Wer bin ich ?

Tatort Im Münchner Tatort "Wir sind die Guten" wird es total persönlich: Kommissar Batic (Miroslav Nemec) verliert seine Erinnerung. Aufklärung zieht sich, Darstellung leidet

Und dann das: 20 Jahre machen sie jetzt diesen Job, und mit einem Mal erkennt der Ivo (Miroslav Nemec) den Franz (Udo Wachtveitl) nicht mehr. Amnesie. Dabei zählt der Münchner Tatort auch deshalb zu unseren Lieblingen, weil der Ivo und der Franz so ein duftes Paar sind. In Wir sind die Guten ist jetzt der Franz zumeist ohne den Ivo, auch wenn er neben ihm sitzt, ihm die Nüsschen reicht, die der Ivo so gerne isst und so weiter.
Am Anfang liegt der Ivo im Krankenwagen und stirbt fast, was der Film in grellen Negativ-Bildern zeigt, geht Ende rundet sich dann der Kreis, wenn diese Szene wieder auftaucht. Der Tod steht dem Ivo nicht gut, und zum Glück stirbt er ja auch trotz Bauchschusses mit großem Kaliber nicht, und das Verrücktsein steht ihm auch nicht. Deshalb ist dieser Tatort zwar besser als die letztwöchige Leipziger Hatz durch alle Milieus zwischen oben und unten, aber einer der schwächeren unter den Münchnern. Dabei hatten wir uns schon so auf den neuen europäischen Assistenten gefreut. Ein paar Witze sind schon drin, etwa wie der Franz beim Ivo am Krankenbett sitzt und nicht versteht, sondern erzählt von dem Fall der toten Drogenfahnderin, und dann den Ivo fragt: "Und du hast auch was Aufregendes erlebt, scheint's." Aber zumeist ist dieser Tatort dröge, auch weil der Fall darauf warten muss, dass der Ivo seine Erinnerung wieder findet.
Vermutlich wird es Gründe geben (die Jugend!), dass Wir sind die Guten nicht unser stupides Bedürfnis nach steter Wiederholung mit kleinen Variationen befriedigt, sondern Regisseur Jobst Oetzmann seinen Kameramann Volker Tittel bittet, mal ein bisschen auf die MTV zu machen, wie man früher gesagt hätte, als MTV noch für so etwas Heterogenes wie "Clipästhetik" stand. Aber diese krassen, nachbearbeiteten Innenansichten aus der derangierten Wahrnehmung des Ivo – die passen zu dem, was wir uns unter einem Tatort vorstellen, nicht gut.
Und zu Ivo, wie gesagt, auch nicht. Man spürt, dass Miroslav Nemec gut ist in der Rolle eines smarten Kommissars, der im Prinzip immer die gleichen Fragen stellt, immer das gleiche Ermittlungstextrepertoire um einen neuen Fall herumorganisiert, dass man ihm aber den Mann, der sein Gedächtnis verloren nicht abnimmt. Dazu kommt, dass die Bösewichter aus den eigenen Reihen wieder so dämlich besetzt sind. Nicht nur Michael Mendl muss nicht immer die Fiesen spielen, sondern auch übergeordnete Beamte wie hier vom LKA könnten doch auch mal nicht korrupte Anscheißer sein – wenn wir an dieser Stelle nach Realitätsgehalt fahnden, dann muss es mit der Verderbtheit der übergeordneten Behörden schon ziemlich schlimm sein. Den kriminellen Drogenfahnder hatten wir zuletzt vor vier Wochen, im letzten Edgar-Selge-Michaela-May-Polizeiruf. Wobei das schlimmste an diesen Bösen eigentlich ist, dass sie so dumpf daherkommen, dass Mendls LKA-Stolze immer nur defensiv und nie auch mal geschickt oder ganz fies handeln darf (indem er den Franz dann tatsächlich suspendiert). Da wird es dann zu komplex für 90 Minuten Tatort.
Und am meisten hat natürlich genervt, dass kein Mensch auf die Idee kommt, den Ivo einfach im Krankenhaus zu lassen, damit er seine Erinnerung wieder findet in Ruhe und unter medizinischer Betreuung. Immerhin, die Serie geht weiter, und diese Variante haben wir damit auch hinter uns.

Mutige Einstellung: 2 Sekunden Schwarzbild, als die Kamera langsam hinter dem Fernseher verharrt, während der Ivo erzählt
Unglaubwürdige Affäre: Dass der Ivo, wo der Ivo und der Franz doch so dicke sind, was hat mit einer Polizeischülerin, ohne dass der Franz das merkt

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Geschrieben von

Matthias Dell

Filmverantwortlicher

Matthias Dell

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