Über die Mittelmäßigkeit des deutschen Films wird so viel geklagt, dass die einen im Geschimpfe nur mehr eine Kritik sehen, die auf Autopilot geschaltet hat, während die anderen vor einer quasi historischen Konstante kapitulieren: Der deutsche Film kann halt nicht besser sein. Kann er nicht vielleicht doch? Und was müsste sich dafür ändern – nicht an Film A, Regisseurin B oder Redakteur C? Wir haben bekannte Leute aus der deutschen Filmförderszene um Antwort auf einen Vorschlag zu struktureller Veränderung gebeten: „Was halten Sie von einem neuen Fördermodell für den deutschen Film, bei dem Kino und Fernsehen getrennt würden? Die Sender zahlen nicht mehr in die Bundes- (FFA) und die Länderförderungen ein und ziehen sich aus den Fördergremien zurück. Dafür wird das öffentlich-rechtliche Fernsehen per Rundfunkstaatsvertrag verpflichtet, für eine bestimmte Summe fertige deutsche Kinofilme zur Ausstrahlung anzukaufen.“ Die Frage ist nicht ganz neu, aber deswegen nicht unaktuell. Zuletzt gestellt hat sie Ellen Wietstock, die deshalb als Erste ihre Intention hinter der Idee erklärt. Matthias Dell
„Auf einen Schlag wären viele Probleme gelöst“
Ellen Wietstock
Herausgeberin des filmpolitischen Informationsdiensts „black box“
Eine Änderung der Machtstrukturen innerhalb der Filmbranche zugunsten der Kreativen und Produzenten ist längst überfällig! Das Modell würde mit einem Schlag eine Reihe von Problemen lösen, an denen der deutsche Film krankt. Die Produzenten hätten Eigenmittel in den Händen, um das nächste Projekt zu entwickeln. Autorinnen und Autoren, Regisseurinnen und Regisseure entscheiden nach inhaltlichen und ästhetischen Kriterien, ob sie einen Kinofilm oder einen Fernsehfilm produzieren wollen. Die Ansprechpartner sind klar definiert – die Förderer fördern Kinofilme, die Fernsehredakteure vergeben Aufträge für Fernsehfilme. Es entsteht ein produktiver Wettbewerb. Die Produzenten könnten die Zeit und Energie, die sie jetzt benötigen, um die Klinken der öffentlich-rechtlichen Fernsehredaktionen zu putzen, für die Weiterentwicklung der Drehbücher verwenden. Wenn der deutsche Film und die hier vorhandenen Talente im Weltkino zukünftig eine Rolle spielen sollen – und auch das müsste ein hehres Ziel der Förderer und Medienpolitiker sein –, dann kommen wir um eine klare Trennung von Kino und Fernsehen nicht herum.
„Wird es dann Löwen und Palmen regnen?“
Christian Granderath
Leiter der Abteilung Film, Familie, Serie beim NDR
„Es könnte alles so einfach sein – isses aber nicht“ (Fanta 4). Warum sollte der NDR zwangsweise Kinofilme ankaufen müssen, die er möglicherweise gar nicht – weder im Ersten noch im NDR-Fernsehen – senden möchte? Werden Zuschauer dann in Scharen in deutsche Kinofilme strömen? Wird es nun Palmen, Löwen, Bären und Oscars regnen? Werden deutschsprachige Produktionen kommerziell den englischsprachigen Weltmarkt aufmischen können? Wird so die Unterkapitalisierung der Produzenten beendet?
Das halte ich für eine Milchmädchenrechnung. Hat die Beteiligung eines Fernsehsenders zum Beispiel den Oscar für Das Leben der Anderen verhindert? Oder die Goldene Palme für Das weiße Band? Oder den Goldenen Bären für Gegen die Wand? Oder Publikumserfolge wie Der Medicus, Die Päpstin oder Das Mädchen Wadjda? Oder Debüterfolge wie Chico oder Oh Boy? Die Liste lässt sich fortsetzen. Content is king: „Lass die Affen aus’m Zoo“ (Haftbefehl).
