In Cottbus hat das Obenkino gerade Filmprojektoren abzugeben. Alte Geräte, die lange unhinterfragte Voraussetzung fürs Kinoerlebnis waren, überholte Technik, die unsere Wahrnehmung geprägt hat und unser Reden über das Bewegtbild bis heute bestimmt. Der Begriff „Film“ verdankt sich dem Speichermedium, das mehr als 100 Jahre lang durch solche Projektoren gerattert ist.
Wenn wir heute immer noch „Film“ sagen, meinen wir eigentlich digitale Datenbündel. Das Digital Cinema Package, kurz DCP, ist an die Stelle des 16-, 35- oder gar 70-mm-Films getreten. Die Kopie, die früher auf mehrere Rollen verteilt in die Kinos geliefert wurde von Verleihen und Archiven, ist heute ersetzt durch eine Festplatte. Die Vorführerin legt den Film nicht mehr ein, sondern startet mit einem Klick eine Datei, ein File. Wie zu Hause am Rechner.
Der Wandel kam spät, aber er vollzog sich rasant und mit Macht: 2009 startet mit James Camerons Blockbuster Avatar der Film in den Kinos, der Digitalisierung und 3-D entscheidend vorantreibt. Drei Jahre später ist die Umstellung in Deutschland weitgehend vollzogen – die Kinos sind, gefördert mit öffentlichem Geld, umgerüstet auf digitale Projektion. Im Laufe des Jahres 2013 verabschieden sich alle Verleiher vom bisherigen Produktionsstandard; Kinofilme werden nun nicht mehr auf 35-mm-Material hergestellt und verliehen, sondern digital.
Robuste Mechanik
Insofern ist diese Deutschlandkarte ein melancholisches Projekt. Denn für das Publikum ist der Unterschied zwischen digitaler und analoger Projektion so gering, dass es, anders als vielleicht bei E-Book und gebundenem Buch, gar nicht erst auf die Idee kam, zu fremdeln. Vermutlich hat es nicht einmal bemerkt, dass aus Vorführkabinen Rechnerräume geworden sind.
Für die Industrie ist der neue Standard ein gutes Geschäft. Ein Vorführer kann zentral alle Säle eines Kinos steuern, die Herstellung der Festplatten ist günstiger als das Kopienziehen. Und die neuen Geräte müssen öfter ausgetauscht werden, können nicht selbst repariert werden, wie das bei der robusten Mechanik analoger Projektoren noch der Fall war.
Einen Sinn hat unsere Landkarte dennoch. Sie zeigt die Orte in Deutschland an, an denen die Verbindung von Filmgeschichte und Gegenwart noch möglich ist – wo Filme noch vorgeführt werden können, die nicht digitalisiert sind (und das ist kein geringer Teil). Die Recherche konnte nicht auf gesammelte Daten zurückgreifen und ist vermutlich unvollständig, sie stützt sich auf Hinweise (besonderer Dank an Christoph Draxtra und Jean-Pierre Gutzeit) und ist offen für Ergänzungen (Information bitte an: projektor@freitag.de). Nicht immer sind die Projektoren, deren Produktnamen an eine andere Zeit erinnern, in den genannten Kinos noch im Einsatz. Oder sie sind nur es selten. Aber sie sind noch da. Sie können noch benutzt werden. Auch im Obenkino in Cottbus.
Die Letzten ihrer Art
Ratter ... Die Zahlen geben das Format in Millimetern an, die Namen sind die der Filmprojektoren
Baden-Württemberg
Engel Lichtspiele, Breisach a. Rh.; 35/Bauer B11 (für Stummfilme)
Aka-Filmclub, Freiburg; S8, 16/Bauer, 35/Kinoton FP30
Friedrichsbau, Freiburg; 35
Harmonie, Freiburg; 35
Kandelhof, Freiburg; 35
Kommunales Kino, Freiburg; 16/Bauer P8 T400; 35/Kinoton FP30
Kinemathek, Karlsruhe; S8/Elmo GS-1200 Xenon, 16/Kinoton FP 18; Bauer P8 T400, 35/Kinoton FP 20
Die Kurbel, Karlsruhe; 35/Kinoton
Schauburg, Karlsruhe; 16/Bauer, 35/Kinoton, 70/Philips
Cinema Quadrat, Mannheim; 16, 35
Bayern
Filmcenter, Dillingen; 35/Bauer
Uferpalast, Fürth; 35/Ernemann 9
Kinoptikum, Landshut; 16/Eiki EX-300 SL, 35/Cinemeccanica Victoria 5
Filmmuseum, München; 16, 35/Kinoton FP38 Kombi-Gerät
Werkstattkino, München; S8 (bei Bedarf), 16/Bauer P5, 35/Ernemann 7B
Theatiner Film, München; 8, 35, 70
