachdenken: In "...weil sie böse sind" wird Moral groß geschrieben und Umverteilung auf interessante Weise praktiziert

Es geht dem Ende entgegen: "...weil sie böse sind" ist der 17. und vorletzte Fall von Charlotte Sänger (Andrea Sawatzki) und Fritz Dellwo (Jörg Schüttauf), und weil es dem Vernehmen nach mit beider Chef, Rudi Fromm (Peter Lerchbaumer), dem Ende, also der Pensionierung entgegengeht, entbrennt zwischen den beiden Grundverschieden-Unzertrennlichen ein Wettkampf um die Nachfolge, angestachelt vom auch in dieser Tatort-Kommission leicht fiesen Staatsanwalt (Dr. Scheer aka Thomas Balou Martin), der gern Frau Sänger auf diesem Posten sehe.

Das Stichwort lautet Beförderung, und Beförderung ist in unserer Gesellschaft die Bewegung zwischen Oben und Unten, die den Laden zusammenhält. Auch wenn man, wie im Fall von Sänger und Schüttauf sieht, wie die Aussicht auf Beförderung das Verhältnis zwischen den Menschen zerrüttet.

Rachefeldzug gegen eigen Fleisch und Blut

Diese pathetischen Worte sind nicht fehl am Platz, denn die Moral hat in "...weil sie böse sind" einen hohen Stellenwert. Weiter oben und weiter unten geht nicht: Unten der allein erziehende Vater und gebeutelte Arbeitnehmer, der Bonität für die Erziehung seines autistischen Kindes braucht, und oben das Riesenschloss, in dem der hartherzige Besitzer seine illegal erworbenen Waffen putzt. Allein erziehende Väter sind in Filmen irgendwie immer noch trostloser als allein erziehende Mütter, was der Realität vermutlich ins Gesicht spuckt. Und hartherzige Reiche sehen in Riesenschlössern einfach noch hartherziger einsam aus als im normalen Leben.

Aber zum Glück gibt es Balthasar Staupen (Matthias Schweighöfer), der aus dem geschehenen Tod seines Vaters ein groß angelegtes Projekt zur Umverteilung macht, das darin besteht, eine Schuld beladene Familie mit Stumpf und Stiel auszurotten. Gelingt nicht ganz, wie sich am Ende zeigt, da ja Balthasars Sohn ante portas steht und vielleicht, diese Frage wurde nicht geklärt, eines Tages alles erbt.

Auf der Krimi-Ebene ist der Rachefeldzug gegen das eigen Fleisch und Blut, begangen mit dem menschlichen Tool Rolf Herken (Milan Peschel), etwas albern, aber darüber hinaus durchaus reizvoll. Die Spannung verdankt sich nicht der Perfektion der Morde (dafür muss man heutzutage noch immer "Columbo" gucken), wie auch, bei einem derart depravierten Kind aus bestem Hause; die Spannung verdankt sich der Frage, wie am Ende Gerechtigkeit verteilt wird. Und da ist der Schluss doch einigermaßen bemerkenswert: Rolf Herken, vielmehr sein Strippenzieher, ja Gott Balthasar Staupen kommt durch mit seinem Plan, der irgendwie auch religiös (Opfer), auf jeden Fall metaphysisch (Schuld) aufgeladen ist. Die moralischen Nachwehen, die in dem Dreifachmörder Rolf Herken rumoren mögen, nimmt der Tatort in den letzten 20 Minuten geschickt aus der Schusslinie. Und so ist es am Ende wie im Märchen, die Bösen sind tot, die da Oben hat man einmal nicht laufen lassen, und so denkt man sich nichts Schlimmes dabei, wenn hinten die Kommissare flanieren und vorne Rolf Herken mit seinem Kind spielt.

Gelobt werden muss unbedingt Matthias Schweighöfer für sein Matthias-Schweighöfer-Spiel, das aus dem Schnösel einen Jungen macht, der auf die Nachricht vom Tod des Boxpromoter-Onkels mit dem schönen Satz reagiert: "Echt, da ist der Mike ertrunken?"

Seltene Mordwerkzeuge, die wir öfter sehen wollen: der Morgenstern

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