„Dies sind keine getrennten Welten“
Martina Zöllner
Leiterin Hauptabteilung Kultur und Film beim SWR
Ich halte eine Trennung zwischen Kino und Fernsehen bei der Förderung für kontraproduktiv, denn ich sehe die großen Vorteile, die wir uns in Deutschland mit unserem System der Bundes- und der regionalen Filmförderungen aufgebaut haben. Anders als in Frankreich, wo Kino und Fernsehen zwei Welten bilden, die sich kaum begegnen, bildet unser deutsches Fördersystem die Wirklichkeit ab, in der Filmemacher, Produzenten, Fernsehsender als Kreativpartner bei Film- und Fernsehproduktionen zusammenarbeiten. Dies sind eben keine getrennten Welten, und die Mär vom bösen, am Kino nicht interessierten und in Kinoästhetik gänzlich uninformierten Fernsehen kann ich nicht mehr hören. Ein Regisseur dreht heute einen Kinofilm, der in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen wird, morgen inszeniert er vielleicht einen Tatort und übermorgen ein TV-Event, das von mehreren Länderförderungen unterstützt wird. ARD und ZDF engagieren sich aus Überzeugung bereits in der Entwicklung von ambitionierten Kinofilmen wie zum Beispiel der SWR als federführender Fernsehpartner beim Kinofilm Elser. Das ist aus meiner Sicht eine Win-win-Situation.
„Umstritten, aber doch exzellent“
Michael Schmid-Ospach
Geschäftsführer Filmstiftung NRW (2001 – 2010), zuvor beim WDR
Fernsehen und Kino sind brüderlich zu sehen, deshalb sind mir nicht nur die Abgrenzungen wichtig, sondern auch die Gemeinsamkeiten. Das „Amphibische“ ist künstlerisch umstritten, aber doch ein exzellentes Modell. Also meine ich: Fortentwicklung der jetzigen Förderungen, auch der freiheitsfördernden föderalen Strukturen, aber zugleich Entwicklung von Spielregeln, damit die beiden Seiten sich nicht über den Tisch ziehen. Einiges muss nämlich korrigiert werden, die vielen Positiva sollte niemand schmähen. Von der Nachwuchsförderung bis zum internationalen Impetus der ganzen Branche ist eine Menge passiert.
„Sender wären aus dem Risiko entlassen“
Gabriele Pfennigsdorf
Stellvertretende Geschäftsführerin FilmFernsehFonds (FFF) Bayern
In der bisherigen Praxis fließen die Fördergelder der Sender in den direkten Produktionsprozess. Wenn sich die Sender darüber hinaus bereits Ausstrahlungsrechte in diesem frühen Stadium sichern wollen, müssen sie einen weiteren, in der Regel durchaus relevanten Finanzierungsbeitrag leisten. Ohne diese Gelder könnten viele Filme erst gar nicht entstehen. Die Sender gehen damit ins Risiko. Das vorgeschlagene neue Fördermodell würde bedeuten, dass die Sender aus diesem Risiko entlassen werden. Ankaufsummen für fertige Filme sind in der Regel deutlich niedriger als Koproduktionsbeiträge. Die Sender könnten sich zukünftig die Perlen des deutschen Filmschaffens heraussuchen und sich in ihrer Wahl an den Erfolgen an der Kinokasse oder an wichtigen Preisen orientieren. Eine Verpflichtung per Rundfunkstaatsvertrag, für eine bestimmte Summe fertige deutsche Kinofilme anzukaufen, kann ja wohl kaum bedeuten, die Sender dazu zu zwingen, auch jene Werke anzukaufen, die im Kino floppen und von Festivaldirektoren abgelehnt werden.
„Mehr Markt täte gut“
Ulrich Höcherl
Chefredakteur „Blickpunkt:Film“
Ein bisschen mehr Markt täte dem Filmproduktionsmarkt in Deutschland tatsächlich gut. Die Rolle der Fernsehsender als Beitragszahler bei der FFA und bei den Länderförderungen ist sehr unterschiedlich. Man muss das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Viele Senderverantwortliche sind sich ihrer Verantwortung für den deutschen/europäischen Film bewusst und investieren doch nicht genug in eine Programmfarbe, die sie obendrein bei den Ausstrahlungszeiten stiefmütterlich behandeln. Dass die öffentlich-rechtlichen Sender die Ausgaben für Kinofilme erhöhen, wird sich so konkret nicht in den Rundfunkstaatsvertrag schreiben lassen. Dass sie aber mit den Geldern, die sie dafür ausgeben, nicht einfach alle Rechte erwerben, sondern entsprechend einem ihnen beim Erwerb anderer Programme vertrauten Lizenzmodell lediglich auf eine bestimmte Anzahl oder Zeit begrenzte Ausstrahlungs- oder Nutzungsrechte vom Produzenten erwerben, das sollte festgeschrieben werden. Rechteinhaber muss aber der Produzent sein. Als Förderer des deutschen Films sind die Sender darüber hinaus auch in Zukunft willkommen.
