Reich wird, wer reich ist

Ungleichheit Selbst der IWF bestätigt jetzt: Das deutsche Erfolgsmodell – Vermögensverteilung, Familienfirmen, Exportüberschüsse – nutzt nur denen, die eh viel haben
Ausgabe 30/2019

Dieser Sommer wird in die Geschichte eingehen. Eine Frau wird zur Präsidentin der EU-Kommission gewählt, die Folgen des Klimawandels holen die Tagespolitik ein: So viel Aufbruchsstimmung war schon lange nicht mehr! Die Zeit scheint gekommen, auch andere brennende Themen anzugehen. Das mag sich der Internationale Währungsfonds (IWF) gedacht haben, als er seine Studie zur Ungleichheit in Deutschland vorgelegt und mitten im Sommer sogar ein bisschen Aufregung erzeugt hat. Die vorhandenen Politik-, Einkommens- und Vermögensstrukturen in Deutschland, so die AutorInnen, sorgen dafür, dass die Reichen reicher und die Armen ärmer werden.

Der IWF ist als neoliberal bekannt, doch seine aktuelle Studie scheint darüber hinauszugehen. Aber was ist so spektakulär daran? Vielleicht, dass sie nicht der Frage nachgeht, wie man in Deutschland in Armut geraten kann. Sondern darauf abstellt, Strukturen herauszuarbeiten, wie man in Deutschland reich bleibt oder werden kann. Damit ist das Werk eine Rarität.

Nehmen wir an dieser Stelle schon mal den Clou der Geschichte vorweg: Reich wird man in Deutschland – so der IWF – am besten durch Vermögen. Denn Vermögenswerte wachsen schneller als anderes. Das Problem ist nur, dass in Deutschland Vermögen eher ungleich verteilt ist. Im EU-Vergleich verfügen deutsche Haushalte im Median sogar über relativ wenig Vermögen: Das deutsche Medianvermögen liegt bei 61.000 Euro. Nimmt man die Eurozone insgesamt, so liegt dieser Wert bei 100.000 Euro. Vereinfachend gesprochen: Deutschland als Volkswirtschaft mag im internationalen Vergleich reich sein, die einzelnen Menschen hier sind es großteils nicht.

Das ist bekannt. Oft wird es damit erklärt, dass hier viele Menschen zur Miete wohnen. Denn Immobilien zählen zum Vermögen. Die umgekehrte Erklärung greift eher: Es wohnen viele Menschen zur Miete, weil kein Geld für den Immobilienerwerb da ist. Das deutet auf eine massive Ungleichheit hin – in einer der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Wer sich jetzt fragt, wie die aktuelle Wohnungsnot befeuert wird, findet wiederum in der Vermögensverteilung einen Teil der Antwort: Über Jahre haben die Lohn- und Transfereinkommen weniger zugelegt als durch Kapital generiertes Einkommen.

Damit nicht genug: Die Wohnungsnot und die Ungleichheit haben auch mit dem Exportüberschuss zu tun. Denn das deutsche Exportmodell führt eben nicht zum Wohlstand für alle. Auch 2018 erzielte Deutschland den größten Leistungsbilanzüberschuss der Welt, gefolgt von Japan und Russland. China kommt erst auf Platz elf, hinter Italien übrigens. Wie bitte: Das immer wieder als kränkelnd dargestellte Italien hat einen Leistungsbilanzüberschuss? Ja. Und dieser muss nicht zwangsläufig Leistungsfähigkeit attestieren. In Deutschland lässt sich durch einfache Alltagserfahrung feststellen, dass große gesellschaftliche Bereiche offenbar im internationalen Wettbewerb zurückliegen – etwa das Bildungssystem.

Versteinerte Strukturen

Hier wäre die frevelhafte Frage zu stellen: Wem gehört das Kapital? Wem gehören die Firmen, die den Exportüberschuss produzieren? Viele sind Familienunternehmen, die als „hidden champions“ weltweit gewissermaßen Monopolistenrenten realisieren. An dieser Stelle riefen denn auch die Kritiker, der IWF habe wohl das deutsche Modell nicht verstanden! Doch, das hat er.

Die Familienunternehmen verweisen auf ihre Verdienste und die von ihnen geschaffene Beschäftigung. Ja genau, liebe Unternehmen, es sind die Beschäftigten, die da produzieren und damit auch die Rendite sichern. Gerade deshalb sollten alle an den Renditen und damit an der Vermögensbildung teilhaben. Das wäre nicht nur gerecht, das wäre echte Umverteilung.

Daran wird derzeit kaum gedacht. Vielmehr werden die bestehenden Strukturen festgeschrieben. Deutschland ist für Vermögende eine Steueroase, sie werden entlastet, wo es geht. Eigentümer dürfen die Grundsteuer – eine der wenigen vermögensrelevanten Steuern – auf die Mieter überwälzen. Das ist Deutschland. Das ist Politik. Auch der IWF hat in diesem Sommer keinen echten Mut für klare Forderungen. Dabei wäre die Zeit reif: für eine Gerechtigkeitswende.

Mechthild Schrooten ist Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik

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