Ist das der Dank?

Pandemie Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa handelt mit seiner frühzeitigen Warnung vor Omikron vorbildlich und wird abgestraft: Viele Länder reagieren mit Einreisebeschränkungen und Reisewarnungen. Das hat massive Folgen
Ausgabe 48/2021
Dass Südafrika die neue Mutation entdeckt hat, heißt noch lange nicht, dass sie dort entstanden ist
Dass Südafrika die neue Mutation entdeckt hat, heißt noch lange nicht, dass sie dort entstanden ist

Foto: Alet Pretorius/Gallo Images/Getty Images

Die frühzeitige Meldung der südafrikanischen Regierung über die Entdeckung der Virusvariante Omikron ist ein exzellentes Beispiel für Kooperation und Early Warning auf internationaler Ebene. Sie trägt dazu bei, geeignete Maßnahmen zu treffen, damit sich das Virus nicht weiter ausbreitet, sowie das Testen und Behandeln anzupassen. Doch wirken die Reisebeschränkungen für Länder des südlichen Afrika, nicht aber für andere betroffene Staaten, übereilt und treffen die Volkswirtschaften hart. Hierdurch besteht die Gefahr, dass andere Länder von der Frühwarnung abgeschreckt werden.

Erfahrungen mit HIV

Es waren klare Worte, die Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa in seiner Ansprache an die Nation am 28. November fand: „Wir sind tief enttäuscht über die Entscheidung von mehreren Ländern, die Flüge aus einer Reihe von Ländern des südlichen Afrika einzuschränken als Folge der Identifizierung der Omikrom-Variante. (…) Wir rufen diese Länder, die Einreisebeschränkungen für uns und unsere Nachbarländer im südlichen Afrika verhängt haben, dazu auf, diese wieder aufzuheben (...)“ Ramaphosas Reaktion zeigt, dass der Wille zu internationaler Kooperation und zur Frühwarnung für Südafrika zum Problem werden könnte. Nachdem Großbritannien als erste Regierung sofortige Einreisebeschränkungen verhängt hatte, zogen andere Länder und die EU nach. Seit dem 28. November wird Südafrika auch von der Bundesregierung als „Virus-Varianten-Gebiet“ gelistet. Diese Maßnahmen wirken übereilt, zumal Omikron mittlerweile in anderen Ländern der Welt aufgetaucht und nicht klar ist, welche Gefahr von der Variante tatsächlich ausgeht.

Die lokale Ökonomie, die nach langen Lockdowns nun auf den Tourismus in einer Hochsaison bis Februar 2022 hoffte, wird massiv getroffen. Doch auch für die internationale Gemeinschaft könnten diese Einschränkungen zum Eigentor werden – dann nämlich, wenn die Reaktionen und die damit verbundenen Nachteile andere Länder dazu verleiten, die Empfehlungen der WHO nicht mehr zu befolgen.

Südafrika gehört zu den Ländern auf dem afrikanischen Kontinent, die von den Corona-Folgen am stärksten betroffen waren. Anfang März 2020 bestätigte sich der erste Corona-Verdachtsfall eines Reiserückkehrers aus Italien. Die Regierung reagierte prompt mit einem der härtesten Lockdowns weltweit, der knapp zwei Monate das komplette öffentliche Leben lahmlegte und durch Polizei wie Militär engmaschig kontrolliert wurde. Die harten Maßnahmen stießen größtenteils auf Akzeptanz, was auch der Kommunikationsstrategie der Regierung zu verdanken war. Ramaphosa wandte sich in regelmäßigen Ansprachen an die Nation, lieferte Fakten, erläuterte seine Entscheidungen und beschwor die Notwendigkeit harter Einschnitte, um im Sinne der Gemeinschaft zur Eindämmung des Virus beizutragen. Angesichts der fragmentierten südafrikanischen Gesundheitsinfrastruktur und des hohen Anteils von Menschen, die mit HIV leben oder durch andere Vorerkrankungen besonders vulnerabel sind, kann diese Haltung nicht hoch genug bewertet werden.

Aufgrund der Erfahrungen im Umgang mit HIV verfügt Südafrika über international renommierte Wissenschaftler, die langjährige Erfahrungen in der Erforschung von Virusinfektionen gesammelt haben. Der Austausch mit der Weltgesundheitsorganisation ist gut, die WHO hat sich dafür bei der südafrikanischen Regierung ausdrücklich bedankt. Maria Van Kerkove, technische Leiterin des Covid-19-Teams der WHO, sprach sich zwar nicht direkt gegen die jetzigen Einreisebeschränkungen aus, betonte aber, dass Länder, die ihre Ergebnisse offen teilen, deswegen nicht diskriminiert werden dürften.

Schon vor der Pandemie gehörte Südafrika zu den Ländern mit der höchsten sozialen Ungleichheit weltweit und befand sich in einer Wirtschaftskrise. Auch ein Resultat der State Capture, der systematischen Korruption und Aushöhlung staatlicher Institutionen durch den ehemaligen Präsidenten Jacob Zuma, der im Februar 2018 nach knapp neun Jahren im Amt durch ein Misstrauensvotum des Parlaments vorzeitig abgewählt wurde und seitdem strafrechtlich verfolgt wird. Die Korruption wird unter Nachfolger Ramaphosa zwar bekämpft, aber langsamer als nötig. Zudem gab es Rückschritte, als beispielsweise Korruptionsfälle im Gesundheitswesen publik wurden und zur Entlassung des einstigen Gesundheitsministers führten.

Die fast zwei Jahre andauernde Pandemie hat viele Probleme in Südafrika verschärft: Die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen und liegt mittlerweile bei über 35 Prozent, bei den 15- bis 24-Jährigen haben 63 Prozent keinen Job. Von langen Lockdowns und damit verbundenen Gehaltsausfällen waren besonders ungelernte Arbeiter mit niedrigem Einkommen betroffen. Sie verfügen kaum über Rücklagen, um Gehaltsausfälle zu kompensieren. Das erklärt den deutlichen Appell Ramaphosas an die Weltgemeinschaft. Viele Menschen hatten auf die Tourismussaison gewartet, die Einnahmen ins Land bringen und Arbeitsplätze sichern sollte. Diese Hoffnungen haben sich nun erst einmal zerschlagen.

Ausreichend Impfstoff

Dennoch hat die südafrikanische Regierung beschlossen, vorerst keine weiteren Corona-Beschränkungen vorzunehmen und vielmehr auf die Ausweitung der Impfkampagne zu setzen, die in Südafrika schleppend voranging: 36,1 Prozent der Erwachsenen sind doppelt geimpft. Das Land verfügt derzeit über ausreichend Impfstoff, was allerdings nicht für alle Länder in der Afrikanischen Union (AU) gilt. In einem BBC-Interview mit Ayoade Alkija, Vizepräsidentin der Africa Vaccine Delivery Alliance, kritisierte diese die Reisebeschränkungen als wissenschaftlich unbegründet und wies auf die ungleiche Verteilung von Impfstoffen hin, von der viele afrikanische Staaten weiter betroffen sind. In vielen Ländern ist nach wie vor die Frustration darüber zu spüren, dass die EU im März 2020, als das Coronavirus den Kontinent traf, nicht zügig mit Unterstützungsangeboten reagierte, sondern Exportbeschränkungen oder gar Verbote für Schutzausrüstungen verhängte.

Melanie Müller ist Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Afrika und Mittlerer Osten bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP)

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