„So würde insgesamt reduziert“
Karola Wille
Intendantin des MDR
Wenn wir nur Lizenzware kaufen, hätten wir im fiktionalen Bereich das Problem, dass wir nach dem Willen des Gesetzgebers keine gekauften Kinofilme ins Netz stellen dürfen. Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wie passen die Filme, die ursprünglich für den Kinofilmmarkt produziert wurden, in die Programm- und Markenstrategie und die Positionierung der jeweiligen Landesrundfunkanstalt oder des Ersten? Außerdem: Der Rückzug der Fernsehsender aus den Fördereinrichtungen hätte insgesamt eine Reduzierung der Filmförderung zur Folge. *
* Die Degeto (Geschäftsführerin Inhalte: Christine Strobl), zuständig für ARD-Filmeinkäufe, schließt sich Karola Wille an
„Das haben wir gefordert“
Thomas Frickel
Vorsitzender und Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Dokumentarfilm (AG DOK)
Genau das hat die AG DOK in ihrem Thesenpapier „Kino und Fernsehen – Vorschläge zu neuen Akzentsetzungen“ angeregt. In einer viel beachteten Studie haben wir damals nachgewiesen, wie stark das Fernsehen die deutschen Länderförderungen beeinflusst: in den Aufsichtsgremien, in den Vergabeausschüssen – und letztlich in der Entscheidung für Inhalte, die vor allem eines sein müssen: fernsehtauglich. Manchmal läuft das richtig gut, oft läuft es so lala, aber immer häufiger sorgt diese Verflechtung auch dafür, dass vermeintlich sperrige Erzählformen und eigenwillige künstlerische Handschriften, wie sie vor einigen Jahren der dänischen Dogma-Bewegung zu weltweiter Aufmerksamkeit verhalfen und wie sie das Kino braucht, in Deutschland schon im Projektstadium aus dem Fördersystem herausbrechen. Mit der Konsequenz, dass radikale, anstößige, kurz: aufregende Filme trotz einer immens angewachsenen Jahresproduktion bei uns so selten geworden sind. Diese Entwicklung umzukehren wäre wünschenswert, ist aber verdammt schwer, denn für die Sender ist es ein Bombengeschäft: holen sie aus der Förderung doch ein Vielfaches dessen an Programmwert heraus, was sie an Geld hineinstecken.
„Weitere Auswertung fördern“
Volker Otte
Anwalt für Filmförderungsrecht, Justiziar der FFA (1995 – 1999)
Ich gehe nicht davon aus, dass sich bei einer Umsetzung des Vorschlags etwas zum Positiven ändern würde. Ganz unabhängig von allen Produktionsförderungen bleiben Senderbeteiligungen über Koproduktion oder Lizenzkauf weiterhin maßgebliche Finanzierungsbestandteile für deutsche Filme. Verlieren die Förderinstitutionen ihre Senderbeiträge und dementsprechend auch die Möglichkeit, über die Fördergremien Einfluss zu nehmen, könnte die Bedeutung der Sender sogar noch anwachsen. Denn in den Fördergremien sitzen ja nicht nur Sendervertreter. Mein Vorschlag ist, dass der Einfluss der weiteren Auswertungen, insbesondere der deutsche Verleih und auch der Weltvertrieb, gestärkt werden, indem die Fördermittel hierfür deutlich ansteigen. Zu denken ist zum Beispiel an eine automatische Verleih- und Vertriebsförderung, wie sie ja mit dem DFFF bereits für die Herstellung von Kinofilmen besteht.
