Von der Rolle

Projektion Die analoge Filmtechnik stirbt aus. An immer weniger Orten im Land können nicht digitalisierte Werke überhaupt noch vorgeführt werden
Ausgabe 06/2018
Von der Rolle

Illustration: Susann Massute für der Freitag

In Cottbus hat das Obenkino gerade Filmprojektoren abzugeben. Alte Geräte, die lange unhinterfragte Voraussetzung fürs Kinoerlebnis waren, überholte Technik, die unsere Wahrnehmung geprägt hat und unser Reden über das Bewegtbild bis heute bestimmt. Der Begriff „Film“ verdankt sich dem Speichermedium, das mehr als 100 Jahre lang durch solche Projektoren gerattert ist.

Wenn wir heute immer noch „Film“ sagen, meinen wir eigentlich digitale Datenbündel. Das Digital Cinema Package, kurz DCP, ist an die Stelle des 16-, 35- oder gar 70-mm-Films getreten. Die Kopie, die früher auf mehrere Rollen verteilt in die Kinos geliefert wurde von Verleihen und Archiven, ist heute ersetzt durch eine Festplatte. Die Vorführerin legt den Film nicht mehr ein, sondern startet mit einem Klick eine Datei, ein File. Wie zu Hause am Rechner.

Der Wandel kam spät, aber er vollzog sich rasant und mit Macht: 2009 startet mit James Camerons Blockbuster Avatar der Film in den Kinos, der Digitalisierung und 3-D entscheidend vorantreibt. Drei Jahre später ist die Umstellung in Deutschland weitgehend vollzogen – die Kinos sind, gefördert mit öffentlichem Geld, umgerüstet auf digitale Projektion. Im Laufe des Jahres 2013 verabschieden sich alle Verleiher vom bisherigen Produktionsstandard; Kinofilme werden nun nicht mehr auf 35-mm-Material hergestellt und verliehen, sondern digital.

Robuste Mechanik

Insofern ist diese Deutschlandkarte ein melancholisches Projekt. Denn für das Publikum ist der Unterschied zwischen digitaler und analoger Projektion so gering, dass es, anders als vielleicht bei E-Book und gebundenem Buch, gar nicht erst auf die Idee kam, zu fremdeln. Vermutlich hat es nicht einmal bemerkt, dass aus Vorführkabinen Rechnerräume geworden sind.

Für die Industrie ist der neue Standard ein gutes Geschäft. Ein Vorführer kann zentral alle Säle eines Kinos steuern, die Herstellung der Festplatten ist günstiger als das Kopienziehen. Und die neuen Geräte müssen öfter ausgetauscht werden, können nicht selbst repariert werden, wie das bei der robusten Mechanik analoger Projektoren noch der Fall war.

Einen Sinn hat unsere Landkarte dennoch. Sie zeigt die Orte in Deutschland an, an denen die Verbindung von Filmgeschichte und Gegenwart noch möglich ist – wo Filme noch vorgeführt werden können, die nicht digitalisiert sind (und das ist kein geringer Teil). Die Recherche konnte nicht auf gesammelte Daten zurückgreifen und ist vermutlich unvollständig, sie stützt sich auf Hinweise (besonderer Dank an Christoph Draxtra und Jean-Pierre Gutzeit) und ist offen für Ergänzungen (Information bitte an: projektor@freitag.de). Nicht immer sind die Projektoren, deren Produktnamen an eine andere Zeit erinnern, in den genannten Kinos noch im Einsatz. Oder sie sind nur es selten. Aber sie sind noch da. Sie können noch benutzt werden. Auch im Obenkino in Cottbus.

Die Letzten ihrer Art

Ratter ... Die Zahlen geben das Format in Millimetern an, die Namen sind die der Filmprojektoren

Baden-Württemberg

Engel Lichtspiele, Breisach a. Rh.; 35/Bauer B11 (für Stummfilme)

Aka-Filmclub, Freiburg; S8, 16/Bauer, 35/Kinoton FP30

Friedrichsbau, Freiburg; 35

Harmonie, Freiburg; 35

Kandelhof, Freiburg; 35

Kommunales Kino, Freiburg; 16/Bauer P8 T400; 35/Kinoton FP30

Kinemathek, Karlsruhe; S8/Elmo GS-1200 Xenon, 16/Kinoton FP 18; Bauer P8 T400, 35/Kinoton FP 20

Die Kurbel, Karlsruhe; 35/Kinoton

Schauburg, Karlsruhe; 16/Bauer, 35/Kinoton, 70/Philips

Cinema Quadrat, Mannheim; 16, 35

Bayern

Filmcenter, Dillingen; 35/Bauer

Uferpalast, Fürth; 35/Ernemann 9

Kinoptikum, Landshut; 16/Eiki EX-300 SL, 35/Cinemeccanica Victoria 5

Filmmuseum, München; 16, 35/Kinoton FP38 Kombi-Gerät

Werkstattkino, München; S8 (bei Bedarf), 16/Bauer P5, 35/Ernemann 7B

Theatiner Film, München; 8, 35, 70

Casablanca, Nürnberg; 8 (selten), 35/Bauer B11

Filmhauskino, Nürnberg; 8, S8, 16, 35/Bauer, Kinoton Kombi-Gerät

Kommkino, Nürnberg; 16, 35/Kinoton FP38

Filmgalerie im Leeren Beutel, Regensburg; 35

Wintergarten-Kino im Andreasstadel, Regensburg; 35

Berlin

Akademie der Künste, Berlin; 16, 35/Kinoton

Arsenal, Berlin; 16, 35, 70/Kinoton FP75, FP30

Astor Film Lounge, Berlin; 35, 70

Bali, Berlin; 35/Ernemann

Brotfabrik-Kino, Berlin; 8, 16/Eiki; 35/Meo 5XB

Bundesplatz-Kino, Berlin; 35/Kinoton FP30

CS 8 Potsdamer Platz, Berlin; 35, 70 (eingeschränkt)

