Das Ende der Utopien

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Utopien waren für frühere Generationen Träume – die wahr werden konnten. Eine Utopie wurde durchdacht, ein passendes Konzept aufgestellt, man versuchte aus dem realistischen Denkschema auszubrechen und eine neue Welt zu schaffen.

Heute sind Utopien unmodern geworden. Niemand glaubt mehr an eine friedliche und gerechte Welt. Die Menschen sind realistischer geworden und skeptischer. Es steht nicht einmal mehr zur Debatte, ob die Besinnung zur Wirklichkeit der idealistischen Träumerei vorzuziehen ist.

Tod des Kommunismus

Vielmehr ist es merkwürdig, wie sich die Vorstellungen gewandelt haben. Nachdem die Ideologie des Kommunismus langsam verreckt war – Marx in Ehren, aber es hat nicht funktioniert – war das ein Dämpfer für die Träumer, die an einen gerechten Staat glaubten. Stattdessen wurde den Menschen bewusst, dass gut gemeinte politische Ziele nicht selten genau das Gegenteil bewirkten. Ein allgemeiner Skeptizismus gegen linke Wertvorstellungen breitete sich in der Gesellschaft aus.

Überhaupt ist die große Stunde der politischen Ideologien, die nach Ansicht ihrer Verfechter zu einer Utopien führen sollten, in den westlichen Ländern – von anderen kann ich nicht sprechen – vorbei. Heute glaubt niemand mehr in Politik, denn Politik wiederspricht der gegenwärtigen Philosophie eines individualsierten, ego-fixierten “Life-Styles.”

Utopische Gedanken verfallen nach einer Generation

Die Kinder der Revoltierenden haben nichts mehr zu bekämpfen. Sie kennen diese “einer zog aus um die Welt zu verändern” Geschichten zu gut, als dass sie an ihre eigene Rebellion denken und glauben. Sowieso findet die Made im Speck ihr Leben in Ordnung. Und Unzufriedenheit alleine ist auch noch zu ertragen, ohne für eine bessere Welt zu kämpfen und einer Utopie nachzuhängen.

Zudem: wie soll man in einer Welt, in der nichts besser wird, in der die Probleme überhandnehmen, in denen wir uns Horrorszenarien für unsere Apokalypse ausmalen, in der nichts mehr zusammenpasst, von einer perfekten Welt träumen? Vielleicht können wir uns gerade noch so, ein paar Verbesserungen ausmale; der Idealismus indes ist uns abhandengekommen. Je pessimistischer, desto passender. Die Gesellschaft, das sind wir, vermittelt keine Hoffnungen, Träume und Wünsche, sondern vielmehr Pragmatismus und eine gute Portion Anti-Urvertrauen. Wir wissen ja mittlerweile besser bescheid als je zuvor von all dem Scheiß der so passiert auf der Welt den ganzen Tag.

Utopie – aus diesem Namen kann heute nur noch ein Konsumtempel Kapital schlagen. Dort gibt es alles und Oxytocin auf den Gängen.

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