„Nicht eindeutig zu beantworten“
Alfred Holighaus
Geschäftsführer der Deutschen Filmakademie
Am Tag der Filmpreisverleihung des Jahres 2013 hat die Deutsche Filmakademie ausdrücklich und aktiv eine gemeinsame Resolution der Kreativ- und Wirtschaftsverbände des deutschen Films unterstützt, in der die Rolle des öffentlich-rechtlichen Fernsehens für den Kinofilm klar definiert wird. Dazu stehen wir. Ob wir nur über die angesprochene Forderung zu diesem Ziel gelangen können, ist im Augenblick nicht eindeutig zu beantworten. Die Resolution ließ alle Möglichkeiten zu – von der Koproduktion über die Filmförderung bis zum Lizenzkauf. Sie stellte aber eine klare finanzielle Forderung, nämlich „3,5 Prozent der jeweiligen Gesamthaushalte von ARD und ZDF dauerhaft in Kinofilme zu investieren“. Und sie machte klar: „Wir sehen in dem Engagement von ARD und ZDF für den deutschen Kinofilm keine Förderung des deutschen Films durch die Sender. Es ist keine wohltätige Geste, die man sich sparen kann, wenn die Mittel knapper werden. Die Ausstrahlung deutscher Kinofilme gehört vielmehr zum Grundversorgungs-/Funktionsauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die Erfüllung dieses Auftrags ist Teil der Daseinsberechtigung von ARD und ZDF.“ Das Nähere regelt die hoffentlich lebhaft, ideenreich und zukunftsorientiert geführte Diskussion über die Novelle des FFG.
Kommentare 19
Wäre "der" deutsche Film nur "mittelmäßig" ginge es ja noch hin.
Viele deutsche Filmschaffende scheinen das jedoch nach Kräften auch noch unterbieten zu wollen mit ihren hochsteckten Ambitionen.
Da steckt mehr Hase im Pfeffer als man anzunehmen bereit zu wirken scheint.
Das Problem scheint eher zu sein, sich als "Filmschaffend" zu begreifen wenn man einen "Dreh" (oh wunder sagte die Flunder) hat.
Nicht, dass sowas außergewöhnlich ist endlich mal zu "drehen".
Scheisse nur, wenn unausgegorene Bücher auf noch unausgegorenere "Filmschaffende" treffen sollten - für den Exportmarkt in Drittweltländer mag das reichen.
Scheiße nur noch mehr wenn man dann auch noch von "Filmkunst" dort reden möchte, wo es um Sicherung von Absatzmärkten gehen sollte.
Avatar war gewiss kein filmkünstlerisches Ereignis jedoch eines, das Fritz Langs Metropolis konsequent weiterentwickelt hatte.
In so einem Schlagschatten wie sie die Majors vorgeben könnte man ggf noch Filme drehen wäre man daran überhaupt noch interessiert.
Das allerdings scheint längst nicht mehr der Fall zu sein.
Na, Mart? 3x in Folge an der HFF abgelehnt worden? Keine Akkreditierung für die Berlinale bekommen? Oder woher rührt dein frustiger ""-Leberwurst-Text?
der deutsche Film kann doch zumindest national überaus erfolgreich sein, wenn man an Keinohrhasen und andere Schweigersche Werke denkt^^ ach so, es geht um anspruchsvollen deutschen Film^^ tja, wahrscheinlich ist was mit dem Publikum verkehrt. Oder mit den Ansprüchen^^
es geht nicht um anspruch/qualität vs. masse, sondern um qualität/anspruch und masse. dass es ein hier potentes, wirtschaftlich erfolgreiches kino gibt (schweiger, schweighöfer, dagtekin), ist doch gut (da könnte man eher überlegen, inwiefern subventionen, förderung da gebraucht werden, weil die filme ja von selbst geld verdienen). es geht darum, dass daneben etwas ermöglicht werden könnte, das auf festivals läuft, gegenwart abbildet etc. - ob das der vorschlag bringen würde? das ist ja gerade die frag
Das Thema ist so ausgelutscht wie ein Weißwurst-Darm.
Mit typisch deutscher Ordnung ist keine Kreativität zu erzeugen. Der deutsche Film krankt in Ermangelung an Schau-spielern, und setzt stattdessen weiterhin auf Dar-steller. Das war`s schon.
