Das "Fräulein von Amt" und Wagner via Telefon

Kulturgeschichte Opern aus dem Telefonhörer, Hitlers Angst um seine Aura beim Telefonat und öffentliche Fernsprecher: Ein Einblick in die Telefonkultur der Weimarer Republik

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Eine Telefonistin um 1930 bei der Arbeit
Eine Telefonistin um 1930 bei der Arbeit

Foto: Keystone View/FPG/Getty Images

Der Beruf der Telefonistin war eine der ersten Tätigkeiten, die sich um die Jahrhundertwende von 1900 als typische "Frauenberufe" etablierten. Die ebenfalls um diese Jobs buhlenden Männer besänftigte man mit einem zweifelhaften Argument: Die höhere Stimme von Frauen sei bei den ständigen Tonproblemen und Rauschen in den Leitungen einfach besser verständlich als die tieferen Stimmlagen der Männer. Vielleicht konnten Frauen auch schlichtweg mehr Geduld und Diplomatie aufbringen, um das Vermitteln der Gespräche trotz der damals ständig auftretenden technischen Probleme charmant über die Bühne zu bringen.

Erst 1966 war in Deutschland das Telefonnetz so weit ausgebaut, dass die Vermittlung der Gespräche durch eine zwischengeschaltete Instanz nirgendwo mehr notwendig war. "Wir haben ein Gespräch für Sie", den Standardsatz der Telefonistin, hört heute nur noch die Chefin von ihrem Sekretär. Und wenn sie sich dann dem Telefonat widmet, muss sich keine Telefonistin mehr mit der Situation des höflichen Mithörens arrangieren, während auch beide Gesprächspartner wissen, dass in der Leitung noch eine dritte Instanz ruhig auf die nächsten Anweisungen wartet.

Fernsprechhäuschen in Hotels und Restaurants

Die Ausbreitung der Telefontechnik begann in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts. Zunächst verlegte man zwischen größeren deutschen Städten Telefonnetze, von Berlin nach Hamburg beispielsweise waren ab 1887 Telefonate möglich; wenig später richtete dann auch die die erste Verbindung ins Ausland: Ab dem 6. August 1900 konnten Telefonate zwischen Berlin und Paris arrangiert werden. Schon vor dem 1. Weltkrieg teilten sich, statistisch gesehen, nur jeweils 47 Personen einen Telefonanschluss. Kontinuierlich wurden die Telefonmasten auf dem Gebiet der Republik aufgestellt, bald vorwiegend unterirdisch, damit sie jede Witterung und Vandalismus überlebten. Mit der Ausweitung der Telefonnetze wuchs auch die Anzahl der geführten Gespräche, und im Jahr 1921 wurden bereits 2,4 Mrd. Telefonate gezählt. Erst viel später, lange nach dem 2. Weltkrieg, wurde das Telefon schließlich zum Standard bei der Ausstattung von Privatwohnungen.

In den 1920er Jahren lag der Betrieb der öffentlichen Telefone größtenteils in den Händen privatwirtschaftlicher Unternehmen, die sich mit dem Angebot, Telefonate in ihren Geschäftsräumen durchzuführen, ein Zubrot verdienten. Die Abrechnung erfolgte für einzelne Gespräche direkt beim Betreiber der Telefone. Hauptsächlich öffentliche Telefonzellen (damals unter der Bezeichnung "Fernsprechhäuschen" bekannt) oder in Hotels und Restaurants eingerichtete Telefonräume ermöglichten die Individualkommunikation auch fernab von geschäftlichen Anlässen, in denen die Telefonkommunikation bereits weit verbreitet war. Die Gebühren für die Gespräche orientierten sich hierbei nicht nur an der Entfernung zwischen zwei Kommunikationspartnern, sondern auch anhand der Dringlichkeit: Blitzgespräche sowie gewöhnliche und eilige Gespräche kosteten unterschiedlich viel.

Seit der Krise stagnierte der Ausbau des Telefonnetzes

Der Ausbau des Telefonnetzes stagnierte in der Weimarer Republik erst seit der Wirtschaftskrise von 1929 – um in den darauf folgenden Jahren des NS-Regimes kaum eine Weiterentwicklung zu erleben: Den Nationalsozialisten waren jene Medien suspekt, die zur vertraulichen und privaten Kommunikation eingesetzt werden konnten. Wobei die Deutsche Reichspost, die das Telefonnetz verwaltete, sofort unter die Herrschaft des Parteiapparats gestellt wurde und die Gestapo mit der Aufgabe der Überwachung der Telefonate betraut wurde. Hitler selbst nahm den Telefonhörer nicht gerne zu Hand, war er doch der Meinung, dass bei Telefonaten seine Aura nicht gut zur Geltung komme.

Als im Jahr 1924 ein Pressefunk eingerichtet wird, wird das Telefon endgültig zum wichtigen Werkzeug in Nachrichtenredaktionen; zuvor hatten die Nachrichtenagenturen zwar bereits begonnen, ihre Kunden via Telefon über die aktuellen Ereignisse zu informieren, doch dieser Dienst wurde kaum genutzt. Mit dem Niedergang des Telegraphen wuchs die Bedeutung des Telefons, dies ging wiederum einher mit technischen Verbesserungen, niedrigeren Gebühren für die Anwendung und mehr Service für die Kunden der Telefonnetzanbieter.

Das Telefon als Vorreiter des Hörfunks

Auch als Vorreiter des Hörfunks etablierte sich das Telefon damals: Im Jahr 1928 lauschten über 3500 Teilnehmer dem "Operntelefon" – teilweise in öffentlichen Opernstuben, teilweise über ihren privaten Telefonanschluss. Bereits seit dem 19. Jahrhundert war das Telefon als Überträger klassischer Musik ein Unterhaltungsmedium für bildungsbürgerliche Schichten geworden, 1924 übertrug man in Bayern Richard Wagners "Walküre". Das Theatrophon feierte seine größten Erfolge in Frankreich, andernorts konnte sich die Übertragung von Opern- und Theaterstücken über zwei Ohrmuscheln, die an die beiden Ohren gehalten werden mussten, nicht wirklich durchsetzen.

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