Von Logos und eisernen NS-Wehrmännern

Salzburg Erinnerungslücken zwischen Kultur und Ethos

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Ein Kassenhäuschen der Salzburger Festspiele 2021.
Ein Kassenhäuschen der Salzburger Festspiele 2021.

Foto: BARBARA GINDL/APA/AFP via Getty Images

Jahrzehnte hindurch stellte die Gestalterin des Logos der Salzburger Festspiele, Poldi Wojtek, kein Problem dar. Sie galt als unverdächtige Gebrauchsgrafikerin, die in den 30er und 40er Jahren „mit der Zeit gegangen war“ und „sich den Nazis ein wenig an den Hals geworfen“ hatte.

Die jahrelangen Recherchen von Memory Gaps förderten jedoch ein ganz anderes Bild von Poldi Wojtek zutage: mit umfassenden privaten Verbindungen und tiefen beruflichen Verstrickungen bis in die höchsten Kreise des NS-Establishments. Die veröffentlichten Rechercheergebnisse von Memory Gaps aus den Jahren 2017 bis 2019 wurden im Zuge der, von den Salzburger Festspielen 2020 in Auftrag gegebenen Studie vollinhaltlich bestätigt. Seither gilt die Grafikerin und Gestalterin des Logos der Salzburger Festspiele u. a. auch als „schamlose Nazisse“.

Seit 2021 hat sich die Bildsprache in Salzburg merklich geändert. Das Logo von Poldi Wojtek ist bisweilen diskret in den Hintergrund getreten. An dessen Stelle sieht man in Pressekonferenzen, auf Websites und in Dokumentationen verstärkt und immer öfter die Mimen-Masken des Halleiner Bildhauers Jakob Adlhart d.J. (* 01.04.1898 in München; † 12.08.1985 in Hallein). Zu Adlharts Werken zählen vor allem Holzplastiken, Kruzifixe, Kreuzweg-Reliefs und Altarteile. Darüber hinaus schuf Adlhart 1926 auch die obengenannten marmornen Mimenmasken, den "Vier-Masken-Block" für das Portal des Großen Festspielhauses in Salzburg:

Jakob Adlhart war offiziell (ähnlich wie Poldi Wojtek ob ihres Bauhaus-Stils) aufgrund seines expressionistischen Stils von den Nationalsozialisten offiziell nicht erwünscht. Doch der Schwager Adlharts, der NS-Architekt und Salzburger Gau-Siedlungsplaner Otto Strohmayer (auch Strohmayr), verschaffte diesem zahlreiche Aufträge (ebenso wie Josef Thorak, einem der Lieblingsbildhauer Hitlers, dem Salzburg immer noch die Ehre einer Straßenbenennung im Stadtteil Aigen zuteilwerden lässt.)

Zu den bekannten NS-Auftragswerken Adlharts zählen die beiden "Reichsadler" aus Stein, die heute noch den Eingang des Salzburger Schlosses Kleßheim „bewachen“ sowie vier Löwen für die Salzburger Dr.-Todt-Brücke (Staatsbrücke, ab 1943 nach dem NS-Generalinspektor für das Straßenwesen und NS-Reichsminister für Bewaffnung und Munition, Fritz Todt benannt; nach Kriegsende wieder in Staatsbrücke umbenannt). Die Adlhart-Löwen wurden nicht wie geplant an den Brückenköpfen aufgestellt, sondern in der Nachkriegszeit diskret aus Salzburg entsorgt: zwei von diesen stehen noch heute vor dem Hauptbahnhof in Linz.

Erinnerungslücken im Werkverzeichnis?

Wie einschlägigen Medien aus 1942 sowie weiteren Quellen zu entnehmen ist, war Jakob Adlhart d.J. auch der Schöpfer des am Salzburger Makartplatz aufgestellten, sogenannten eisernen „Wehrmanns“. Diese Holzplastik stellte einen NS-Soldaten mit geschultertem Gewehr dar und wurde 1942 nahezu flächendeckend benagelt, um „künftigen Generationen als bleibende Erinnerung für die überwältigende Opferbereitschaft der Salzburger Bevölkerung“ zu dienen.

Beeinflusst diese nunmehr zur Diskussion gestellte Erinnerungslücke hinsichtlich des Werkes von Adlhart die Sicht auf diesen Salzburger Bildhauer und dessen Lebenshaltung, im Sinne von Kunst versus Ethos?

Das an die eifrigen „kulturschaffenden“ Karriereopportunisten der 30er- und 40er-Jahre gerichtete Wort des österreichischen Publizisten und Aphoristikers Alfred Polgar könnte den Zugang zu einer Antwort bieten:

„… nicht verschwiegen darf auch werden, daß es viele im Nazi-Reich gab, die zu den schmutzigen und blutigen Ereignissen dort zwar nicht laut "Nein" sagten, aber immerhin die keineswegs ungefährliche Charakter-Stärke aufbrachten, nicht laut "Ja" zu sagen. In ihrer Mehrheit jedoch erwiesen sich "die Geistigen" im Reich gleich der breiten Masse, als brave Schüler in der Schule der Verdummung und Verrohung. … Sie mußten, so hart es ihnen fiel, hinein in die Schrifttums-Kammer, die Kultur-Kammer, die Theater-Kammer, die Presse-Kammer. Wenn ich sie nicht recht von Herzen bedauern kann, so deshalb, weil mein Mitleid aufgebraucht wird für die, die in die Gaskammer mussten.“

Dominik Schmidt und Konstanze Sailer

Zur Intervention "Hart an der Grenze" von Memory Gaps (mit Abb. aus den Jahren 1926 u. 1942)

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Geschrieben von

Memory Gaps

"Memory Gaps ::: Erinnerungslücken", die digitale Kunstinitiative, wurde von der Malerin Konstanze Sailer 2015 gegründet.

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