MfG Unschaerfe
nehmen sie mir den nicht übel - aber sie machen ihrem namen ehre. nicht, dass die versuchte diskussion neu wäre, da kann ich sie verstehen. aber durch einen mangel guter schauspieler ist der deutsche film sicher nicht zu charakterisieren. mfg
es geht nicht um anspruch/qualität vs. masse, sondern um qualität/anspruch und masse.
Gab es das überhaupt schon mal im größeren Umfang, internationale Produktionen eingeschlossen, dass qualitativ-künstlerisch hochwertige Filme die Kassenschlager waren, die sich ihre Produzenten erhofften? Kommerziell erfolgreiche Filme bedienen die Erwartungen der Masse im Allgemeinen dort, wo sie sind, nicht dort, wo sie aus künstlerischer oder ideologischer Sicht sein sollten.
Ob es ein absoluter und unüberbrückbarer Gegensatz sein muss, weiß ich nicht. Vielleicht gelingt ja einem Regiegenie doch einmal die Quadratur des Kreises. Aber speziell beim anspruchsvollen deutschen Film habe ich mehrheitlich das Gefühl, was die RegisseurInnen antreibt, ist weitaus mehr eine Art Selbstverwirklichung statt die Erfüllung der filmischen Interessen der Masse, die bestenfalls als störend empfunden werden. Entsprechend reagiert die Masse.
Und ich bezweifele, dass sich ein staatlicher Finanzierungsauftrag für unter ihresgleichen hochangesehenen, kommerziell aber erfolglosen Künstlern beweisen lässt.
Nebenbei, ich vermisse Ihre Tatort-Besprechungen^^ Bei Watson sind Sie anscheinend nicht mehr zugange?
kommerziell erfolgreiches kino, das künstlerisch hochstehend ist, gibt es wohl nur in hollywood. in indien vielleicht noch, auch wenn ich mich da zu wenig auskenne. aber um diese versöhnung ginge es bei umfrage-frage gar nicht - und den staatlichen finanzierungsauftrag gibt es ja jetzt schon, die frage war, ob man, wenn das geld anders verteilt würde, nicht bessere ergebnisse, eine art wettbewerb erreichen könnte.
bei der selbstverwirklichung vs. masseninteressenerfüllung würde ich sagen, dass das etwas polemisch ist. gute kunst entsteht nicht, wenn man sich überlegt, was eine große massen wollen könnte (so machen die öffentlich-rechtlichen nicht selten programm), sondern dass man nach dem richtigen ausdruck sucht für etwas, das einen beschäfigt.
ps. das liest man gern. die sind jetzt hier: dasND.de/tatort
Ach du meine Güte, wer die Statements entziffert, der ahnt, was das Problem ist ...
nehmen sie mir den nicht übel - aber sie machen ihrem namen ehre. nicht, dass die versuchte diskussion neu wäre, da kann ich sie verstehen. aber durch einen mangel guter schauspieler ist der deutsche film sicher nicht zu charakterisieren. mfg
Nehmen Sie es mir nicht übel, aber der Kalauer über meinen Klarnamen, nun...ist nicht so brandneu. Wo wir schon beim Übel des deutschen Films und seiner Kritiker wären. In einem Land, in dem der sonntägliche Tatort seit gefühlten 1000 Jahren noch einer Kritik in Echtzeit wert ist, muss die Diskussion über den deutschen Film wie konkrete Kunst anmuten, wenn, ja wenn man alles ausspart, was praktisch, also vom Handwerk an sich funktionieren könnte. Wenn Sie mögen, dann nennen Sie bitte einmal 10 so richtig gute, deutsche Schauspieler. Geschmäcker sind verschieden, speisen wir ein - ist klar.