Delphi Filmpalast, Berlin; 8, 16, 35 (wird nicht genutzt)

Eva Lichtspiele, Berlin; 35/Kinoton FP30

Filmrauschpalast, Berlin; 16/Bauer, 35/Kinoton FP30E

International, Berlin; 35, 70

Krokodil, Berlin; 8, 16, 35/Meo, Bauer, Ernemann, Kinoton

Lichtblick, Berlin; 16, 35/Meo 5XB

Moviemento, Berlin; 16/Philips FP5, 35/Bauer

Odeon, Berlin; 35/Ernemann 10

Sputnik, Berlin; 35/Bauer B8

Toni 1, Berlin; 35/Meo, Ernemann

Urania, Berlin; 35, 70

Zeughauskino, Berlin; 16, 35/Kinoton

Z-inema, Berlin; 8, 16

Zoo Palast, Berlin; 35, 70 (Entnahme des Projektors aus Kino 1, deshalb derzeit keine analoge Projektion möglich)

Brandenburg

Obenkino, Cottbus; 16, 35/Meo5, Ernemann

Filmmuseum, Potsdam; 16, 35/Ernemann

Bremen

City 46, Bremen; S8, 16, 35

Hamburg

Abaton, Hamburg; 35/Philips SP30

B-Movie, Hamburg; S8/Elmo GS-1200, 16/Elmo CX 550, 35/Ernemann 12 P

Metropolis, Hamburg; S8 (bei Bedarf), 16, 35/Kinoton

Savoy, Hamburg; 70/Phillips DP 75

Hessen

Dt. Filmmuseum, Frankfurt/M.; 16, 35, 70/Bauer

Filmforum Höchst, Frankfurt/M.;16, 35/Bauer

Mal Sehn Kino, Frankfurt/M.; 16 (nicht genutzt), 35/Bauer B5A

Pupille, Frankfurt/M.; 16 , 35/Bauer

Filmladen, Kassel; 35/Bauer B11

Gloria, Kassel; 35/Bauer B14

BALi, Kassel: 35/Kinoton FP 30, Bauer B12

Filmkunsttheater, Marburg; 16/Bauer Selecton II O, 35/Bauer B 8A, B11, B14, 70/Bauer U2

Caligari, Wiesbaden; 16/Bell&Howell TQ3, 35/Kinoton FP30D

Murnau, Wiesbaden; 35/Bauer P14

Mecklenburg-Vorpommern

Lichtspieltheater Wundervoll, Rostock; 35/Ernemann 15

Niedersachsen

Universum Filmtheater, Braunschweig; 35/Ernemann 14

Lumière, Göttingen; 35/Kinoton

Astor Grand Cinema, Hannover; 70/Philips DP70

Kino im Sprengel, Hannover; S8/Elmo GS1200, 16/Bauer P8T400, Bell&Howell TQ3, 35/Bauer B14

Kino in der Lagerhalle, Osnabrück; S8/Bauer T 610, 16/Bauer Selecton II O, 35/Bauer B 8A

Nordrhein-Westfalen

Filmstudio an der RWTH, Aachen S8, 16/Bauer P6 300, P7 Universal 300, 35/Ernemann 15

Filmhaus, Bielefeld; 16, 35/Bauer

Melodie-Filmtheater, Bielefeld; 16/Bauer Selection, 35/Ernemann 8

Studienkreis Film, HZO20, Bochum; 35/Kinoton FP30

Bonner Kinemathek, Bonn; 16, 35/Kinoton

SweetSixteen-Kino, Dortmund; 16/Bauer Selecton II O, Eicki EX 6000 P (u.a.), 35 und 70/Kinoton DP75

Filmmuseum, Düsseldorf; 16, 35/Kinoton FP38 Kombi-Gerät

Filmforum, Duisburg; 8, 16, 35

Lichtburg, Essen; 35, 70/Kinoton

Schauburg, Gelsenkirchen; 35/Kinoton FP30

Filmclub 813, Köln; S8/Bauer T600, 16/Bauer Selection, 35/Philips FP5

Japanisches Kulturinstitut, Köln; 16/Kinoton, 35/Ernemann 8B

Off Broadway, Köln; 35/Ernemann 15 (mit Kinoton-Filmtellern)

Gloria, Oberhausen; 16, 35

Kino im Walzenlager, Oberhausen; 35/Bauer B11

Lichtburg, Oberhausen; 16, 35

SchlachthofKino, Soest; 35/Bauer B12

Rheinland-Pfalz

CinéMayence, Mainz; 16/Bauer Selecton II O, 35/Bauer B8

Saarland

Kino 8 1/2, Saarbrücken; 35

Sachsen

Metropol, Chemnitz; 35/Meo

Museumskino "Ernemann VII B", Dresden; 16, 35

Kino im Kasten, Dresden; 35/Meo4

Cineding, Leipzig; 35/Meo V

Cinémathèque, Leipzig; 35/Meo

LURU-Kino, Leipzig; 35/Meo5

Sachsen-Anhalt

Zazie Kino, Halle/Saale; 16, 35/Meo5

Schleswig-Holstein

Kommunales Kino, Lübeck; 35

Thüringen

Kinoklub am Hirschlachufer, Erfurt; 35/Meo5

Mitarbeit: Rebekka Gottl

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