Soll das ne Frage sein?

Tatort Es geht hoch her in den Bildern des Münchner "Tatort", aber schön sind die Effekte und Kinozitate allemal. Und der Ivo und der Franz machen ihre Späße

Am Ende strahlt die Sonne rot in den Himmel von München. Großes Drama in the house; wie schon – wenn auch auf andere Weise – in der letzten Woche versuchen die Tatort-Bilder in der Münchner Folge Die Heilige dem zu entkommen, was man abfällig für Fernsehen hält. Regisseur Jobst Christian Oetzmann ist ein Aficionado des Effekts, was schnell zum Problem der so genannten Hascherei führen kann – anschaulich geworden in dem Münchener Tatort: Wir sind die Guten vom letzten Jahre, über den die Meinungen in unserer beschaulichen Runde allerdings ein wenig auseinander gingen.

In Die Heilige gibt es aber kaum etwas zu klagen: Oetzmann hat seinen Sam Peckinpah gesehen, und auch wenn die Wahl der Mittel nicht in jedem Moment zwingend scheinen mag, schön ist es doch. Wie etwa bei der Flucht von Hassan Adub (der smarteste Januskopf des deutschen Films: Medhi Nebbou) aus dem Gefängnis: Es dröhnt die Druckmaschinerie, um die herum das Chaos der Entdeckung der Flucht herrscht, während bei gleich bleibendem, dramatischem Ton der Verlauf eben der Flucht parallel erzählt wird (Schnitt: Susanne Hartmann). Ebenso die Szene, in der die JVA-Beamte und Titel gebende Gefangenenversteherin Marie Hoflehner (die Rostocker Polizeiruf-Kommissarin Anneke Kim Sarnau) Hassan in das Haus ihres Vaters bringt, zum Duschen auffordert und die eingeschnittenen Liebesszenen der Fantasie derart auf die Sprünge helfen, dass sie schließlich Realität wird. The Getaway lässt grüßen.
Wenn auch die Situation hier eine andere ist: In dem Peckinpah-Film sorgte bekanntlich die Ali-MacGraw-Frau für die Freilassung ihres Steve-McQueen-Mannes, hier ist es – wie schon im Konstanzer Tatort von vor zwei Wochen – eine Mitarbeiterin aus dem JVA-Sektor, die lovely Hassan zur zweiten Chance verhelfen will ("Grüß die Wüste von mir!"). Etwas drüber sind lediglich die auf Super-8-Grobkorn getrimmten Erinnerungsfetzen aus der Vergangenheit.

Der Ivo (Miroslav Nemec) und der Franz (Udo Wachtveitl), ungekrönte Könige unter den Ermittlerduos unserer Sonntagabende in der ARD, sind gut drauf, wenn auch des Ivos Frisur immer weiter ins Beethovenhafte driftet. Während der Ivo sich unter den Ex-Kumpanen von Hassan umtut (erinnert an den jungen Kinski: Wolfgang Menardi als Alexis), quartiert sich der Franz direkt in der Haftanstalt ein, über deren Historie auf erstaunlich breite Weise informiert wird (Hitler, Scholls, Hinrichtungen). Die Dialoge zeugen von einem Witz, der die Grenzen des Fallrelevanten lange in Richtung heiterer Unterhaltung überschritten hat: der Ivo zum traurigen Geiselnehmer Schuster (Sascha A. Gersak), der gerade den rührenden Mördermaler Bause (Heinz-Josef Braun) mit einem Schraubendreher bedroht: "Was soll denn das werden, wenn's fertig ist?" Das Knast ist kein Landgasthof, und also spielen der Ivo und der Franz mit den Inhaftierten über Bande, was dem Anstaltsleiter nicht gefällt: Sonst sagt ja keiner was.

Diese Duschlust

Die Story kommt nicht recht vom Fleck, aber weil das Bild, das Oetzmann malt, mit kräftigen Farben koloriert ist – die Facetten des schönen Bayerisch, das hier gesprochen wird und das der Franz je nach Gelegenheit zur Anwendung bringt –, sei es drum. Pädagogisch auf einleuchtende Art ist die Folge nur bei der Reinigung des jungen Deniz (Edin Hasanovic) von allen Gangster-Affekten: "Ich dachte immer, Gangster sein ist coool so, aber ich bin kein Gangster."

Nützlicher Hinweis für den Fall, dass es einen doch mal in eine Zelle verschlägt: "Immer schön die Bürste stecken lassen."

Worauf wir nach diesem "Tatort" unerklärlicherweise am meisten Lust hatten: Duschen.

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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