MfG Unschaerfe
Gefördert werden und ich habe das Privileg jedes Jahr über 40 geförderte Filme, teils vorab auf DVD zu sehen: Nazi. Drittes Reich. Ausschwitz. Krebs. Gehirntumor. Schwul/lesbisch. Migrant. Kaputt. DDR. Psycho. Und jetzt nehmen wir einen Mixer und packen da alles rein. Dann haben wir ein Drehbuch. Dann suchen wir uns die Förderregionen. Drehen einen Teil in Leipzig oder Halle. Machen die Post in NRW. Den zweiten Teil in München oder Hamburg und reichen das ganze noch bei der FFA ein. Wenn wir noch mehr Geld brauchen, werden wir international. BeNeLux, Irland, Kanada ist beliebt, und noch eine Brise Media II, plus Canal+ etc. etc. So entsteht der Deutsche Film. Natürlich mit den Öffentlich Rechtlichen und deren Redakteuren. Warum ändern? Alle sind glücklich und beschäftigt. NUR: KEINER GUCKT DIE KACKE.
ist das wirklich ihr richtiger name? dann werden sie über einen mangel an lustigen bemerkungen nicht klagen können. sorry for that.
was den geschmack angeht: auch wenn man über die qualität von kritik diskutieren kann – das tatort-twittern würde ich darunter nicht fassen, da geht's doch zuerst um kommunikation. und die liste mit den schauspielern (auf die schnelle)
elisabeth flickenschildt | brigitte horney | erwin geschonneck | luise rainer | curd jürgens | lilli palmer | wolfgang kieling | peter van eyck | marga legal | ulrich mühe
und nu?
***** :-))))
»NUR: KEINER GUCKT DIE KACKE« weil sie unguckbar ist; Folter, akute Qualen verursachend; diese immergleichen mühsam gestrickten, langweiligen Geschichten mit den gleichen Kamerafahrten und immer den selben Schauspielern. Die schaffen es seit neuestem sogar in Afrika oder Australien zu drehen und es genauso Kacke aussehen zu lassen wie zuvor in Berlin. Echt eine Leistung.
Lustig nur, es äuft im Film eigentlich genauso wie in der Kunst: Themen und Schwerpunkte geben öffentliche Ministerien, Fördergremien oder die Bundeskulturstiftung vor – die, die die Gelder verwalten; man schreibt schicke, detaillierte, vollkommen fiktive Projektanträge, in denen die größtmögliche Anzahl an Punkten bedient wird; und swuppdiwupp: Kohle. Blöd nur, dass man nie wirklich was zu "Osteuropa", "Afrika" oder der ganzen ausgedachten Gutmenschenkunstverwaltungskacke machen wollte, weil einen in der eigenen künstlerischen Arbeit ganz andere Dinge beschäftigen. Naja, da muss man dann irgendwie durch.
Lustig an den Interviews finde ich, wie sehr sie doch das Problem bestätigen: Gerade die, die Dinge ändern könnten sehen dafür überhaupt keinen Bedarf.
Natürlich liegen die Hebel viel zu konzentriert beim Fernsehen. Das müsste dringend geändert werden.
Und, keine frage, Kino und TV sind zu trennen. Aber das wäre immer noch viel viel zu wenig. Auch die Förderstrukturen müssten breiter aufgestellt werden; mehr Geld den Ländern. Weg von der Konzentration in Berlin, weg von dem Gedanken mit Hollywood konkurrieren zu wollen. Weg von all dem Immerselben in allen deutschen Filmen. Und kein TTIP für Kultur zulassen. Stattdessen die gesamte Finanzierung des ÖRR – zusammen mit der Filmförderung –, der veränderten Situation durch die Digitalisierung anpassen.
Zumal es echt skandalös ist, dass unsere mehr als üppigen Rundfunkgebühren momentan lediglich dazu führen, dass Drehorte immer internationaler, exotischer und entfernter werden. Sich aber qualitativ absolut Null geändert hat. Am schnellsten würde sich wahrscheinlich was ändern, würde man für Leute in leitenden Positionen eine, nun ja, Anschlussverwendung finden: Den Filz beseitigen. Komplett neue Besetzung aller Stellen im ÖRR ebenso wie in den Fördergremien. Das wäre ein Anfang in die richtige Richtung. Und davon hätten endlich alle Gebüren- und Steuerzahler was: Eine neue Welle toller Filme zu aktuellen Themen. Denn tolle Filmemacher und Autoren gibt es mehr als genug. Nur kommen die einfach nicht an die Aufträge und das Geld, um ihre wichtige Arbeit zu machen.
Iwo: gewöhnlicher Zuschauer - und was da aus M oder B prononciert in "Filmkunst" machen will...