Casablanca, Nürnberg; 8 (selten), 35/Bauer B11
Filmhauskino, Nürnberg; 8, S8, 16, 35/Bauer, Kinoton Kombi-Gerät
Kommkino, Nürnberg; 16, 35/Kinoton FP38
Filmgalerie im Leeren Beutel, Regensburg; 35
Wintergarten-Kino im Andreasstadel, Regensburg; 35
Berlin
Akademie der Künste, Berlin; 16, 35/Kinoton
Arsenal, Berlin; 16, 35, 70/Kinoton FP75, FP30
Astor Film Lounge, Berlin; 35, 70
Bali, Berlin; 35/Ernemann
Brotfabrik-Kino, Berlin; 8, 16/Eiki; 35/Meo 5XB
Bundesplatz-Kino, Berlin; 35/Kinoton FP30
CS 8 Potsdamer Platz, Berlin; 35, 70 (eingeschränkt)
Delphi Filmpalast, Berlin; 8, 16, 35 (wird nicht genutzt)
Eva Lichtspiele, Berlin; 35/Kinoton FP30
Filmrauschpalast, Berlin; 16/Bauer, 35/Kinoton FP30E
International, Berlin; 35, 70
Krokodil, Berlin; 8, 16, 35/Meo, Bauer, Ernemann, Kinoton
Lichtblick, Berlin; 16, 35/Meo 5XB
Moviemento, Berlin; 16/Philips FP5, 35/Bauer
Odeon, Berlin; 35/Ernemann 10
Sputnik, Berlin; 35/Bauer B8
Toni 1, Berlin; 35/Meo, Ernemann
Urania, Berlin; 35, 70
Zeughauskino, Berlin; 16, 35/Kinoton
Z-inema, Berlin; 8, 16
Zoo Palast, Berlin; 35, 70 (Entnahme des Projektors aus Kino 1, deshalb derzeit keine analoge Projektion möglich)
Brandenburg
Obenkino, Cottbus; 16, 35/Meo5, Ernemann
Filmmuseum, Potsdam; 16, 35/Ernemann
Bremen
City 46, Bremen; S8, 16, 35
Hamburg
Abaton, Hamburg; 35/Philips SP30
B-Movie, Hamburg; S8/Elmo GS-1200, 16/Elmo CX 550, 35/Ernemann 12 P
Metropolis, Hamburg; S8 (bei Bedarf), 16, 35/Kinoton
Savoy, Hamburg; 70/Phillips DP 75
Hessen
Dt. Filmmuseum, Frankfurt/M.; 16, 35, 70/Bauer
Filmforum Höchst, Frankfurt/M.;16, 35/Bauer
Mal Seh’n Kino, Frankfurt/M.; 16 (nicht genutzt), 35/Bauer B5A
Pupille, Frankfurt/M.; 16 , 35/Bauer
Filmladen, Kassel; 35/Bauer B11
Gloria, Kassel; 35/Bauer B14
BALi, Kassel: 35/Kinoton FP 30, Bauer B12
Filmkunsttheater, Marburg; 16/Bauer Selecton II O, 35/Bauer B 8A, B11, B14, 70/Bauer U2
Caligari, Wiesbaden; 16/Bell&Howell TQ3, 35/Kinoton FP30D
Murnau, Wiesbaden; 35/Bauer P14
Mecklenburg-Vorpommern
Lichtspieltheater Wundervoll, Rostock; 35/Ernemann 15
Niedersachsen
Universum Filmtheater, Braunschweig; 35/Ernemann 14
Lumière, Göttingen; 35/Kinoton
Astor Grand Cinema, Hannover; 70/Philips DP70
Kino im Sprengel, Hannover; S8/Elmo GS1200, 16/Bauer P8T400, Bell&Howell TQ3, 35/Bauer B14
Kino in der Lagerhalle, Osnabrück; S8/Bauer T 610, 16/Bauer Selecton II O, 35/Bauer B 8A
Nordrhein-Westfalen
Filmstudio an der RWTH, Aachen S8, 16/Bauer P6 300, P7 Universal 300, 35/Ernemann 15
Filmhaus, Bielefeld; 16, 35/Bauer
Melodie-Filmtheater, Bielefeld; 16/Bauer Selection, 35/Ernemann 8
Studienkreis Film, HZO20, Bochum; 35/Kinoton FP30
Bonner Kinemathek, Bonn; 16, 35/Kinoton
SweetSixteen-Kino, Dortmund; 16/Bauer Selecton II O, Eicki EX 6000 P (u.a.), 35 und 70/Kinoton DP75
Filmmuseum, Düsseldorf; 16, 35/Kinoton FP38 Kombi-Gerät
Filmforum, Duisburg; 8, 16, 35
Lichtburg, Essen; 35, 70/Kinoton
Schauburg, Gelsenkirchen; 35/Kinoton FP30
Filmclub 813, Köln; S8/Bauer T600, 16/Bauer Selection, 35/Philips FP5
Japanisches Kulturinstitut, Köln; 16/Kinoton, 35/Ernemann 8B
Off Broadway, Köln; 35/Ernemann 15 (mit Kinoton-Filmtellern)
Gloria, Oberhausen; 16, 35
Kino im Walzenlager, Oberhausen; 35/Bauer B11
Lichtburg, Oberhausen; 16, 35
SchlachthofKino, Soest; 35/Bauer B12
Rheinland-Pfalz
CinéMayence, Mainz; 16/Bauer Selecton II O, 35/Bauer B8
Saarland
Kino 8 1/2, Saarbrücken; 35
Sachsen
Metropol, Chemnitz; 35/Meo
Museumskino "Ernemann VII B", Dresden; 16, 35
Kino im Kasten, Dresden; 35/Meo4
Cineding, Leipzig; 35/Meo V
Cinémathèque, Leipzig; 35/Meo
LURU-Kino, Leipzig; 35/Meo5
Sachsen-Anhalt
Zazie Kino, Halle/Saale; 16, 35/Meo5
Schleswig-Holstein
Kommunales Kino, Lübeck; 35
Thüringen
Kinoklub am Hirschlachufer, Erfurt; 35/Meo5
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