Schöner morden

Tatort Ein Fall für den Inneneinrichter: Klara Blum ermittelt in "Im Sog des Bösen" gegen den Kollegen Perlmann und verschafft uns Zutritt zu verschiedenen Wohnmodellen

Im Kommissar (nächste Folge am 7. Juni auf 3sat), der für die deutsche Krimiserie bekanntlich die wichtigste Bezugsgröße ist, hätte es solch eine Clubszene nicht gegeben. HK aka Haka aka Kai Lorenz Perlmann (Sebastian Brezzel) will nach der Sause zum 25. Dienstjubiläum seiner Kollegin Klara Blum (Eva Mattes) noch auf links ziehen und geht mit den beiden drolligen Kommissaranwärtern Moritz (Hanno Koffler) und Karl (Oliver Urbanski) steil. Das heißt in Konstanz: ab ins Limelight. Kann auch an Konstanz liegen, außerdem ist's unter der Woche, aber im Limelight geht gar nix: Perlmann und seine Buddies treffen auf einen DJ und ein verdächtiges Pärchen, Constanza Heinrich, die später tot ist, und ihren Drogendealerfreund Fabian Keller (Peter Ketnath), und passenderweise ist das Licht so hell wie im OP des städtischen Krankenhauses.

Herrje, da ist ja der Ausgang in GuZe besser inszeniert, ganz zu schweigen eben vom Kommissar, der keine Bar betreten hätte, in der nicht weltvergessene Hippie-Girls gedänct, ranzige Männer mit ihrem Kettengerauche die Luft verpesstet und dissidente Wohlstandsbengel sich nervös die Hucke voll gesoffen hätten. Man fragt sich schon, ob wirklich alles Geld, was so ein Tatort kostet, in den Kamerakran investiert werden muss, der zweimal pro Folge irgendeine Hinterhofsszene von oben anschwebt. Ein paar Statisten, Drinks for free, und im Limelight ist die Hölle los.

Aber dieser Minimalismus bezüglich der Ressource Komparse ist Konzept in Im Sog des Bösen. Fast keine Szene, in der irgendjemand zu sehen wäre, der nichts mit der Sache zu tun hat. So funktioniert naturgemäß auch das Privatleben der Kommissare, das irgendwie die Figur erhellen soll, aber eben nur immer dann Thema wird, wenn's Probleme gibt. Wie hier, wo Perlmann plötzlich verdächtig ist des Mordes, weil er mit Constanza mal was hatte und sie zum letzten Mal lebend gesehen hat vor dem Mörder. Perlmann ermittelt auf eigene Faust aber trotzdem mit.

Der Fall, nun ja. Eine Arzneimittelmafia, die sich aus ehemaligen Kommilitonen entwickelt hat, die vor „100 Jahren“ mal in einer Band gespielt haben und jetzt schmutzige Sachen mit Medikamenten zwischen Frankreich, Konstanz und Bamako („eines der ärmsten Länder der Welt“, sic!) machen. Drehbuchautorin Susanne Schneider hat einen Hang zur kalauerhaften Motivik: Dass Pharmaziestudenten als Berufsbild Drogendealer wählen, ist eine Pointe und in Konstanz (siehe oben) vielleicht verbreiteter als anderswo. Die Band hieß „Wanderpills“ und machte noch in Vinyl (vor „100 Jahren“). Abseits davon die üblichen Stanzen: „Kerstin, was machst du hier? - „Ich war in der Nähe“.

Interessanter als der Fall sind die Inneneinrichtungen. Man könnte sagen, es handele sich um einen regelrechten Inneneinrichtungstatort. Bei Dealers zu Hause ist naturgemäß eher die Vorstufe zum Messietum am Start, Terrarium (pflegeleicht auch bei länger dauernden Exzessen) und merkwürdig bunte Bettwäsche aus einer Zeit, als das Leben und seine Ausgestaltung noch etwas bedeutet haben (also vor der Droge). Bei Perlmann ist alles öde ordentlich, was ein Charakteristikum von Polizistenwohnungen zu sein scheint. Ich habe einmal bei einem angehenden Kommissar Silvester gefeiert, da sah es so ähnlich aus, nur nicht so reich: Bücher sind eher Zufallsware. Geschmackvoll dagegen die lässig angejahrte Villa von Staatsanwalt Frentz (der große Wolfram Koch) mit Seeblick und ausgewähltem Interieurs (Holz!), nur das Wasserbett stört, findet auch seine Frau.

Die Auflösung: eher komisch. Dass Pat und Patachon von der Polizeischule zugedröhnte Ladies umbringen, statt an der Abschlussarbeit zu feilen, erklärt sich nur damit, dass sie sich für die nächste Folge schon mal disqualifiziert haben. Dass auch noch der „Herr Oberstaatsanwalt“ was mit Pat hat – erklärt irgendwie auch nicht mehr.

HIER LÜGT DER BESITZER: „Das ist kein Laden, das ist ein erstklassiger Club“ (über das Limelight)
SO MÖCHTE MAN GEWÜRDIGT WERDEN: „Du hast nie die schnelle Lösung gesucht, sondern immer die Wahrheit.“

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

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