Macht ihr mal ruhig Eure Auftriebe in B oder Cannes samt Condolieren in Venezia - manchmal kommt sogar was Ansehbares heraus dabei - mal sehn was "Honig im Kopf" in die Fördertöpfe spülen wird... - eine erfolgreiche Produktion wie man hört.
schön, dass sie dann immerhin doch noch mal die texte gelesen haben, statt nur das thema den scannen und einmal den finger in den hals zu stecken. dann fällt vielleicht eben auch auf, dass es darum in dem text geht:
"Und, keine frage, Kino und TV sind zu trennen."
sie können ja schreiben, was sie wollen, aber in manchem fall hilft dann die allergenerellste generalisierung nicht weiter:
"Zumal es echt skandalös ist, dass unsere mehr als üppigen Rundfunkgebühren momentan lediglich dazu führen, dass Drehorte immer internationaler, exotischer und entfernter werden. Sich aber qualitativ absolut Null geändert hat."
dieses "immer mehr", "immer schlimmer" trifft die post-jurgan-degeto nicht so recht. da wird ja gerade was an der exotic-drehplatz-policy geändert.
konstruktiv finde ich diesen vorschlag:
"Stattdessen die gesamte Finanzierung des ÖRR – zusammen mit der Filmförderung –, der veränderten Situation durch die Digitalisierung anpassen."
ist immer gut. ihr generalissimo
kommerziell erfolgreiches kino, das künstlerisch hochstehend ist, gibt es wohl nur in hollywood
na ja, wenn ich schnell mal die Liste meiner Lieblingsregisseure durchblättere, scheint mir das eher fraglich, wenn, dann hätte ich das eher in der amerikanischen Independence vermutet, Cassavetes, Jarmusch, Anderson und Konsorten. Aber Sie kennen sich damit sicher besser aus als ich, auch wenn mir derzeit keine künstlerisch wertvollen Hollywood-Produktionen einfallen wollen, vertraue ich da Ihrer Aussage^^ und andererseits, in der Independence hält sich der kommerzielle Erfolg auch eher in Grenzen
Frankreich hat das ein oder andere zu bieten, Japan hat mit Kitano einen künstlerisch hochwertigen und kommerziell erfolgreichen Regisseur, und für Indien fällt mir Mrinal Sen ein. Den Konnex zwischen Bollywood und Kunst empfinde ich als atemberaubend^^
gute kunst entsteht nicht, wenn man sich überlegt, was eine große massen wollen könnte (so machen die öffentlich-rechtlichen nicht selten programm), sondern dass man nach dem richtigen ausdruck sucht für etwas, das einen beschäfigt.
Das ist eine Beobachtung, die für filmische Kunst zweifellos genau so richtig ist wie für die meiste sonstige Kunst, aber möglicherweise liegt hier der Kern der Problematik verborgen.
Sofern Kunst tatsächlich Ausdruck einer Innerlichkeit der Künstler ist, müssen diese Künstler allerdings zwangsläufig damit leben, dass sie mit ihrer Kunst nur diejenigen erreichen, die mit einer ähnlichen Innerlichkeit beschäftigt sind; daran wird kein noch so elaboriertes Verteilungsschema der Welt etwas ändern.
Es sei denn - und das scheint mir die große Frage zu sein - besagte Künstler würden es darüber hinaus nicht als Zumutung auffassen, in der Darstellung dieser Innerlichkeit Wissen darüber zu berücksichtigen, wie sie Menschen erreichen können - einfach nur zu hoffen, dass die Sache irgendwie für sich selbst sprechen wird, hat eigentlich noch nie gereicht.
Das, wovon sich Menschen ganz gewiss nicht mehr erreichen lassen, nachdem sie die Schule verlassen haben, ist der moralische Zeigefinger, und kommt er noch so wohlfeil und pädagogisch und moralisch wertvoll daher. Und das scheint mir die eigentliche Krankheit unserer tollen, erfolglosen Regisseure und Regisseurinnen zu sein, nicht die unzulängliche Verteilung von Mitteln. Deutscher Film, das kommt zuhauf daher wie Ansprachen von Oberstufenlehrern über sittliche Reife. Das Thema mag interessant sein, aber bei der Darstellungsweise schalten die allermeisten doch lieber sofort ab.
Sofern allerdings eine Neuverteilung auch zu einer Entkoppelung von den Vorgaben der Sender zur politischen Korrektheit führen würde, könnte man drüber reden. Wenn das allerdings wiederum dazu führen sollte, dass die künstlerisch ambitionierten Regisseure und Regisseurinnen nur noch mehr in ihren Befindlichkeitssumpf untertauchen, kann man es auch genauso gut von vornherein sein lassen.
Danke für die Rückmeldung. Generalissimo, ui uiui, und das vom Spezialisten … Dann gebe ich mir jetzt mal gaaaanz viel Mühe:
a) Man muss kein ausgewiesener Experte sein, um zu sehen große Themen werden systematisch ausgeblendet und Einzelförderungen reichen nirgends für einen ganzen Film.
Klingt nach Verallgemeinerung, ich weiss. Ist aber so.
b) Weshalb in der Filmfinanzierung zu viele unterschiedliche Fördertöpfe bedient werden müssen – was ja hier auch schon in den Kommentaren sehr klug und witzig angesprochen wurde. Zu viele Stimmen, die glauben bei kreativen Prozessen mitreden zu können. Zu viele Köche, zu viele, die Mitspracherecht haben, Einfluss ausüben. Zu Lasten der Qualität. Das kann selbst ein Laie korrekt diagnostizieren; muss nur lange genug sitzen bleiben, bis die Credits mit all den hunderten Förderorganisationen am Ende durchlaufen. Logistischer Irrsinn, Antragswahn.
c) Die Förderlandschaft ist genau das: Eine geförderte Landschaft. »Film« kommt da gar nicht mehr vor. Das bürokratisch aufwändige, verschachtelte Fördersystem regionaler und überregionaler Fördergremien – die FFA, die Abgaben von Kinobetreibern und ÖRF erhebt; der DFFF der Regierung, der englischsprachige Co-produktionen auf deutschem Boden finanziert; die einzelnen Länderfonds; die Eurimage auf EU Ebene … über Jahrzehnte aufgebaut, um Vorteile für die Förderer zu erwirtschaften – kleine Summen, wenig Risiko – bringen Nachteile für die Filmschaffenden.
d) Denn, dass Filme inzwischen mindestens an 3 bis 4 unterschiedlichen Bundes- oder Eu Ländern gedreht und produziert werden, allein um die regionalen Förderrichtlinien zu erfüllen, sogar wenn dies inhaltlich überhaupt nicht notwendig ist, ist eben an der Tagesordnung. Und es tut dem Film nicht gut. Die Bürokratie behindert die kreativen Prozesse.
e) Die Entkoppelung von Film und Fernsehen wäre doch für beide von Vorteil. Denn Film ist ein Kulturgut und notwendig für die kulturelle Identität. Ausserdem sind Redakteure des ÖRF in den seltensten Fällen eben auch gute Filmproduzenten. Das dürfen wir als Empirie ansehen, die Filme sprechen doch Bände.
f) Wir kommen im deutschen Kino mit unseren politschen, aktuellen Themen doch kaum vor. Aber als Gesellschaft benötigen wir Bilder und Geschichten, Filme. Dringender denn je. Wir brauchen Bilder unserer Welt, Reflexionen der Lage; Welterklärungsversuche, die unsere Probleme ansprechen.
Ganz generell, nur um den Überblick zu behalten, fragen wir uns doch mal: Warum brauchen wir überhaupt Filmförderung? Weil es zu wenig Zuschauer gibt, keinen Markt für deutsche Filme auf einem englischsprachig dominierten Weltmark? Aber das wird keine Förderpolitik jemals ändern können. Die Zahlen für Filme wie Cloud Atlas oder Anonymous, verdeutlichen dies doch ganz wunderbar. Der deutsche Film, die wirtschaftliche Totgeburt. Und warum ist das so? Weil heute ein Film allem gerecht werden soll. Und das ist unrealistisch, das kann keiner leisten.
Vor allem aber, auf wessen Kosten geht die jetzige Förderstruktur? Wer macht die Miesen? Das sollte unbedingt auch Erwähnung finden: Nicht die ARD oder das ZDF, nicht die ÖRR. Sondern die Mitwirkenden. Die Teams, die um Filme zu finanzieren und Fehlbeträge zu stemmen in selbstausbeuterische Eigen- und Vorleistungen gehen. Das muss dringend geändert werden.